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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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welche die Berggesellen jetzt haben, beschützt und jene, welche gegen
den einen oder den andern dieser Artikel sich vergehen, bestraft
werden 1)".

Besondere Vorrechte der Knappen zu dieser Zeit waren ausserdem
noch: dass sie ihr Vieh unentgeltlich in die Weiden der Bauern auf
"Blumbesuch" treiben konnten, dass der angesessene Bauer ihnen ein
Stück Land zu einer Flachsansaat unentgeltlich zu geben hatte, dass
sie das Ast- und Klaubholz in den ungezäunten Wäldern suchen und
nach Hause tragen konnten, dass von keinem fremden Orte ein Knappe
aufgenommen werden durfte, dass sie auf den Halden im sogenannten
"Bergzirkel" kleine Gärten anlegen konnten, dass an den Wochen-
märkten in Hüttenberg kein Vorkäufer einkaufen durfte, bevor die
Knappen vom Berge kamen und dass die nächstliegenden Bauern ver-
pflichtet waren, die Knappen in Wohnung zu nehmen.

Die Knappen bildeten eine Bruderschaft und hatten eine gemein-
same Bruderlade, in welche ein jeder seinen Brudergroschen zu ent-
richten hatte.

Die Stuckhütten und Deutschhämmer waren damals noch im
ausschliesslichen Besitz der Bauern auf den Bergen 2). Diesen Ver-
hältnissen entsprechend war sowohl der Bergbau am Erzberg, als der
Hüttenbetrieb ein planloser, geleitet durch alte Gewohnheiten, die
sich von Geschlecht zu Geschlecht forterbten, ohne System und Gesetz.
Die Knappen waren gewissermassen die Herren des Erzberges, sie
schürften auf eigene Rechnung nach Erzen, liessen sich den Fund
belehnen und bauten auf eigene Rechnung, trugen alle Kosten des
Baues und verkauften die Erze und neueren Baue ihrem Rad-
meister. Diese willkürliche Wirtschaft verbunden mit Unkenntnis
und Unwissenheit einerseits, die argen Missbräuche, Ausschreitungen
und Bedrückungen im Eisenhandel andrerseits führte zu unaufhör-
lichen Streitigkeiten und brachte das berühmte Bergwerk von Hütten-
berg dem Verfalle nahe. Um hierin Wandlung zu schaffen, schickte
Kaiser Ferdinand 1535 kaiserliche und salzburgische Kommissäre zum
Zweck einer gründlichen Untersuchung an den Erzberg. Die Knapp-
schaft reichte schriftlich Beschwerde ein: "dass sie das Erz mit vieler
Anstrengung aus der Tiefe tragen müsse; dass sie, wenn sie auf eigene
Rechnung einen neuen Bau aufschlage, so lange sie nicht Erz habe,
auf eigene Rechnung arbeiten müsse; dass die Teuerung so überhand

1) Münichsdorfer, a. a. O., im Anhange sub Nr. VIII.
2) Münichsdorfer, a. a. O., S. 53 u. 54 führt eine Anzahl derselben mit
Namen auf.

Kärnten.
welche die Berggesellen jetzt haben, beschützt und jene, welche gegen
den einen oder den andern dieser Artikel sich vergehen, bestraft
werden 1)“.

Besondere Vorrechte der Knappen zu dieser Zeit waren auſserdem
noch: daſs sie ihr Vieh unentgeltlich in die Weiden der Bauern auf
„Blumbesuch“ treiben konnten, daſs der angesessene Bauer ihnen ein
Stück Land zu einer Flachsansaat unentgeltlich zu geben hatte, daſs
sie das Ast- und Klaubholz in den ungezäunten Wäldern suchen und
nach Hause tragen konnten, daſs von keinem fremden Orte ein Knappe
aufgenommen werden durfte, daſs sie auf den Halden im sogenannten
„Bergzirkel“ kleine Gärten anlegen konnten, daſs an den Wochen-
märkten in Hüttenberg kein Vorkäufer einkaufen durfte, bevor die
Knappen vom Berge kamen und daſs die nächstliegenden Bauern ver-
pflichtet waren, die Knappen in Wohnung zu nehmen.

Die Knappen bildeten eine Bruderschaft und hatten eine gemein-
same Bruderlade, in welche ein jeder seinen Brudergroschen zu ent-
richten hatte.

Die Stuckhütten und Deutschhämmer waren damals noch im
ausschlieſslichen Besitz der Bauern auf den Bergen 2). Diesen Ver-
hältnissen entsprechend war sowohl der Bergbau am Erzberg, als der
Hüttenbetrieb ein planloser, geleitet durch alte Gewohnheiten, die
sich von Geschlecht zu Geschlecht forterbten, ohne System und Gesetz.
Die Knappen waren gewissermaſsen die Herren des Erzberges, sie
schürften auf eigene Rechnung nach Erzen, lieſsen sich den Fund
belehnen und bauten auf eigene Rechnung, trugen alle Kosten des
Baues und verkauften die Erze und neueren Baue ihrem Rad-
meister. Diese willkürliche Wirtschaft verbunden mit Unkenntnis
und Unwissenheit einerseits, die argen Miſsbräuche, Ausschreitungen
und Bedrückungen im Eisenhandel andrerseits führte zu unaufhör-
lichen Streitigkeiten und brachte das berühmte Bergwerk von Hütten-
berg dem Verfalle nahe. Um hierin Wandlung zu schaffen, schickte
Kaiser Ferdinand 1535 kaiserliche und salzburgische Kommissäre zum
Zweck einer gründlichen Untersuchung an den Erzberg. Die Knapp-
schaft reichte schriftlich Beschwerde ein: „daſs sie das Erz mit vieler
Anstrengung aus der Tiefe tragen müsse; daſs sie, wenn sie auf eigene
Rechnung einen neuen Bau aufschlage, so lange sie nicht Erz habe,
auf eigene Rechnung arbeiten müsse; daſs die Teuerung so überhand

1) Münichsdorfer, a. a. O., im Anhange sub Nr. VIII.
2) Münichsdorfer, a. a. O., S. 53 u. 54 führt eine Anzahl derselben mit
Namen auf.
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[648/0668] Kärnten. welche die Berggesellen jetzt haben, beschützt und jene, welche gegen den einen oder den andern dieser Artikel sich vergehen, bestraft werden 1)“. Besondere Vorrechte der Knappen zu dieser Zeit waren auſserdem noch: daſs sie ihr Vieh unentgeltlich in die Weiden der Bauern auf „Blumbesuch“ treiben konnten, daſs der angesessene Bauer ihnen ein Stück Land zu einer Flachsansaat unentgeltlich zu geben hatte, daſs sie das Ast- und Klaubholz in den ungezäunten Wäldern suchen und nach Hause tragen konnten, daſs von keinem fremden Orte ein Knappe aufgenommen werden durfte, daſs sie auf den Halden im sogenannten „Bergzirkel“ kleine Gärten anlegen konnten, daſs an den Wochen- märkten in Hüttenberg kein Vorkäufer einkaufen durfte, bevor die Knappen vom Berge kamen und daſs die nächstliegenden Bauern ver- pflichtet waren, die Knappen in Wohnung zu nehmen. Die Knappen bildeten eine Bruderschaft und hatten eine gemein- same Bruderlade, in welche ein jeder seinen Brudergroschen zu ent- richten hatte. Die Stuckhütten und Deutschhämmer waren damals noch im ausschlieſslichen Besitz der Bauern auf den Bergen 2). Diesen Ver- hältnissen entsprechend war sowohl der Bergbau am Erzberg, als der Hüttenbetrieb ein planloser, geleitet durch alte Gewohnheiten, die sich von Geschlecht zu Geschlecht forterbten, ohne System und Gesetz. Die Knappen waren gewissermaſsen die Herren des Erzberges, sie schürften auf eigene Rechnung nach Erzen, lieſsen sich den Fund belehnen und bauten auf eigene Rechnung, trugen alle Kosten des Baues und verkauften die Erze und neueren Baue ihrem Rad- meister. Diese willkürliche Wirtschaft verbunden mit Unkenntnis und Unwissenheit einerseits, die argen Miſsbräuche, Ausschreitungen und Bedrückungen im Eisenhandel andrerseits führte zu unaufhör- lichen Streitigkeiten und brachte das berühmte Bergwerk von Hütten- berg dem Verfalle nahe. Um hierin Wandlung zu schaffen, schickte Kaiser Ferdinand 1535 kaiserliche und salzburgische Kommissäre zum Zweck einer gründlichen Untersuchung an den Erzberg. Die Knapp- schaft reichte schriftlich Beschwerde ein: „daſs sie das Erz mit vieler Anstrengung aus der Tiefe tragen müsse; daſs sie, wenn sie auf eigene Rechnung einen neuen Bau aufschlage, so lange sie nicht Erz habe, auf eigene Rechnung arbeiten müsse; daſs die Teuerung so überhand 1) Münichsdorfer, a. a. O., im Anhange sub Nr. VIII. 2) Münichsdorfer, a. a. O., S. 53 u. 54 führt eine Anzahl derselben mit Namen auf.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 648. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/668>, abgerufen am 19.05.2024.