die Bewohner selbst betreiben zu lassen. Die Frischhütten mussten sich aus den Grubenrevieren -- den Bergslagern -- nach entfernteren Distrikten verziehen, damit die Wälder nur die Bergwerke und die Öfen zum Ausschmelzen der Erze mit Holz zu versorgen hatten -- ein wichtiger Grundsatz, dem wir schon öfter begegnet sind und der in Schweden bis in die neuere Zeit festgehalten wurde. Überhaupt aber wendete man dem Waldbau grössere Aufmerksamkeit zu. Es wurde eine Art von Waldordnung erlassen und ein Oberjägermeister angestellt.
Unter Gustav Adolfs Regierung trat ein Mann auf, der auf die Entwickelung der Eisenindustrie Schwedens einen besonders grossen Einfluss ausgeübt hat, der Niederländer Louis de Geer.
In seiner Heimat (Lüttich?), seiner Religion wegen, verfolgt, war er, von Gustav Adolf eingeladen, mit seinem bedeutenden Vermögen nach Schweden ausgewandert. Dort streckte er dem damals sehr geldarmen Staate bedeutende Summen vor, ja er rüstete sogar später selbst eine Flotte aus. 1618 wurde ihm Finspang mit vielen anderen nahegelegenen Kirchspielen vom Staate an Zahlungsstatt abgetreten und in gleicher Weise erhielt er 1643 die Gegenden um Dannemora mit den königlichen Bergwerken und Hütten Gimo, Lenfeta u. s. w. für neue Zahlungen. In Finspang, wo bis dahin nur ein kleiner Ofen gewesen war, liess er zwei gekuppelte Hochöfen oder, wie man in Schweden sagt, einen Hochofen mit zwei Schächten bauen, be- stimmte sie zum Geschützguss und legte drei Bohrmaschinen an. Durch die Anlage dieser Hütte, die ausschliesslich dem Geschützguss dienen sollte und dafür die geeignetsten Erze und die vorteilhafteste Schmelzmethode aufsuchte, erwuchs Schweden ein neuer wichtiger Erwerbszweig. Die Güte des Produktes erwarb den eisernen Ge- schützen von Finspang den Weltmarkt und trug viel dazu bei, den Ruhm des schwedischen Eisens zu erhöhen.
Louis de Geer brachte ferner nach dem verarmten Kirchspiel Godegard die um Lüttich verbreitete Handschmiedekunst zur Her- stellung von Nägeln, Hufeisen, Hufnägeln, Sensen u. s. w. Anfangs war man gegen dieses Gewerbe eingenommen, gewöhnte sich aber daran und lernte es schätzen, als es sich in Zeiten der Not als eine sichere Nahrungsquelle bewährt hatte. Auch die Kirchspiele Hammer und Lerbäck hatten ihm später viel zu danken. Meyer teilt folgenden alten naiven Vers in freier Übersetzung mit1):
1)Meyer a. a. O., S. 16 (Anmerkung).
Schweden im 17. Jahrhundert.
die Bewohner selbst betreiben zu lassen. Die Frischhütten muſsten sich aus den Grubenrevieren — den Bergslagern — nach entfernteren Distrikten verziehen, damit die Wälder nur die Bergwerke und die Öfen zum Ausschmelzen der Erze mit Holz zu versorgen hatten — ein wichtiger Grundsatz, dem wir schon öfter begegnet sind und der in Schweden bis in die neuere Zeit festgehalten wurde. Überhaupt aber wendete man dem Waldbau gröſsere Aufmerksamkeit zu. Es wurde eine Art von Waldordnung erlassen und ein Oberjägermeister angestellt.
Unter Gustav Adolfs Regierung trat ein Mann auf, der auf die Entwickelung der Eisenindustrie Schwedens einen besonders groſsen Einfluſs ausgeübt hat, der Niederländer Louis de Geer.
In seiner Heimat (Lüttich?), seiner Religion wegen, verfolgt, war er, von Gustav Adolf eingeladen, mit seinem bedeutenden Vermögen nach Schweden ausgewandert. Dort streckte er dem damals sehr geldarmen Staate bedeutende Summen vor, ja er rüstete sogar später selbst eine Flotte aus. 1618 wurde ihm Finspång mit vielen anderen nahegelegenen Kirchspielen vom Staate an Zahlungsstatt abgetreten und in gleicher Weise erhielt er 1643 die Gegenden um Dannemora mit den königlichen Bergwerken und Hütten Gimo, Lenfeta u. s. w. für neue Zahlungen. In Finspång, wo bis dahin nur ein kleiner Ofen gewesen war, lieſs er zwei gekuppelte Hochöfen oder, wie man in Schweden sagt, einen Hochofen mit zwei Schächten bauen, be- stimmte sie zum Geschützguſs und legte drei Bohrmaschinen an. Durch die Anlage dieser Hütte, die ausschlieſslich dem Geschützguſs dienen sollte und dafür die geeignetsten Erze und die vorteilhafteste Schmelzmethode aufsuchte, erwuchs Schweden ein neuer wichtiger Erwerbszweig. Die Güte des Produktes erwarb den eisernen Ge- schützen von Finspang den Weltmarkt und trug viel dazu bei, den Ruhm des schwedischen Eisens zu erhöhen.
Louis de Geer brachte ferner nach dem verarmten Kirchspiel Godegard die um Lüttich verbreitete Handschmiedekunst zur Her- stellung von Nägeln, Hufeisen, Hufnägeln, Sensen u. s. w. Anfangs war man gegen dieses Gewerbe eingenommen, gewöhnte sich aber daran und lernte es schätzen, als es sich in Zeiten der Not als eine sichere Nahrungsquelle bewährt hatte. Auch die Kirchspiele Hammer und Lerbäck hatten ihm später viel zu danken. Meyer teilt folgenden alten naiven Vers in freier Übersetzung mit1):
1)Meyer a. a. O., S. 16 (Anmerkung).
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Schweden im 17. Jahrhundert.
die Bewohner selbst betreiben zu lassen. Die Frischhütten muſsten
sich aus den Grubenrevieren — den Bergslagern — nach entfernteren
Distrikten verziehen, damit die Wälder nur die Bergwerke und die
Öfen zum Ausschmelzen der Erze mit Holz zu versorgen hatten —
ein wichtiger Grundsatz, dem wir schon öfter begegnet sind und der
in Schweden bis in die neuere Zeit festgehalten wurde. Überhaupt
aber wendete man dem Waldbau gröſsere Aufmerksamkeit zu. Es
wurde eine Art von Waldordnung erlassen und ein Oberjägermeister
angestellt.
Unter Gustav Adolfs Regierung trat ein Mann auf, der auf die
Entwickelung der Eisenindustrie Schwedens einen besonders groſsen
Einfluſs ausgeübt hat, der Niederländer Louis de Geer.
In seiner Heimat (Lüttich?), seiner Religion wegen, verfolgt, war
er, von Gustav Adolf eingeladen, mit seinem bedeutenden Vermögen
nach Schweden ausgewandert. Dort streckte er dem damals sehr
geldarmen Staate bedeutende Summen vor, ja er rüstete sogar später
selbst eine Flotte aus. 1618 wurde ihm Finspång mit vielen anderen
nahegelegenen Kirchspielen vom Staate an Zahlungsstatt abgetreten
und in gleicher Weise erhielt er 1643 die Gegenden um Dannemora
mit den königlichen Bergwerken und Hütten Gimo, Lenfeta u. s. w.
für neue Zahlungen. In Finspång, wo bis dahin nur ein kleiner
Ofen gewesen war, lieſs er zwei gekuppelte Hochöfen oder, wie man
in Schweden sagt, einen Hochofen mit zwei Schächten bauen, be-
stimmte sie zum Geschützguſs und legte drei Bohrmaschinen an.
Durch die Anlage dieser Hütte, die ausschlieſslich dem Geschützguſs
dienen sollte und dafür die geeignetsten Erze und die vorteilhafteste
Schmelzmethode aufsuchte, erwuchs Schweden ein neuer wichtiger
Erwerbszweig. Die Güte des Produktes erwarb den eisernen Ge-
schützen von Finspang den Weltmarkt und trug viel dazu bei, den
Ruhm des schwedischen Eisens zu erhöhen.
Louis de Geer brachte ferner nach dem verarmten Kirchspiel
Godegard die um Lüttich verbreitete Handschmiedekunst zur Her-
stellung von Nägeln, Hufeisen, Hufnägeln, Sensen u. s. w. Anfangs war
man gegen dieses Gewerbe eingenommen, gewöhnte sich aber daran
und lernte es schätzen, als es sich in Zeiten der Not als eine sichere
Nahrungsquelle bewährt hatte. Auch die Kirchspiele Hammer und
Lerbäck hatten ihm später viel zu danken. Meyer teilt folgenden alten
naiven Vers in freier Übersetzung mit 1):
1) Meyer a. a. O., S. 16 (Anmerkung).
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 1292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1314>, abgerufen am 22.11.2024.
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