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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Die Eisengiesserei im 16. Jahrhundert.

Es giebt einige Meister, welche ihre Seelen dadurch befestigen,
dass sie einen Eisendraht darüber wickeln, zwei Finger voneinander;
andere bringen ihn hinein, wenn sie die Seele bis auf einen halben
Finger dick beendigt haben; andere wieder geben nichts auf diese
Verstärkungen, indem sie sagen, dass solcher Draht beim Heraus-
nehmen der Seele ein grosses Hindernis sei. Da ich aber nicht
dieser Ansicht bin, habe ich ihn auf beide Arten angewendet, wie es
mir gut schien, je nach der Art des Geschützes. Auch herrscht
unter den Meistern dieser Kunst eine gewisse, noch nicht beseitigte
Meinungsverschiedenheit darüber, ob man am Fusse der Seele einen
Teil machen soll, der eine gewisse Differenz in der Rohrweite ergiebt
und den man "die Kammer" nennt. Der eine thut dies, der andere
thut dies nicht und hüllen sich hiermit in den Mantel eines grossen
Geheimnisses und stehen auch in diesem Rufe, indem sie ganz ver-
rückte Lügen vorbringen und versprechen, dass aus diesen Geschützen
nicht nur Kugeln, sondern auch Blitzstrahlen geschleudert würden,
obgleich sie doch am Ende auch nichts anderes leisten, als diejenigen,
welche es nach der andern Art machen. Und wenn Ihr fragt, welche
Gründe sie bewegen, so wissen sie Euch nur schlecht zu antworten.
Schlechter aber als alle machen es diejenigen, welche die Höhlung
des Rohres enger zulaufen lassen, denn wenn sie genug Pulver an-
wenden wollen, so verringern sie dadurch die Länge des Laufes der
Kugel im Rohre, welches eine der Ursachen ihres Fluges ist, denn
man sieht ein, dass, je länger das Rohr eines Geschützes ist, mit um
so grösserer Kraft und um so weiter wird dasselbe Feuer die Kugel
treiben. Es irren deshalb diejenigen, welche am Fusse verengen, weil
sie, wie gesagt, das Stück verkürzen, auch irren sie deshalb, weil sie
gezwungen sind, eine bestimmte Menge Pulver anzuwenden, indem,
wenn dieselbe nicht angewendet wird, die Kugel nicht an den Platz
kommen kann, den sie enger gemacht haben, wodurch dann ein leerer
Raum zwischen dem Pulver und der Kugel entsteht, welcher dem
Geschütze zu grossem Schaden gereichen kann. Bezüglich des
Schiessens ist aber sicher, da die Erfahrung es lehrt, dass um so
mehr Kraft vorhanden ist durch die Vermehrung des Feuers, je mehr
Pulver in einen Raum eingeschlossen ist und je mehr man ihm Ge-
legenheit giebt, sich in einem Moment zu entzünden, um so stärker
und konzentrierter ist auch seine Kraft und um so schneller fliegt
die Kugel heraus, was für die Artillerie soviel bedeutet, als: je
schneller sie aus dem Geschütze herausfährt, desto grösser ist die
Treffsicherheit.


Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert.

Es giebt einige Meister, welche ihre Seelen dadurch befestigen,
daſs sie einen Eisendraht darüber wickeln, zwei Finger voneinander;
andere bringen ihn hinein, wenn sie die Seele bis auf einen halben
Finger dick beendigt haben; andere wieder geben nichts auf diese
Verstärkungen, indem sie sagen, daſs solcher Draht beim Heraus-
nehmen der Seele ein groſses Hindernis sei. Da ich aber nicht
dieser Ansicht bin, habe ich ihn auf beide Arten angewendet, wie es
mir gut schien, je nach der Art des Geschützes. Auch herrscht
unter den Meistern dieser Kunst eine gewisse, noch nicht beseitigte
Meinungsverschiedenheit darüber, ob man am Fuſse der Seele einen
Teil machen soll, der eine gewisse Differenz in der Rohrweite ergiebt
und den man „die Kammer“ nennt. Der eine thut dies, der andere
thut dies nicht und hüllen sich hiermit in den Mantel eines groſsen
Geheimnisses und stehen auch in diesem Rufe, indem sie ganz ver-
rückte Lügen vorbringen und versprechen, daſs aus diesen Geschützen
nicht nur Kugeln, sondern auch Blitzstrahlen geschleudert würden,
obgleich sie doch am Ende auch nichts anderes leisten, als diejenigen,
welche es nach der andern Art machen. Und wenn Ihr fragt, welche
Gründe sie bewegen, so wissen sie Euch nur schlecht zu antworten.
Schlechter aber als alle machen es diejenigen, welche die Höhlung
des Rohres enger zulaufen lassen, denn wenn sie genug Pulver an-
wenden wollen, so verringern sie dadurch die Länge des Laufes der
Kugel im Rohre, welches eine der Ursachen ihres Fluges ist, denn
man sieht ein, daſs, je länger das Rohr eines Geschützes ist, mit um
so gröſserer Kraft und um so weiter wird dasſelbe Feuer die Kugel
treiben. Es irren deshalb diejenigen, welche am Fuſse verengen, weil
sie, wie gesagt, das Stück verkürzen, auch irren sie deshalb, weil sie
gezwungen sind, eine bestimmte Menge Pulver anzuwenden, indem,
wenn dieselbe nicht angewendet wird, die Kugel nicht an den Platz
kommen kann, den sie enger gemacht haben, wodurch dann ein leerer
Raum zwischen dem Pulver und der Kugel entsteht, welcher dem
Geschütze zu groſsem Schaden gereichen kann. Bezüglich des
Schieſsens ist aber sicher, da die Erfahrung es lehrt, daſs um so
mehr Kraft vorhanden ist durch die Vermehrung des Feuers, je mehr
Pulver in einen Raum eingeschlossen ist und je mehr man ihm Ge-
legenheit giebt, sich in einem Moment zu entzünden, um so stärker
und konzentrierter ist auch seine Kraft und um so schneller fliegt
die Kugel heraus, was für die Artillerie soviel bedeutet, als: je
schneller sie aus dem Geschütze herausfährt, desto gröſser ist die
Treffsicherheit.


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[279/0299] Die Eisengieſserei im 16. Jahrhundert. Es giebt einige Meister, welche ihre Seelen dadurch befestigen, daſs sie einen Eisendraht darüber wickeln, zwei Finger voneinander; andere bringen ihn hinein, wenn sie die Seele bis auf einen halben Finger dick beendigt haben; andere wieder geben nichts auf diese Verstärkungen, indem sie sagen, daſs solcher Draht beim Heraus- nehmen der Seele ein groſses Hindernis sei. Da ich aber nicht dieser Ansicht bin, habe ich ihn auf beide Arten angewendet, wie es mir gut schien, je nach der Art des Geschützes. Auch herrscht unter den Meistern dieser Kunst eine gewisse, noch nicht beseitigte Meinungsverschiedenheit darüber, ob man am Fuſse der Seele einen Teil machen soll, der eine gewisse Differenz in der Rohrweite ergiebt und den man „die Kammer“ nennt. Der eine thut dies, der andere thut dies nicht und hüllen sich hiermit in den Mantel eines groſsen Geheimnisses und stehen auch in diesem Rufe, indem sie ganz ver- rückte Lügen vorbringen und versprechen, daſs aus diesen Geschützen nicht nur Kugeln, sondern auch Blitzstrahlen geschleudert würden, obgleich sie doch am Ende auch nichts anderes leisten, als diejenigen, welche es nach der andern Art machen. Und wenn Ihr fragt, welche Gründe sie bewegen, so wissen sie Euch nur schlecht zu antworten. Schlechter aber als alle machen es diejenigen, welche die Höhlung des Rohres enger zulaufen lassen, denn wenn sie genug Pulver an- wenden wollen, so verringern sie dadurch die Länge des Laufes der Kugel im Rohre, welches eine der Ursachen ihres Fluges ist, denn man sieht ein, daſs, je länger das Rohr eines Geschützes ist, mit um so gröſserer Kraft und um so weiter wird dasſelbe Feuer die Kugel treiben. Es irren deshalb diejenigen, welche am Fuſse verengen, weil sie, wie gesagt, das Stück verkürzen, auch irren sie deshalb, weil sie gezwungen sind, eine bestimmte Menge Pulver anzuwenden, indem, wenn dieselbe nicht angewendet wird, die Kugel nicht an den Platz kommen kann, den sie enger gemacht haben, wodurch dann ein leerer Raum zwischen dem Pulver und der Kugel entsteht, welcher dem Geschütze zu groſsem Schaden gereichen kann. Bezüglich des Schieſsens ist aber sicher, da die Erfahrung es lehrt, daſs um so mehr Kraft vorhanden ist durch die Vermehrung des Feuers, je mehr Pulver in einen Raum eingeschlossen ist und je mehr man ihm Ge- legenheit giebt, sich in einem Moment zu entzünden, um so stärker und konzentrierter ist auch seine Kraft und um so schneller fliegt die Kugel heraus, was für die Artillerie soviel bedeutet, als: je schneller sie aus dem Geschütze herausfährt, desto gröſser ist die Treffsicherheit.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/299>, abgerufen am 27.04.2024.