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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Nassau.

Also schon damals erschien eine Vermehrung der Hütten des
Holzverbrauchs wegen schädlich.

Die Eisenwerke in der südwestlich von Siegen gelegenen Graf-
schaft Sayn-Altenkirchen 1), in welche die Siegener Erzgänge, be-
sonders der berühmte Hollerter Zug übersetzten, waren im Mittel-
alter von geringer Bedeutung. Erst im 16. Jahrhundert kam auch
hier der Eisenbergbau in Schwung; die Anregung dazu gab die
blühende Eisenindustrie des benachbarten Siegerlandes und die ge-
steigerte Nachfrage der Mark. Im Jahre 1556 erliess Sebastian Graf
zu Sayn die erste Bergordnung 2). Damals war ein geregelter Bergbau
erst im Entstehen. Die Eisenerze, die vorher gewonnen wurden,
waren sogenannter Molterstein, der gelesen wurde oder aus den "Moll-
kauten" 3) kam, kleinen Tagebauen am Ausgehende der Eisenstein-
gänge. Dieselben wurden in Luppenfeuern im Wald, in Waldschmieden
verschmolzen; alte Pingenzüge und Schlackenhügel beweisen dies.
Man findet diese Schlacken immer in der Nähe eines Quellwassers
ohne alle Spuren ehemaliger Schmelzgebäude. Die Mollkauten wurden
ausschliesslich auf Eisen betrieben, sie finden sich in ausgedehnten
Pingenzügen, besonders auf Langgrube, Waldstollen, Wasserberg und
Kuhlewald (Kaulewald 4). Dort teufte man in der Regel zwei Schächte
neben einander zugleich ab, machte sie durchschlägig und trieb den
einen vor, wodurch er dem andern das Wasser löste. Kam man mit
dem ersten Schacht zu tief in das Wasser, so verliess man ihn und
fing einen neuen an und fuhr in dieser Weise auf dem Streichen
des Ganges fort. Auf dem Hollerter Zug wurden Eule und Alte
Hollert in dieser Weise gebaut. Von älteren Massenhütten wird nur
die Fischbacher Hütte im 16. Jahrhundert genannt. Hammerhütten
konnten in jener Zeit gegenüber der siegenschen Konkurrenz nicht
aufkommen.

1603 erliess Graf Wilhelm zu Sayn eine Hammer- und Blase-
hüttenordnung nach dem Muster der Siegener.

Ganz anders verhielt es sich in der Herrschaft Dillenburg.
Dort stand schon im 15. Jahrhundert die Eisenindustrie in Blüte
und wurde in rationeller Weise betrieben. Dillenburg stand mit
Siegen unter der Herrschaft der Grafen von Nassau aus der Otto-

1) Siehe L. W. Cramer, Vollständige Beschreibung des Berg-, Hütten- und
Hammerwesens in den Nassau-Usingischen Landen, Bd. I, S. 1. Sayn-Altenkirchen.
2) Abgedruckt bei Cramer, a. a. O., Beilage I.
3) Moll = Ortsbezeichnung für Maulwurf.
4) Cramer, a. a. O., S. 90.
Nassau.

Also schon damals erschien eine Vermehrung der Hütten des
Holzverbrauchs wegen schädlich.

Die Eisenwerke in der südwestlich von Siegen gelegenen Graf-
schaft Sayn-Altenkirchen 1), in welche die Siegener Erzgänge, be-
sonders der berühmte Hollerter Zug übersetzten, waren im Mittel-
alter von geringer Bedeutung. Erst im 16. Jahrhundert kam auch
hier der Eisenbergbau in Schwung; die Anregung dazu gab die
blühende Eisenindustrie des benachbarten Siegerlandes und die ge-
steigerte Nachfrage der Mark. Im Jahre 1556 erlieſs Sebastian Graf
zu Sayn die erste Bergordnung 2). Damals war ein geregelter Bergbau
erst im Entstehen. Die Eisenerze, die vorher gewonnen wurden,
waren sogenannter Molterstein, der gelesen wurde oder aus den „Moll-
kauten“ 3) kam, kleinen Tagebauen am Ausgehende der Eisenstein-
gänge. Dieselben wurden in Luppenfeuern im Wald, in Waldschmieden
verschmolzen; alte Pingenzüge und Schlackenhügel beweisen dies.
Man findet diese Schlacken immer in der Nähe eines Quellwassers
ohne alle Spuren ehemaliger Schmelzgebäude. Die Mollkauten wurden
ausschlieſslich auf Eisen betrieben, sie finden sich in ausgedehnten
Pingenzügen, besonders auf Langgrube, Waldstollen, Wasserberg und
Kuhlewald (Kaulewald 4). Dort teufte man in der Regel zwei Schächte
neben einander zugleich ab, machte sie durchschlägig und trieb den
einen vor, wodurch er dem andern das Wasser löste. Kam man mit
dem ersten Schacht zu tief in das Wasser, so verlieſs man ihn und
fing einen neuen an und fuhr in dieser Weise auf dem Streichen
des Ganges fort. Auf dem Hollerter Zug wurden Eule und Alte
Hollert in dieser Weise gebaut. Von älteren Massenhütten wird nur
die Fischbacher Hütte im 16. Jahrhundert genannt. Hammerhütten
konnten in jener Zeit gegenüber der siegenschen Konkurrenz nicht
aufkommen.

1603 erlieſs Graf Wilhelm zu Sayn eine Hammer- und Blase-
hüttenordnung nach dem Muster der Siegener.

Ganz anders verhielt es sich in der Herrschaft Dillenburg.
Dort stand schon im 15. Jahrhundert die Eisenindustrie in Blüte
und wurde in rationeller Weise betrieben. Dillenburg stand mit
Siegen unter der Herrschaft der Grafen von Nassau aus der Otto-

1) Siehe L. W. Cramer, Vollständige Beschreibung des Berg-, Hütten- und
Hammerwesens in den Nassau-Usingischen Landen, Bd. I, S. 1. Sayn-Altenkirchen.
2) Abgedruckt bei Cramer, a. a. O., Beilage I.
3) Moll = Ortsbezeichnung für Maulwurf.
4) Cramer, a. a. O., S. 90.
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[735/0755] Nassau. Also schon damals erschien eine Vermehrung der Hütten des Holzverbrauchs wegen schädlich. Die Eisenwerke in der südwestlich von Siegen gelegenen Graf- schaft Sayn-Altenkirchen 1), in welche die Siegener Erzgänge, be- sonders der berühmte Hollerter Zug übersetzten, waren im Mittel- alter von geringer Bedeutung. Erst im 16. Jahrhundert kam auch hier der Eisenbergbau in Schwung; die Anregung dazu gab die blühende Eisenindustrie des benachbarten Siegerlandes und die ge- steigerte Nachfrage der Mark. Im Jahre 1556 erlieſs Sebastian Graf zu Sayn die erste Bergordnung 2). Damals war ein geregelter Bergbau erst im Entstehen. Die Eisenerze, die vorher gewonnen wurden, waren sogenannter Molterstein, der gelesen wurde oder aus den „Moll- kauten“ 3) kam, kleinen Tagebauen am Ausgehende der Eisenstein- gänge. Dieselben wurden in Luppenfeuern im Wald, in Waldschmieden verschmolzen; alte Pingenzüge und Schlackenhügel beweisen dies. Man findet diese Schlacken immer in der Nähe eines Quellwassers ohne alle Spuren ehemaliger Schmelzgebäude. Die Mollkauten wurden ausschlieſslich auf Eisen betrieben, sie finden sich in ausgedehnten Pingenzügen, besonders auf Langgrube, Waldstollen, Wasserberg und Kuhlewald (Kaulewald 4). Dort teufte man in der Regel zwei Schächte neben einander zugleich ab, machte sie durchschlägig und trieb den einen vor, wodurch er dem andern das Wasser löste. Kam man mit dem ersten Schacht zu tief in das Wasser, so verlieſs man ihn und fing einen neuen an und fuhr in dieser Weise auf dem Streichen des Ganges fort. Auf dem Hollerter Zug wurden Eule und Alte Hollert in dieser Weise gebaut. Von älteren Massenhütten wird nur die Fischbacher Hütte im 16. Jahrhundert genannt. Hammerhütten konnten in jener Zeit gegenüber der siegenschen Konkurrenz nicht aufkommen. 1603 erlieſs Graf Wilhelm zu Sayn eine Hammer- und Blase- hüttenordnung nach dem Muster der Siegener. Ganz anders verhielt es sich in der Herrschaft Dillenburg. Dort stand schon im 15. Jahrhundert die Eisenindustrie in Blüte und wurde in rationeller Weise betrieben. Dillenburg stand mit Siegen unter der Herrschaft der Grafen von Nassau aus der Otto- 1) Siehe L. W. Cramer, Vollständige Beschreibung des Berg-, Hütten- und Hammerwesens in den Nassau-Usingischen Landen, Bd. I, S. 1. Sayn-Altenkirchen. 2) Abgedruckt bei Cramer, a. a. O., Beilage I. 3) Moll = Ortsbezeichnung für Maulwurf. 4) Cramer, a. a. O., S. 90.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 735. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/755>, abgerufen am 22.11.2024.