"halben Haken" oder "Handrohre", welche 2- bis 21/2 lötige Bleikugeln schossen, doch benutzte man auch bei diesen die Gabel zur Auflage beim Schiessen. "Doppelhaken" oder "Scharfdündeln" (arquebuse a croc), die sich durch Länge, Schwere und grösseres Kaliber von den einfachen Haken unterschieden -- sie waren circa 2 m lang, wogen 20 bis 25 kg und schossen 12 bis 16 Lot Blei auf 500 bis 600 Schritt --, wendete man meistens nur bei Verteidigung und Be- lagerung fester Plätze an. Sie hatten in der Regel Schildzapfen und lagen auf einem dreifüssigen Bock. Von den leichten Kanonen unter- schieden sie sich dadurch, dass sie geschäftet und mit Luntenschlössern versehen waren. Karl VIII. führte 1495 bei seinem 30000 Mann starken Heere im Feldzuge in Italien 140 schwere Kanonen, 200 Bom- barden und 1000 Harquebuttes oder schwere Haken, von denen jeder über 25 kg wog. Ein Mann brauchte 3 bis 4 Minuten, um einen Schuss zu thun. Erst nachdem die ordentliche Schäftung bei den Hakenbüchsen eingeführt war, wurde ein richtiges Zielen möglich und dieses führte zu der weiteren Erfindung der Visierung. Die alten Ladestöcke (Fig. 146) waren von Holz und wurden für sich getragen, erst viel später kam der eiserne Ladestock auf, der in eine Rinne am Schaft eingesteckt wurde.
Waren die Luntenschlösser ein grosser Fortschritt gegen das einfache Zündloch, so hatten sie doch mancherlei Übelstände. Die glimmende Lunte verlöschte leicht im Regen und der Schein und Geruch derselben verriet die Bewegungen der Schützen besonders in der Nacht. In dieser Beziehung war die Erfindung des Radschlosses (Fig. 148), welche 1515 zu Nürnberg gemacht wurde, ein wichtiger Fortschritt der Feuerwaffentechnik 1). Sein Mechanismus bestand darin, dass ein stählernes, drehbares Rad mit gezahnter Peripherie in die Pfanne griff und im Inneren des Schlosses durch eine Kette mit einer starken Schlagfeder in Verbindung stand, welche durch Auf- ziehen des Rades mittels eines Schlüssels gespannt wurde. Vorwärts der Pfanne war ein Hahn mit einem Schwefelkies (Pyrit) angebracht, der sich auf starker Feder bewegte. Um zu schiessen, spannte man das Rad, schob den Pfannendeckel zurück und brachte den Hahn auf das Rad. Ein Druck am Abzuge hob einen Stift aus dem Rade heraus, welches nunmehr frei, durch die ausschnellende Feder kräftig um seine Achse gedreht, sich am Schwefelkiese rieb und dadurch Funken erzeugte, die das Pulver auf der Pfanne entzündeten. Be-
1) Siehe Jähns, a. a. O., S. 1203.
Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
„halben Haken“ oder „Handrohre“, welche 2- bis 2½ lötige Bleikugeln schossen, doch benutzte man auch bei diesen die Gabel zur Auflage beim Schieſsen. „Doppelhaken“ oder „Scharfdündeln“ (arquebuse à croc), die sich durch Länge, Schwere und gröſseres Kaliber von den einfachen Haken unterschieden — sie waren circa 2 m lang, wogen 20 bis 25 kg und schossen 12 bis 16 Lot Blei auf 500 bis 600 Schritt —, wendete man meistens nur bei Verteidigung und Be- lagerung fester Plätze an. Sie hatten in der Regel Schildzapfen und lagen auf einem dreifüſsigen Bock. Von den leichten Kanonen unter- schieden sie sich dadurch, daſs sie geschäftet und mit Luntenschlössern versehen waren. Karl VIII. führte 1495 bei seinem 30000 Mann starken Heere im Feldzuge in Italien 140 schwere Kanonen, 200 Bom- barden und 1000 Harquebuttes oder schwere Haken, von denen jeder über 25 kg wog. Ein Mann brauchte 3 bis 4 Minuten, um einen Schuſs zu thun. Erst nachdem die ordentliche Schäftung bei den Hakenbüchsen eingeführt war, wurde ein richtiges Zielen möglich und dieses führte zu der weiteren Erfindung der Visierung. Die alten Ladestöcke (Fig. 146) waren von Holz und wurden für sich getragen, erst viel später kam der eiserne Ladestock auf, der in eine Rinne am Schaft eingesteckt wurde.
Waren die Luntenschlösser ein groſser Fortschritt gegen das einfache Zündloch, so hatten sie doch mancherlei Übelstände. Die glimmende Lunte verlöschte leicht im Regen und der Schein und Geruch derselben verriet die Bewegungen der Schützen besonders in der Nacht. In dieser Beziehung war die Erfindung des Radschlosses (Fig. 148), welche 1515 zu Nürnberg gemacht wurde, ein wichtiger Fortschritt der Feuerwaffentechnik 1). Sein Mechanismus bestand darin, daſs ein stählernes, drehbares Rad mit gezahnter Peripherie in die Pfanne griff und im Inneren des Schlosses durch eine Kette mit einer starken Schlagfeder in Verbindung stand, welche durch Auf- ziehen des Rades mittels eines Schlüssels gespannt wurde. Vorwärts der Pfanne war ein Hahn mit einem Schwefelkies (Pyrit) angebracht, der sich auf starker Feder bewegte. Um zu schieſsen, spannte man das Rad, schob den Pfannendeckel zurück und brachte den Hahn auf das Rad. Ein Druck am Abzuge hob einen Stift aus dem Rade heraus, welches nunmehr frei, durch die ausschnellende Feder kräftig um seine Achse gedreht, sich am Schwefelkiese rieb und dadurch Funken erzeugte, die das Pulver auf der Pfanne entzündeten. Be-
1) Siehe Jähns, a. a. O., S. 1203.
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Die Waffenschmiedekunst im 16. Jahrhundert.
„halben Haken“ oder „Handrohre“, welche 2- bis 2½ lötige Bleikugeln
schossen, doch benutzte man auch bei diesen die Gabel zur Auflage
beim Schieſsen. „Doppelhaken“ oder „Scharfdündeln“ (arquebuse
à croc), die sich durch Länge, Schwere und gröſseres Kaliber von
den einfachen Haken unterschieden — sie waren circa 2 m lang,
wogen 20 bis 25 kg und schossen 12 bis 16 Lot Blei auf 500 bis
600 Schritt —, wendete man meistens nur bei Verteidigung und Be-
lagerung fester Plätze an. Sie hatten in der Regel Schildzapfen und
lagen auf einem dreifüſsigen Bock. Von den leichten Kanonen unter-
schieden sie sich dadurch, daſs sie geschäftet und mit Luntenschlössern
versehen waren. Karl VIII. führte 1495 bei seinem 30000 Mann
starken Heere im Feldzuge in Italien 140 schwere Kanonen, 200 Bom-
barden und 1000 Harquebuttes oder schwere Haken, von denen jeder
über 25 kg wog. Ein Mann brauchte 3 bis 4 Minuten, um einen
Schuſs zu thun. Erst nachdem die ordentliche Schäftung bei den
Hakenbüchsen eingeführt war, wurde ein richtiges Zielen möglich und
dieses führte zu der weiteren Erfindung der Visierung. Die alten
Ladestöcke (Fig. 146) waren von Holz und wurden für sich getragen,
erst viel später kam der eiserne Ladestock auf, der in eine Rinne
am Schaft eingesteckt wurde.
Waren die Luntenschlösser ein groſser Fortschritt gegen das
einfache Zündloch, so hatten sie doch mancherlei Übelstände. Die
glimmende Lunte verlöschte leicht im Regen und der Schein und
Geruch derselben verriet die Bewegungen der Schützen besonders in
der Nacht. In dieser Beziehung war die Erfindung des Radschlosses
(Fig. 148), welche 1515 zu Nürnberg gemacht wurde, ein wichtiger
Fortschritt der Feuerwaffentechnik 1). Sein Mechanismus bestand
darin, daſs ein stählernes, drehbares Rad mit gezahnter Peripherie in
die Pfanne griff und im Inneren des Schlosses durch eine Kette mit
einer starken Schlagfeder in Verbindung stand, welche durch Auf-
ziehen des Rades mittels eines Schlüssels gespannt wurde. Vorwärts
der Pfanne war ein Hahn mit einem Schwefelkies (Pyrit) angebracht,
der sich auf starker Feder bewegte. Um zu schieſsen, spannte man
das Rad, schob den Pfannendeckel zurück und brachte den Hahn auf
das Rad. Ein Druck am Abzuge hob einen Stift aus dem Rade
heraus, welches nunmehr frei, durch die ausschnellende Feder kräftig
um seine Achse gedreht, sich am Schwefelkiese rieb und dadurch
Funken erzeugte, die das Pulver auf der Pfanne entzündeten. Be-
1) Siehe Jähns, a. a. O., S. 1203.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/452>, abgerufen am 22.11.2024.
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