Worte ausbrach: "Der Kaiser Friedrich ist ein mächtiger Herr, aber solch einen Tisch, daran wir sitzen, hat er doch nicht." Aber die Glanzzeit der sächsischen Bergstädte dauerte nicht lange. Der Reich- tum, den die Natur bot, verwöhnte die Bergleute, so dass sie nur raschem und mühelosem Gewinn nachgingen. Die reichen Mittel, die über der Thalsohle lagen und durch Stollen aufzuschliessen waren, wurden rasch abgebaut, dann aber verliessen die meisten durch den leichten Erwerb zu Abenteuern geneigten Bergleute die Bergwerke, um an einem andern Orte, wo man "fündig" geworden war, in gleicher Weise ihr Glück zu versuchen. Es waren ähnliche Zustände, wie wir sie in unserm Jahrhundert bei den Goldfeldern von Kalifornien und Australien erlebt haben. In gleicher Weise lockte der Ruf des Silber- reichtums des Erzgebirges Abenteurer aus allen Ländern und aus allen Ständen an. Städte entstanden in unwirtbaren Gegenden in erstaunlich kurzer Zeit, um oft ebenso rasch wieder zur Unbedeutendheit herabzusinken, wenn der Bergsegen erschöpft war. Dies war bei dem sächsischen Silberbergbau im zweiten Jahrzehnt des sechzehnten Jahrhunderts bereits eingetreten. Die reichen Erzmittel waren ab- gebaut, die Ausbeute liess nach, die fahrenden Bergleute sahen sich nach lohnenderer Arbeit um.
Da erklang plötzlich die Kunde von reichen Silberanbrüchen "im Thal" im böhmischen Erzgebirge. "Zum Thal" -- noch hatte der Platz keinen andern Namen -- wurde die Losung der Bergleute. "Im Thal, im Thal mit Mutter und All", das war der Ruf, der durch das ganze Erzgebirge scholl, wie Mathesius berichtet. Zwei säch- sische Bergleute, Bach aus Geyer und Öser aus Schlackenwerth, waren es gewesen, die wahrscheinlich im Jahre 1510 den ersten Berg- bau "im Thal" eröffnet hatten1). Doch war ihr Erfolg nicht gross und fehlte es ihnen an Mitteln, ihren Bau fortzusetzen. Da bildete sich 1515 in Karlsbad eine Gewerkschaft zur Ausbeutung der Erz- gänge im Thal, der namentlich der Hauptgrundbesitzer der Gegend Graf Stefan Schlick beitrat. Diese erzielte schon 1516 glänzende Ausbeute und wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht davon im Erzgebirge. Scharenweise kamen Bergleute und Kolonisten gezogen.
Überall fand man Silber, gediegen oder als reiches Rotgiltigerz, unter dem Rasen und unter Baumwurzeln, ähnlich, wie in Peru oder Bolivia. Im folgenden Jahre 1517 war schon eine Ortschaft entstanden
1) Nach der Angabe in J. Böhms handschriftlicher Chronik in der Stadt- Dechantei zu Joachimsthal.
Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.
Worte ausbrach: „Der Kaiser Friedrich ist ein mächtiger Herr, aber solch einen Tisch, daran wir sitzen, hat er doch nicht.“ Aber die Glanzzeit der sächsischen Bergstädte dauerte nicht lange. Der Reich- tum, den die Natur bot, verwöhnte die Bergleute, so daſs sie nur raschem und mühelosem Gewinn nachgingen. Die reichen Mittel, die über der Thalsohle lagen und durch Stollen aufzuschlieſsen waren, wurden rasch abgebaut, dann aber verlieſsen die meisten durch den leichten Erwerb zu Abenteuern geneigten Bergleute die Bergwerke, um an einem andern Orte, wo man „fündig“ geworden war, in gleicher Weise ihr Glück zu versuchen. Es waren ähnliche Zustände, wie wir sie in unserm Jahrhundert bei den Goldfeldern von Kalifornien und Australien erlebt haben. In gleicher Weise lockte der Ruf des Silber- reichtums des Erzgebirges Abenteurer aus allen Ländern und aus allen Ständen an. Städte entstanden in unwirtbaren Gegenden in erstaunlich kurzer Zeit, um oft ebenso rasch wieder zur Unbedeutendheit herabzusinken, wenn der Bergsegen erschöpft war. Dies war bei dem sächsischen Silberbergbau im zweiten Jahrzehnt des sechzehnten Jahrhunderts bereits eingetreten. Die reichen Erzmittel waren ab- gebaut, die Ausbeute lieſs nach, die fahrenden Bergleute sahen sich nach lohnenderer Arbeit um.
Da erklang plötzlich die Kunde von reichen Silberanbrüchen „im Thal“ im böhmischen Erzgebirge. „Zum Thal“ — noch hatte der Platz keinen andern Namen — wurde die Losung der Bergleute. „Im Thal, im Thal mit Mutter und All“, das war der Ruf, der durch das ganze Erzgebirge scholl, wie Mathesius berichtet. Zwei säch- sische Bergleute, Bach aus Geyer und Öser aus Schlackenwerth, waren es gewesen, die wahrscheinlich im Jahre 1510 den ersten Berg- bau „im Thal“ eröffnet hatten1). Doch war ihr Erfolg nicht groſs und fehlte es ihnen an Mitteln, ihren Bau fortzusetzen. Da bildete sich 1515 in Karlsbad eine Gewerkschaft zur Ausbeutung der Erz- gänge im Thal, der namentlich der Hauptgrundbesitzer der Gegend Graf Stefan Schlick beitrat. Diese erzielte schon 1516 glänzende Ausbeute und wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht davon im Erzgebirge. Scharenweise kamen Bergleute und Kolonisten gezogen.
Überall fand man Silber, gediegen oder als reiches Rotgiltigerz, unter dem Rasen und unter Baumwurzeln, ähnlich, wie in Peru oder Bolivia. Im folgenden Jahre 1517 war schon eine Ortschaft entstanden
1) Nach der Angabe in J. Böhms handschriftlicher Chronik in der Stadt- Dechantei zu Joachimsthal.
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Schriftsteller des 16. Jahrhunderts.
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solch einen Tisch, daran wir sitzen, hat er doch nicht.“ Aber die
Glanzzeit der sächsischen Bergstädte dauerte nicht lange. Der Reich-
tum, den die Natur bot, verwöhnte die Bergleute, so daſs sie nur
raschem und mühelosem Gewinn nachgingen. Die reichen Mittel, die
über der Thalsohle lagen und durch Stollen aufzuschlieſsen waren,
wurden rasch abgebaut, dann aber verlieſsen die meisten durch den
leichten Erwerb zu Abenteuern geneigten Bergleute die Bergwerke,
um an einem andern Orte, wo man „fündig“ geworden war, in gleicher
Weise ihr Glück zu versuchen. Es waren ähnliche Zustände, wie wir
sie in unserm Jahrhundert bei den Goldfeldern von Kalifornien und
Australien erlebt haben. In gleicher Weise lockte der Ruf des Silber-
reichtums des Erzgebirges Abenteurer aus allen Ländern und aus
allen Ständen an. Städte entstanden in unwirtbaren Gegenden in
erstaunlich kurzer Zeit, um oft ebenso rasch wieder zur Unbedeutendheit
herabzusinken, wenn der Bergsegen erschöpft war. Dies war bei dem
sächsischen Silberbergbau im zweiten Jahrzehnt des sechzehnten
Jahrhunderts bereits eingetreten. Die reichen Erzmittel waren ab-
gebaut, die Ausbeute lieſs nach, die fahrenden Bergleute sahen sich
nach lohnenderer Arbeit um.
Da erklang plötzlich die Kunde von reichen Silberanbrüchen „im
Thal“ im böhmischen Erzgebirge. „Zum Thal“ — noch hatte der
Platz keinen andern Namen — wurde die Losung der Bergleute.
„Im Thal, im Thal mit Mutter und All“, das war der Ruf, der durch
das ganze Erzgebirge scholl, wie Mathesius berichtet. Zwei säch-
sische Bergleute, Bach aus Geyer und Öser aus Schlackenwerth,
waren es gewesen, die wahrscheinlich im Jahre 1510 den ersten Berg-
bau „im Thal“ eröffnet hatten 1). Doch war ihr Erfolg nicht groſs
und fehlte es ihnen an Mitteln, ihren Bau fortzusetzen. Da bildete
sich 1515 in Karlsbad eine Gewerkschaft zur Ausbeutung der Erz-
gänge im Thal, der namentlich der Hauptgrundbesitzer der Gegend
Graf Stefan Schlick beitrat. Diese erzielte schon 1516 glänzende
Ausbeute und wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht davon im
Erzgebirge. Scharenweise kamen Bergleute und Kolonisten gezogen.
Überall fand man Silber, gediegen oder als reiches Rotgiltigerz,
unter dem Rasen und unter Baumwurzeln, ähnlich, wie in Peru oder
Bolivia. Im folgenden Jahre 1517 war schon eine Ortschaft entstanden
1) Nach der Angabe in J. Böhms handschriftlicher Chronik in der Stadt-
Dechantei zu Joachimsthal.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/76>, abgerufen am 26.11.2024.
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