Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Zünfte der Eisenarbeiter.
Zwiegespräch zwischen dem Altgesellen und dem Fremden, das ge-
sprochen wurde, wenn die Bruderschaft Auflage hielt. -- In neckischer
Rede wird der Fremde nach Namen, Geburtsort u. s. w. ausgefragt.
So fragt der Altgesell, nachdem der Fremde seinen Namen genannt,
ob er seinen "feinen Namen sich wohl ersungen und ersprungen habe?"
Der Fremde antwortet:

"Mein Schmied, ich konnte wohl singen,
Ich konnte wohl springen,
Ich konnte wohl mit schönen Jungfern umgehen,
Das alles wollte nichts helfen,
Ich musste rennen und laufen,
Ich musste meinen ehrlichen Namen um ein frei Wochenlohn kaufen,
Das Wochenlohn wollte nicht recken,
Ich musste die Mutterpfennige und das Trinkgeld auch dran stecken."
Altgesell: "Mein Schmied, in welcher Stadt oder Marktflecken sind dir
solch edle Wohlthaten widerfahren?"
Fremder: "Mein Schmied, in der königlichen See-Handelsstadt Danzig,
Da man mehr Gersten zu Bier mälzt,
Als man hier Silber und Gold schmelzt."
u. s. w.

Hatte der Lehrling ausgelernt, so war er zur Wanderschaft ver-
pflichtet. Er konnte nicht zünftiger Meister oder auch nur Altgeselle
werden, ohne eine Reihe von Jahren gewandert zu sein. Das Wandern
war doppelt nötig in der Zeit, da Lesen und Schreiben noch kaum
bekannt war und alle Belehrung durch mündliche Mitteilung geschehen
musste.

Die Gesellen an einem Orte bildeten unter sich eine Bruderschaft,
hatten ihre Herberge, in der sie alle vier bis sechs Wochen regel-
mässige Zusammenkünfte abhielten. Das Einkehren in die Herberge
war Pflicht der wandernden Gesellen, die auch ihr Nachtquartier
dort suchen mussten. Dort erhielten sie ihr Geschenk. War dieses
festgesetzt und jedem bestimmt, so dass er ein Anrecht darauf hatte,
so war dies ein "geschenktes Handwerk". "Schenke halten", hiess die
Bewirtung, sowie auch das festliche Gelage, welches durch Aufstellung
eines verzierten Pokals, dem Willkommen, eröffnet wurde. Das
Recht, Geschenk oder Willkommen zu halten und sich als "geschenktes
Handwerk" zu bezeichnen, wurde von der Behörde verliehen. Es wurde
als ein besonderes Vorrecht angesehen. Damit verbunden war das
Recht, das Handwerk zu grüssen, d. h. den Willkommen zu fordern,
was keinem wandernden Genossen versagt werden durfte, wenn er

36*

Zünfte der Eisenarbeiter.
Zwiegespräch zwischen dem Altgesellen und dem Fremden, das ge-
sprochen wurde, wenn die Bruderschaft Auflage hielt. — In neckischer
Rede wird der Fremde nach Namen, Geburtsort u. s. w. ausgefragt.
So fragt der Altgesell, nachdem der Fremde seinen Namen genannt,
ob er seinen „feinen Namen sich wohl ersungen und ersprungen habe?“
Der Fremde antwortet:

„Mein Schmied, ich konnte wohl singen,
Ich konnte wohl springen,
Ich konnte wohl mit schönen Jungfern umgehen,
Das alles wollte nichts helfen,
Ich muſste rennen und laufen,
Ich muſste meinen ehrlichen Namen um ein frei Wochenlohn kaufen,
Das Wochenlohn wollte nicht recken,
Ich muſste die Mutterpfennige und das Trinkgeld auch dran stecken.“
Altgesell: „Mein Schmied, in welcher Stadt oder Marktflecken sind dir
solch edle Wohlthaten widerfahren?“
Fremder: „Mein Schmied, in der königlichen See-Handelsstadt Danzig,
Da man mehr Gersten zu Bier mälzt,
Als man hier Silber und Gold schmelzt.“
u. s. w.

Hatte der Lehrling ausgelernt, so war er zur Wanderschaft ver-
pflichtet. Er konnte nicht zünftiger Meister oder auch nur Altgeselle
werden, ohne eine Reihe von Jahren gewandert zu sein. Das Wandern
war doppelt nötig in der Zeit, da Lesen und Schreiben noch kaum
bekannt war und alle Belehrung durch mündliche Mitteilung geschehen
muſste.

Die Gesellen an einem Orte bildeten unter sich eine Bruderschaft,
hatten ihre Herberge, in der sie alle vier bis sechs Wochen regel-
mäſsige Zusammenkünfte abhielten. Das Einkehren in die Herberge
war Pflicht der wandernden Gesellen, die auch ihr Nachtquartier
dort suchen muſsten. Dort erhielten sie ihr Geschenk. War dieses
festgesetzt und jedem bestimmt, so daſs er ein Anrecht darauf hatte,
so war dies ein „geschenktes Handwerk“. „Schenke halten“, hieſs die
Bewirtung, sowie auch das festliche Gelage, welches durch Aufstellung
eines verzierten Pokals, dem Willkommen, eröffnet wurde. Das
Recht, Geschenk oder Willkommen zu halten und sich als „geschenktes
Handwerk“ zu bezeichnen, wurde von der Behörde verliehen. Es wurde
als ein besonderes Vorrecht angesehen. Damit verbunden war das
Recht, das Handwerk zu grüſsen, d. h. den Willkommen zu fordern,
was keinem wandernden Genossen versagt werden durfte, wenn er

36*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0583" n="563"/><fw place="top" type="header">Zünfte der Eisenarbeiter.</fw><lb/>
Zwiegespräch zwischen dem Altgesellen und dem Fremden, das ge-<lb/>
sprochen wurde, wenn die Bruderschaft Auflage hielt. &#x2014; In neckischer<lb/>
Rede wird der Fremde nach Namen, Geburtsort u. s. w. ausgefragt.<lb/>
So fragt der Altgesell, nachdem der Fremde seinen Namen genannt,<lb/>
ob er seinen &#x201E;feinen Namen sich wohl ersungen und ersprungen habe?&#x201C;<lb/>
Der Fremde antwortet:</p><lb/>
            <lg type="poem">
              <l>&#x201E;Mein Schmied, ich konnte wohl singen,</l><lb/>
              <l>Ich konnte wohl springen,</l><lb/>
              <l>Ich konnte wohl mit schönen Jungfern umgehen,</l><lb/>
              <l>Das alles wollte nichts helfen,</l><lb/>
              <l>Ich mu&#x017F;ste rennen und laufen,</l><lb/>
              <l>Ich mu&#x017F;ste meinen ehrlichen Namen um ein frei Wochenlohn kaufen,</l><lb/>
              <l>Das Wochenlohn wollte nicht recken,</l><lb/>
              <l>Ich mu&#x017F;ste die Mutterpfennige und das Trinkgeld auch dran stecken.&#x201C;</l><lb/>
              <l>Altgesell: &#x201E;Mein Schmied, in welcher Stadt oder Marktflecken sind dir</l><lb/>
              <l>solch edle Wohlthaten widerfahren?&#x201C;</l><lb/>
              <l>Fremder: &#x201E;Mein Schmied, in der königlichen See-Handelsstadt Danzig,</l><lb/>
              <l>Da man mehr Gersten zu Bier mälzt,</l><lb/>
              <l>Als man hier Silber und Gold schmelzt.&#x201C;</l><lb/>
              <l>u. s. w.</l>
            </lg><lb/>
            <p>Hatte der Lehrling ausgelernt, so war er zur Wanderschaft ver-<lb/>
pflichtet. Er konnte nicht zünftiger Meister oder auch nur Altgeselle<lb/>
werden, ohne eine Reihe von Jahren gewandert zu sein. Das Wandern<lb/>
war doppelt nötig in der Zeit, da Lesen und Schreiben noch kaum<lb/>
bekannt war und alle Belehrung durch mündliche Mitteilung geschehen<lb/>
mu&#x017F;ste.</p><lb/>
            <p>Die Gesellen an einem Orte bildeten unter sich eine Bruderschaft,<lb/>
hatten ihre Herberge, in der sie alle vier bis sechs Wochen regel-<lb/>&#x017F;sige Zusammenkünfte abhielten. Das Einkehren in die Herberge<lb/>
war Pflicht der wandernden Gesellen, die auch ihr Nachtquartier<lb/>
dort suchen mu&#x017F;sten. Dort erhielten sie ihr Geschenk. War dieses<lb/>
festgesetzt und jedem bestimmt, so da&#x017F;s er ein Anrecht darauf hatte,<lb/>
so war dies ein &#x201E;geschenktes Handwerk&#x201C;. &#x201E;Schenke halten&#x201C;, hie&#x017F;s die<lb/>
Bewirtung, sowie auch das festliche Gelage, welches durch Aufstellung<lb/>
eines verzierten Pokals, dem Willkommen, eröffnet wurde. Das<lb/>
Recht, Geschenk oder Willkommen zu halten und sich als &#x201E;geschenktes<lb/>
Handwerk&#x201C; zu bezeichnen, wurde von der Behörde verliehen. Es wurde<lb/>
als ein besonderes Vorrecht angesehen. Damit verbunden war das<lb/>
Recht, das Handwerk zu grü&#x017F;sen, d. h. den Willkommen zu fordern,<lb/>
was keinem wandernden Genossen versagt werden durfte, wenn er<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">36*</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[563/0583] Zünfte der Eisenarbeiter. Zwiegespräch zwischen dem Altgesellen und dem Fremden, das ge- sprochen wurde, wenn die Bruderschaft Auflage hielt. — In neckischer Rede wird der Fremde nach Namen, Geburtsort u. s. w. ausgefragt. So fragt der Altgesell, nachdem der Fremde seinen Namen genannt, ob er seinen „feinen Namen sich wohl ersungen und ersprungen habe?“ Der Fremde antwortet: „Mein Schmied, ich konnte wohl singen, Ich konnte wohl springen, Ich konnte wohl mit schönen Jungfern umgehen, Das alles wollte nichts helfen, Ich muſste rennen und laufen, Ich muſste meinen ehrlichen Namen um ein frei Wochenlohn kaufen, Das Wochenlohn wollte nicht recken, Ich muſste die Mutterpfennige und das Trinkgeld auch dran stecken.“ Altgesell: „Mein Schmied, in welcher Stadt oder Marktflecken sind dir solch edle Wohlthaten widerfahren?“ Fremder: „Mein Schmied, in der königlichen See-Handelsstadt Danzig, Da man mehr Gersten zu Bier mälzt, Als man hier Silber und Gold schmelzt.“ u. s. w. Hatte der Lehrling ausgelernt, so war er zur Wanderschaft ver- pflichtet. Er konnte nicht zünftiger Meister oder auch nur Altgeselle werden, ohne eine Reihe von Jahren gewandert zu sein. Das Wandern war doppelt nötig in der Zeit, da Lesen und Schreiben noch kaum bekannt war und alle Belehrung durch mündliche Mitteilung geschehen muſste. Die Gesellen an einem Orte bildeten unter sich eine Bruderschaft, hatten ihre Herberge, in der sie alle vier bis sechs Wochen regel- mäſsige Zusammenkünfte abhielten. Das Einkehren in die Herberge war Pflicht der wandernden Gesellen, die auch ihr Nachtquartier dort suchen muſsten. Dort erhielten sie ihr Geschenk. War dieses festgesetzt und jedem bestimmt, so daſs er ein Anrecht darauf hatte, so war dies ein „geschenktes Handwerk“. „Schenke halten“, hieſs die Bewirtung, sowie auch das festliche Gelage, welches durch Aufstellung eines verzierten Pokals, dem Willkommen, eröffnet wurde. Das Recht, Geschenk oder Willkommen zu halten und sich als „geschenktes Handwerk“ zu bezeichnen, wurde von der Behörde verliehen. Es wurde als ein besonderes Vorrecht angesehen. Damit verbunden war das Recht, das Handwerk zu grüſsen, d. h. den Willkommen zu fordern, was keinem wandernden Genossen versagt werden durfte, wenn er 36*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/583
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 563. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/583>, abgerufen am 03.05.2024.