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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Russland im 17. Jahrhundert.
von Deutschen entdeckt und abgebaut worden. Diese pachteten es
vom Zaren unter der Bedingung, ihm 9/10 des Produktes zu geben
und nur 1/10 für sich zu behalten. Sie wenden Öfen von bewunderns-
würdiger Konstruktion an, in welche sie das Erz bringen so wie es
aus der Grube kommt. Dann machen sie Feuer und bringen die
Hitze bis zu dem Grade, dass das Metall vollkommen flüssig wird,
sich nach allen Seiten hin verbreitet und wie Wasser in Rinnen
fliesst, die in der Erde gemacht sind und welche das Eisen in hohle
Formen in Gestalt von Kanonen, Rädern u. s. f. leiten. Auf beiden
Seiten einer solchen Rinne sind 40 bis 50 Formen.

Sobald das Eisen seine Gestalt erhalten hat, wird es mit grosser
Leichtigkeit aus den Formen gehoben. Auf solche Weise wird täglich
eine ausserordentliche Anzahl von verschiedenen Artikeln gemacht.
Die grosse Menge von Kanonen, welche man auf diesem Hüttenwerk
giesst, wird im Winter verladen und auf Schlitten transportiert, zum
Teil 1700 Werst oder 40 Tagereisen weit. Dort werden sie an ver-
schiedene Völkerschaften verkauft, die sie über das Meer in ihre
Länder führen. Das Eisen ist von vorzüglicher Güte und wird sehr
billig verkauft. Auch die Thüren der steinernen Häuser, der Paläste
und der Kirchen, die Fensterrahmen in den Verkaufsmagazinen zu
Moskau, sowie die Balustraden sind häufig von Eisen. Ja der Zar
hat sogar die steinernen Fliesen, mit welchen die grosse Metropolitan-
kirche zu Moskau gepflastert war, durch eiserne Platten ersetzen
lassen, welche zu Tula gegossen sind und welche eine ganz gleich-
förmige, silberartige Politur zeigen.

Man muss erstaunen über solche Leistungen mitten in dem bar-
barischen Russland, wenn man den Stand der Eisenindustrie im öst-
lichen Deutschland zu jener Zeit bedenkt. Es muss ein Stock vortreff-
licher Eisenarbeiter in Tula damals ansässig gewesen sein und dies
erklärt auch das rasche Emporblühen und die vorzüglichen Leistungen der
neugegründeten russischen Hütten im Anfang des vorigen Jahrhunderts.

Die Eisenindustrie in der wald- und erzreichen Gegend von Tula
war übrigens schon alt1). Die ersten Einwohner der Stadt Tula
waren Schmiede, welche aus dem in der Nachbarschaft entdeckten
Eisenerz auf kleinen Herden, die jeder in seinem Hause hatte, Eisen
ausschmolzen und es zu allerlei Gerätschaften verarbeiteten. Seit
der Zeit des Zars Feodor Iwanowitsch (1584 bis 1598), als man die
Stadt schon mit Mauern umgeben hatte, war ein Teil derselben unter

1) Siehe Storch, a. a. O. III, S. 306.

Ruſsland im 17. Jahrhundert.
von Deutschen entdeckt und abgebaut worden. Diese pachteten es
vom Zaren unter der Bedingung, ihm 9/10 des Produktes zu geben
und nur 1/10 für sich zu behalten. Sie wenden Öfen von bewunderns-
würdiger Konstruktion an, in welche sie das Erz bringen so wie es
aus der Grube kommt. Dann machen sie Feuer und bringen die
Hitze bis zu dem Grade, daſs das Metall vollkommen flüssig wird,
sich nach allen Seiten hin verbreitet und wie Wasser in Rinnen
flieſst, die in der Erde gemacht sind und welche das Eisen in hohle
Formen in Gestalt von Kanonen, Rädern u. s. f. leiten. Auf beiden
Seiten einer solchen Rinne sind 40 bis 50 Formen.

Sobald das Eisen seine Gestalt erhalten hat, wird es mit groſser
Leichtigkeit aus den Formen gehoben. Auf solche Weise wird täglich
eine auſserordentliche Anzahl von verschiedenen Artikeln gemacht.
Die groſse Menge von Kanonen, welche man auf diesem Hüttenwerk
gieſst, wird im Winter verladen und auf Schlitten transportiert, zum
Teil 1700 Werst oder 40 Tagereisen weit. Dort werden sie an ver-
schiedene Völkerschaften verkauft, die sie über das Meer in ihre
Länder führen. Das Eisen ist von vorzüglicher Güte und wird sehr
billig verkauft. Auch die Thüren der steinernen Häuser, der Paläste
und der Kirchen, die Fensterrahmen in den Verkaufsmagazinen zu
Moskau, sowie die Balustraden sind häufig von Eisen. Ja der Zar
hat sogar die steinernen Fliesen, mit welchen die groſse Metropolitan-
kirche zu Moskau gepflastert war, durch eiserne Platten ersetzen
lassen, welche zu Tula gegossen sind und welche eine ganz gleich-
förmige, silberartige Politur zeigen.

Man muſs erstaunen über solche Leistungen mitten in dem bar-
barischen Ruſsland, wenn man den Stand der Eisenindustrie im öst-
lichen Deutschland zu jener Zeit bedenkt. Es muſs ein Stock vortreff-
licher Eisenarbeiter in Tula damals ansässig gewesen sein und dies
erklärt auch das rasche Emporblühen und die vorzüglichen Leistungen der
neugegründeten russischen Hütten im Anfang des vorigen Jahrhunderts.

Die Eisenindustrie in der wald- und erzreichen Gegend von Tula
war übrigens schon alt1). Die ersten Einwohner der Stadt Tula
waren Schmiede, welche aus dem in der Nachbarschaft entdeckten
Eisenerz auf kleinen Herden, die jeder in seinem Hause hatte, Eisen
ausschmolzen und es zu allerlei Gerätschaften verarbeiteten. Seit
der Zeit des Zars Feodor Iwanowitsch (1584 bis 1598), als man die
Stadt schon mit Mauern umgeben hatte, war ein Teil derselben unter

1) Siehe Storch, a. a. O. III, S. 306.
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[1302/1324] Ruſsland im 17. Jahrhundert. von Deutschen entdeckt und abgebaut worden. Diese pachteten es vom Zaren unter der Bedingung, ihm 9/10 des Produktes zu geben und nur 1/10 für sich zu behalten. Sie wenden Öfen von bewunderns- würdiger Konstruktion an, in welche sie das Erz bringen so wie es aus der Grube kommt. Dann machen sie Feuer und bringen die Hitze bis zu dem Grade, daſs das Metall vollkommen flüssig wird, sich nach allen Seiten hin verbreitet und wie Wasser in Rinnen flieſst, die in der Erde gemacht sind und welche das Eisen in hohle Formen in Gestalt von Kanonen, Rädern u. s. f. leiten. Auf beiden Seiten einer solchen Rinne sind 40 bis 50 Formen. Sobald das Eisen seine Gestalt erhalten hat, wird es mit groſser Leichtigkeit aus den Formen gehoben. Auf solche Weise wird täglich eine auſserordentliche Anzahl von verschiedenen Artikeln gemacht. Die groſse Menge von Kanonen, welche man auf diesem Hüttenwerk gieſst, wird im Winter verladen und auf Schlitten transportiert, zum Teil 1700 Werst oder 40 Tagereisen weit. Dort werden sie an ver- schiedene Völkerschaften verkauft, die sie über das Meer in ihre Länder führen. Das Eisen ist von vorzüglicher Güte und wird sehr billig verkauft. Auch die Thüren der steinernen Häuser, der Paläste und der Kirchen, die Fensterrahmen in den Verkaufsmagazinen zu Moskau, sowie die Balustraden sind häufig von Eisen. Ja der Zar hat sogar die steinernen Fliesen, mit welchen die groſse Metropolitan- kirche zu Moskau gepflastert war, durch eiserne Platten ersetzen lassen, welche zu Tula gegossen sind und welche eine ganz gleich- förmige, silberartige Politur zeigen. Man muſs erstaunen über solche Leistungen mitten in dem bar- barischen Ruſsland, wenn man den Stand der Eisenindustrie im öst- lichen Deutschland zu jener Zeit bedenkt. Es muſs ein Stock vortreff- licher Eisenarbeiter in Tula damals ansässig gewesen sein und dies erklärt auch das rasche Emporblühen und die vorzüglichen Leistungen der neugegründeten russischen Hütten im Anfang des vorigen Jahrhunderts. Die Eisenindustrie in der wald- und erzreichen Gegend von Tula war übrigens schon alt 1). Die ersten Einwohner der Stadt Tula waren Schmiede, welche aus dem in der Nachbarschaft entdeckten Eisenerz auf kleinen Herden, die jeder in seinem Hause hatte, Eisen ausschmolzen und es zu allerlei Gerätschaften verarbeiteten. Seit der Zeit des Zars Feodor Iwanowitsch (1584 bis 1598), als man die Stadt schon mit Mauern umgeben hatte, war ein Teil derselben unter 1) Siehe Storch, a. a. O. III, S. 306.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 1302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1324>, abgerufen am 22.11.2024.