gekrönt. Eine neue Welt war entdeckt, mit neuen Menschen und Tieren bevölkert und so gesegnet mit Gold und Silber, dass ihr Reichtum unerschöpflich zu sein schien. Da erkannte auch der ein- fache Mann, dass die alte Erde, wie sie die Priester bis dahin gelehrt hatten, ein Märchen gewesen war.
Aber auch alle menschlichen Verhältnisse, sowohl auf dem Ge- biete der Politik, des Rechts, der Religion, der bürgerlichen Ordnung wie der gewerblichen Thätigkeit rangen nach Erneuerung.
Auf dem politischen Gebiete hatten sich in der zweiten Hälfte wichtige Ereignisse vollzogen. Den grössten Eindruck hatte die Eroberung Konstantinopels durch die Türken im Jahre 1453 auf das abendländische Europa gemacht. Damit war der letzte Rest des einst so stolzen römischen Reiches in den Staub gesunken. Byzanz, die mehr als tausendjährige Hauptstadt des oströmischen Reiches, das östlichste, stärkste Bollwerk christlichen Glaubens und europäischer Gesittung, war in die Hände der Ungläubigen, der kriegslustigen Türken gefallen. Ein allgemeiner Schrecken, ein tiefer Schmerz erfasste die Christenheit. -- Aber aus diesem politischen Untergang erblühte neues Leben. Das Reich, welches allein noch unmittelbar an das klassische Altertum anknüpfte, erlag, aber der Geist des klassischen Altertums wurde dadurch erst im Abendlande lebendig. Die grosse Schar der von den ungläubigen Barbaren ausgetriebenen Gelehrten und Künstler aller Art wurden in Italien, besonders in Rom, von dem hochgebildeten Papste Nikolaus V. mit offenen Armen aufgenommen. Sie brachten die reichen litterarischen Schätze nach Rom, welche der Grundstock der berühmten Vatikanischen Bibliothek geworden sind.
Die griechischen Klassiker waren bis dahin im Abendlande noch so gut wie unbekannt gewesen. Papst Nikolaus liess lateinische Übersetzungen ihrer Werke anfertigen und streute dadurch selbst den segensreichen Samen aus, der zum Humanismus und zur Refor- mation der Kirche führte, freilich zugleich auch zum Sturze der scholastischen Philosophie und zum Abfall des Protestantismus von Rom.
Hatte der Islam im Osten Europas gesiegt, so unterlag er im Westen. 1492 fiel Granada und mit ihm der letzte Rest der hoch- gebildeten arabisch-islamitischen Herrschaft in Spanien. Auch dieses Ereignis trug dazu bei, den wissenschaftlichen und künstlerischen Gesichtskreis der europäischen Abendländer zu erweitern. Jetzt erst, nachdem man den Mauren nicht mehr feindlich gegenüberstand, lernte man den Reichtum ihrer wissenschaftlichen Werke, besonders auf den
Einleitung.
gekrönt. Eine neue Welt war entdeckt, mit neuen Menschen und Tieren bevölkert und so gesegnet mit Gold und Silber, daſs ihr Reichtum unerschöpflich zu sein schien. Da erkannte auch der ein- fache Mann, daſs die alte Erde, wie sie die Priester bis dahin gelehrt hatten, ein Märchen gewesen war.
Aber auch alle menschlichen Verhältnisse, sowohl auf dem Ge- biete der Politik, des Rechts, der Religion, der bürgerlichen Ordnung wie der gewerblichen Thätigkeit rangen nach Erneuerung.
Auf dem politischen Gebiete hatten sich in der zweiten Hälfte wichtige Ereignisse vollzogen. Den gröſsten Eindruck hatte die Eroberung Konstantinopels durch die Türken im Jahre 1453 auf das abendländische Europa gemacht. Damit war der letzte Rest des einst so stolzen römischen Reiches in den Staub gesunken. Byzanz, die mehr als tausendjährige Hauptstadt des oströmischen Reiches, das östlichste, stärkste Bollwerk christlichen Glaubens und europäischer Gesittung, war in die Hände der Ungläubigen, der kriegslustigen Türken gefallen. Ein allgemeiner Schrecken, ein tiefer Schmerz erfaſste die Christenheit. — Aber aus diesem politischen Untergang erblühte neues Leben. Das Reich, welches allein noch unmittelbar an das klassische Altertum anknüpfte, erlag, aber der Geist des klassischen Altertums wurde dadurch erst im Abendlande lebendig. Die groſse Schar der von den ungläubigen Barbaren ausgetriebenen Gelehrten und Künstler aller Art wurden in Italien, besonders in Rom, von dem hochgebildeten Papste Nikolaus V. mit offenen Armen aufgenommen. Sie brachten die reichen litterarischen Schätze nach Rom, welche der Grundstock der berühmten Vatikanischen Bibliothek geworden sind.
Die griechischen Klassiker waren bis dahin im Abendlande noch so gut wie unbekannt gewesen. Papst Nikolaus lieſs lateinische Übersetzungen ihrer Werke anfertigen und streute dadurch selbst den segensreichen Samen aus, der zum Humanismus und zur Refor- mation der Kirche führte, freilich zugleich auch zum Sturze der scholastischen Philosophie und zum Abfall des Protestantismus von Rom.
Hatte der Islam im Osten Europas gesiegt, so unterlag er im Westen. 1492 fiel Granada und mit ihm der letzte Rest der hoch- gebildeten arabisch-islamitischen Herrschaft in Spanien. Auch dieses Ereignis trug dazu bei, den wissenschaftlichen und künstlerischen Gesichtskreis der europäischen Abendländer zu erweitern. Jetzt erst, nachdem man den Mauren nicht mehr feindlich gegenüberstand, lernte man den Reichtum ihrer wissenschaftlichen Werke, besonders auf den
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0022"n="2"/><fwplace="top"type="header">Einleitung.</fw><lb/>
gekrönt. Eine neue Welt war entdeckt, mit neuen Menschen und<lb/>
Tieren bevölkert und so gesegnet mit Gold und Silber, daſs ihr<lb/>
Reichtum unerschöpflich zu sein schien. Da erkannte auch der ein-<lb/>
fache Mann, daſs die alte Erde, wie sie die Priester bis dahin gelehrt<lb/>
hatten, ein Märchen gewesen war.</p><lb/><p>Aber auch alle menschlichen Verhältnisse, sowohl auf dem Ge-<lb/>
biete der Politik, des Rechts, der Religion, der bürgerlichen Ordnung<lb/>
wie der gewerblichen Thätigkeit rangen nach Erneuerung.</p><lb/><p>Auf dem politischen Gebiete hatten sich in der zweiten Hälfte<lb/>
wichtige Ereignisse vollzogen. Den gröſsten Eindruck hatte die<lb/>
Eroberung Konstantinopels durch die Türken im Jahre 1453 auf das<lb/>
abendländische Europa gemacht. Damit war der letzte Rest des einst<lb/>
so stolzen römischen Reiches in den Staub gesunken. Byzanz, die<lb/>
mehr als tausendjährige Hauptstadt des oströmischen Reiches, das<lb/>
östlichste, stärkste Bollwerk christlichen Glaubens und europäischer<lb/>
Gesittung, war in die Hände der Ungläubigen, der kriegslustigen<lb/>
Türken gefallen. Ein allgemeiner Schrecken, ein tiefer Schmerz<lb/>
erfaſste die Christenheit. — Aber aus diesem politischen Untergang<lb/>
erblühte neues Leben. Das Reich, welches allein noch unmittelbar<lb/>
an das klassische Altertum anknüpfte, erlag, aber der Geist des<lb/>
klassischen Altertums wurde dadurch erst im Abendlande lebendig.<lb/>
Die groſse Schar der von den ungläubigen Barbaren ausgetriebenen<lb/>
Gelehrten und Künstler aller Art wurden in Italien, besonders in<lb/>
Rom, von dem hochgebildeten Papste <hirendition="#g">Nikolaus</hi> V. mit offenen Armen<lb/>
aufgenommen. Sie brachten die reichen litterarischen Schätze nach<lb/>
Rom, welche der Grundstock der berühmten Vatikanischen Bibliothek<lb/>
geworden sind.</p><lb/><p>Die griechischen Klassiker waren bis dahin im Abendlande noch<lb/>
so gut wie unbekannt gewesen. Papst <hirendition="#g">Nikolaus</hi> lieſs lateinische<lb/>
Übersetzungen ihrer Werke anfertigen und streute dadurch selbst<lb/>
den segensreichen Samen aus, der zum Humanismus und zur Refor-<lb/>
mation der Kirche führte, freilich zugleich auch zum Sturze der<lb/>
scholastischen Philosophie und zum Abfall des Protestantismus von Rom.</p><lb/><p>Hatte der Islam im Osten Europas gesiegt, so unterlag er im<lb/>
Westen. 1492 fiel Granada und mit ihm der letzte Rest der hoch-<lb/>
gebildeten arabisch-islamitischen Herrschaft in Spanien. Auch dieses<lb/>
Ereignis trug dazu bei, den wissenschaftlichen und künstlerischen<lb/>
Gesichtskreis der europäischen Abendländer zu erweitern. Jetzt erst,<lb/>
nachdem man den Mauren nicht mehr feindlich gegenüberstand, lernte<lb/>
man den Reichtum ihrer wissenschaftlichen Werke, besonders auf den<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[2/0022]
Einleitung.
gekrönt. Eine neue Welt war entdeckt, mit neuen Menschen und
Tieren bevölkert und so gesegnet mit Gold und Silber, daſs ihr
Reichtum unerschöpflich zu sein schien. Da erkannte auch der ein-
fache Mann, daſs die alte Erde, wie sie die Priester bis dahin gelehrt
hatten, ein Märchen gewesen war.
Aber auch alle menschlichen Verhältnisse, sowohl auf dem Ge-
biete der Politik, des Rechts, der Religion, der bürgerlichen Ordnung
wie der gewerblichen Thätigkeit rangen nach Erneuerung.
Auf dem politischen Gebiete hatten sich in der zweiten Hälfte
wichtige Ereignisse vollzogen. Den gröſsten Eindruck hatte die
Eroberung Konstantinopels durch die Türken im Jahre 1453 auf das
abendländische Europa gemacht. Damit war der letzte Rest des einst
so stolzen römischen Reiches in den Staub gesunken. Byzanz, die
mehr als tausendjährige Hauptstadt des oströmischen Reiches, das
östlichste, stärkste Bollwerk christlichen Glaubens und europäischer
Gesittung, war in die Hände der Ungläubigen, der kriegslustigen
Türken gefallen. Ein allgemeiner Schrecken, ein tiefer Schmerz
erfaſste die Christenheit. — Aber aus diesem politischen Untergang
erblühte neues Leben. Das Reich, welches allein noch unmittelbar
an das klassische Altertum anknüpfte, erlag, aber der Geist des
klassischen Altertums wurde dadurch erst im Abendlande lebendig.
Die groſse Schar der von den ungläubigen Barbaren ausgetriebenen
Gelehrten und Künstler aller Art wurden in Italien, besonders in
Rom, von dem hochgebildeten Papste Nikolaus V. mit offenen Armen
aufgenommen. Sie brachten die reichen litterarischen Schätze nach
Rom, welche der Grundstock der berühmten Vatikanischen Bibliothek
geworden sind.
Die griechischen Klassiker waren bis dahin im Abendlande noch
so gut wie unbekannt gewesen. Papst Nikolaus lieſs lateinische
Übersetzungen ihrer Werke anfertigen und streute dadurch selbst
den segensreichen Samen aus, der zum Humanismus und zur Refor-
mation der Kirche führte, freilich zugleich auch zum Sturze der
scholastischen Philosophie und zum Abfall des Protestantismus von Rom.
Hatte der Islam im Osten Europas gesiegt, so unterlag er im
Westen. 1492 fiel Granada und mit ihm der letzte Rest der hoch-
gebildeten arabisch-islamitischen Herrschaft in Spanien. Auch dieses
Ereignis trug dazu bei, den wissenschaftlichen und künstlerischen
Gesichtskreis der europäischen Abendländer zu erweitern. Jetzt erst,
nachdem man den Mauren nicht mehr feindlich gegenüberstand, lernte
man den Reichtum ihrer wissenschaftlichen Werke, besonders auf den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/22>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.