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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
sich wieder und es wurde 1477 zum zweiten Male belagert. Es musste
sich ergeben und 14 Millionen Kriegsentschädigung zahlen. Damit
war seine selbständige Macht für immer gebrochen. --

Die deutschen Kaufleute hatten schwer zu leiden. Aller Handel
mit Russland wurde ihnen untersagt. Die Insassen von St. Peter und
St. Olaf erhielten von Dorpat die Weisung, Nowgorod zu verlassen.
Endlich kam im Jahre 1484 ein 20jähriger Friede zwischen den
Hansastädten und dem Zaren Iwan Wassiljewitsch zu stande. Aber
dieser Friede wurde nicht gehalten. Iwan verband sich mit König
Johann von Dänemark, einem erbitterten Feinde des Hansabundes.
Dieser machte zur Bedingung, dass den deutschen Kaufleuten der
russische Markt verschlossen und sie aus Nowgorod vertrieben wurden.
Demgemäss wurde am 3. November 1493 ein geheimer Vertrag ab-
geschlossen. Am 5. November 1494 erfolgte der verräterische Über-
fall von St. Petershof. 49 deutsche Kaufleute aus Lübeck, Hamburg,
Greifswalde, Lüneburg, Münster, Dortmund, Bielefeld, Unna, Duisburg,
Einbeck, Duderstadt, Reval und Dorpat wurden festgenommen und
ihre Waren im Werte von einer Million Gulden mit Beschlag belegt.
"Die alten, seit 1199 immer von neuem ergänzten und beschworenen
Verträge zerriss die gewaltige Hand des ersten Alleinherrschers aus
dem Stamme Rurick." Von diesem Schlage hat sich der hanseatische
Handel nie mehr erholt. Doch waren es diese äusseren Schläge nicht
allein, welche die Macht der Hansa erschütterten. Als die Nachricht
von dem Überfalle von St. Petershof im fernen "Naugard" in Deutsch-
land verbreitet wurde, erzählte man sich gleichzeitig, dass ein Portu-
giese -- Vasco de Gama -- Afrika umschifft und zu Wasser nach
Indien gesegelt sei, ja dass ein kühner Genuese Christoph Kolumbus
westwärts, quer durch den Ocean steuernd, zur indischen Küste ge-
langt sei. Die Entdeckung des Seeweges nach Ostindien durch die
Portugiesen und die von Amerika durch die Spanier veränderte den
Welthandel und traf die Hansa im innersten Mark. Auch die innere
Entwickelung Deutschlands trug dazu bei. Mit der wachsenden
Macht der Landesfürsten sank die Macht und das Ansehen des
Kaisers. Die Hansa hatte aber als "deutsche Hansa" ihre Rolle ge-
spielt, und wenn ihr auch die schwache Macht der Kaiser unmittelbar
wenig Hilfe gewährt hatte, so stand doch bis in das 16. Jahrhundert
der deutschen Kaiserwürde die anerkannte Oberhoheit in Europa zu.
Die Entwickelung zu nationaler Einheit und das daraus entspringende
Wachstum der Macht der mächtigen europäischen Staaten, Spanien,
Frankreich und England, stellten die Kaisermacht in Deutschland

Der Eisenhandel und die deutsche Hansa.
sich wieder und es wurde 1477 zum zweiten Male belagert. Es muſste
sich ergeben und 14 Millionen Kriegsentschädigung zahlen. Damit
war seine selbständige Macht für immer gebrochen. —

Die deutschen Kaufleute hatten schwer zu leiden. Aller Handel
mit Ruſsland wurde ihnen untersagt. Die Insassen von St. Peter und
St. Olaf erhielten von Dorpat die Weisung, Nowgorod zu verlassen.
Endlich kam im Jahre 1484 ein 20jähriger Friede zwischen den
Hansastädten und dem Zaren Iwan Wassiljewitsch zu stande. Aber
dieser Friede wurde nicht gehalten. Iwan verband sich mit König
Johann von Dänemark, einem erbitterten Feinde des Hansabundes.
Dieser machte zur Bedingung, daſs den deutschen Kaufleuten der
russische Markt verschlossen und sie aus Nowgorod vertrieben wurden.
Demgemäſs wurde am 3. November 1493 ein geheimer Vertrag ab-
geschlossen. Am 5. November 1494 erfolgte der verräterische Über-
fall von St. Petershof. 49 deutsche Kaufleute aus Lübeck, Hamburg,
Greifswalde, Lüneburg, Münster, Dortmund, Bielefeld, Unna, Duisburg,
Einbeck, Duderstadt, Reval und Dorpat wurden festgenommen und
ihre Waren im Werte von einer Million Gulden mit Beschlag belegt.
„Die alten, seit 1199 immer von neuem ergänzten und beschworenen
Verträge zerriſs die gewaltige Hand des ersten Alleinherrschers aus
dem Stamme Rurick.“ Von diesem Schlage hat sich der hanseatische
Handel nie mehr erholt. Doch waren es diese äuſseren Schläge nicht
allein, welche die Macht der Hansa erschütterten. Als die Nachricht
von dem Überfalle von St. Petershof im fernen „Naugard“ in Deutsch-
land verbreitet wurde, erzählte man sich gleichzeitig, daſs ein Portu-
giese — Vasco de Gama — Afrika umschifft und zu Wasser nach
Indien gesegelt sei, ja daſs ein kühner Genuese Christoph Kolumbus
westwärts, quer durch den Ocean steuernd, zur indischen Küste ge-
langt sei. Die Entdeckung des Seeweges nach Ostindien durch die
Portugiesen und die von Amerika durch die Spanier veränderte den
Welthandel und traf die Hansa im innersten Mark. Auch die innere
Entwickelung Deutschlands trug dazu bei. Mit der wachsenden
Macht der Landesfürsten sank die Macht und das Ansehen des
Kaisers. Die Hansa hatte aber als „deutsche Hansa“ ihre Rolle ge-
spielt, und wenn ihr auch die schwache Macht der Kaiser unmittelbar
wenig Hilfe gewährt hatte, so stand doch bis in das 16. Jahrhundert
der deutschen Kaiserwürde die anerkannte Oberhoheit in Europa zu.
Die Entwickelung zu nationaler Einheit und das daraus entspringende
Wachstum der Macht der mächtigen europäischen Staaten, Spanien,
Frankreich und England, stellten die Kaisermacht in Deutschland

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[580/0600] Der Eisenhandel und die deutsche Hansa. sich wieder und es wurde 1477 zum zweiten Male belagert. Es muſste sich ergeben und 14 Millionen Kriegsentschädigung zahlen. Damit war seine selbständige Macht für immer gebrochen. — Die deutschen Kaufleute hatten schwer zu leiden. Aller Handel mit Ruſsland wurde ihnen untersagt. Die Insassen von St. Peter und St. Olaf erhielten von Dorpat die Weisung, Nowgorod zu verlassen. Endlich kam im Jahre 1484 ein 20jähriger Friede zwischen den Hansastädten und dem Zaren Iwan Wassiljewitsch zu stande. Aber dieser Friede wurde nicht gehalten. Iwan verband sich mit König Johann von Dänemark, einem erbitterten Feinde des Hansabundes. Dieser machte zur Bedingung, daſs den deutschen Kaufleuten der russische Markt verschlossen und sie aus Nowgorod vertrieben wurden. Demgemäſs wurde am 3. November 1493 ein geheimer Vertrag ab- geschlossen. Am 5. November 1494 erfolgte der verräterische Über- fall von St. Petershof. 49 deutsche Kaufleute aus Lübeck, Hamburg, Greifswalde, Lüneburg, Münster, Dortmund, Bielefeld, Unna, Duisburg, Einbeck, Duderstadt, Reval und Dorpat wurden festgenommen und ihre Waren im Werte von einer Million Gulden mit Beschlag belegt. „Die alten, seit 1199 immer von neuem ergänzten und beschworenen Verträge zerriſs die gewaltige Hand des ersten Alleinherrschers aus dem Stamme Rurick.“ Von diesem Schlage hat sich der hanseatische Handel nie mehr erholt. Doch waren es diese äuſseren Schläge nicht allein, welche die Macht der Hansa erschütterten. Als die Nachricht von dem Überfalle von St. Petershof im fernen „Naugard“ in Deutsch- land verbreitet wurde, erzählte man sich gleichzeitig, daſs ein Portu- giese — Vasco de Gama — Afrika umschifft und zu Wasser nach Indien gesegelt sei, ja daſs ein kühner Genuese Christoph Kolumbus westwärts, quer durch den Ocean steuernd, zur indischen Küste ge- langt sei. Die Entdeckung des Seeweges nach Ostindien durch die Portugiesen und die von Amerika durch die Spanier veränderte den Welthandel und traf die Hansa im innersten Mark. Auch die innere Entwickelung Deutschlands trug dazu bei. Mit der wachsenden Macht der Landesfürsten sank die Macht und das Ansehen des Kaisers. Die Hansa hatte aber als „deutsche Hansa“ ihre Rolle ge- spielt, und wenn ihr auch die schwache Macht der Kaiser unmittelbar wenig Hilfe gewährt hatte, so stand doch bis in das 16. Jahrhundert der deutschen Kaiserwürde die anerkannte Oberhoheit in Europa zu. Die Entwickelung zu nationaler Einheit und das daraus entspringende Wachstum der Macht der mächtigen europäischen Staaten, Spanien, Frankreich und England, stellten die Kaisermacht in Deutschland

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 580. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/600>, abgerufen am 02.05.2024.