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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Westfalen im 17. Jahrhundert.

Die Rechtsprechung über Gewerbs- und Handelsstreitigkeiten lag
dem Vogt und den Ratsleuten, unter Berufung an den herzoglichen
Obervogt, ob. Das Schmiedehandwerk war also eine geschlossene,
erbliche Zunft, die voll Eifersucht über ihre Privilegien wachte.

Die grossen Vorrechte der Kronenberger hätten bei dem Aufblühen
Remscheids und der Werke an der Enneper Strasse allein genügt, den
Zunftverband zu sprengen. Eine unmittelbare Veranlassung hierzu
gab die Einwanderung zahlreicher Fremder nach der Aufhebung des
Ediktes von Nantes. Die alten Meister, namentlich zu Kronenberg,
wollten die Fremdlinge nicht dulden. Hierüber entbrannte ein Zwist
in der Zunft selbst, welche im Jahre 1687 eine Anzahl Schmiede
veranlasste, in die Grafschaft Mark auszuwandern, wo sie mit offenen
Armen aufgenommen wurden. Am Gevelsberge, an der Enneperstrasse,
bei Hagen und Eilpe fanden sie billigere Kohlen und billigeres Eisen,
treffliche Wassergefälle für Hammerwerke und Schleifkotten, wohl-
feilere Lebensmittel und unter der kurfürstlich brandenburgischen
Regierung Gewerbefreiheit. Arbeitslöhne und Warenpreise stellten
sich vorteilhafter. Die nicht mehr durch die Zunft gebundenen
Unternehmer konnten grosse Aufträge übernehmen und ausführen,
die Kaufleute waren nicht mehr durch die Prätensionen der Hand-
werksmeister beschränkt und so kam rasch die Eisenindustrie an den
genannten Orten in Blüte, während Kronenberg seine alte Industrie
nach und nach fast vollständig verlor. Schon bei der ersten Ein-
wanderung der Niederländer hatte Kronenberg der Einwanderung der
Fremden Widerstand entgegengesetzt, was die Veranlassung wurde,
dass Remscheid Kronenberg bald überflügelte.

Den Niederländern verdankt Remscheid die Anlage von Hammer-
werken, welche bald die Handschmiederei des Renneisens in den
"Iserschmitten" verdrängten. Die niederländischen Gewerbetreibenden
förderten den Handel mit ihrer alten Heimat und 1676 lässt sich be-
reits umfangreicher Handel mit Remscheider Eisen- und Stahlwerk
nach Holland und Brabant nachweisen.

In Kronenberg wurden 1642 die ersten Wasserräder erbaut und
1700 gab es dort nur 11 Stück. -- Nach dem Niedergang der
Sensenschmiederei verlegten sich die Kronenberger auf das Nagel-
schmieden.

Durch die Einwanderung der Franzosen nach 1685 wurde haupt-
sächlich die Schleiferei in Remscheid gefördert, die nach und nach
fast ganz in die Hände eines thätigen Industriellen, Pickard aus der
Pikardie, überging. Ausserdem führten aber die Franzosen noch viele

Westfalen im 17. Jahrhundert.

Die Rechtsprechung über Gewerbs- und Handelsstreitigkeiten lag
dem Vogt und den Ratsleuten, unter Berufung an den herzoglichen
Obervogt, ob. Das Schmiedehandwerk war also eine geschlossene,
erbliche Zunft, die voll Eifersucht über ihre Privilegien wachte.

Die groſsen Vorrechte der Kronenberger hätten bei dem Aufblühen
Remscheids und der Werke an der Enneper Straſse allein genügt, den
Zunftverband zu sprengen. Eine unmittelbare Veranlassung hierzu
gab die Einwanderung zahlreicher Fremder nach der Aufhebung des
Ediktes von Nantes. Die alten Meister, namentlich zu Kronenberg,
wollten die Fremdlinge nicht dulden. Hierüber entbrannte ein Zwist
in der Zunft selbst, welche im Jahre 1687 eine Anzahl Schmiede
veranlaſste, in die Grafschaft Mark auszuwandern, wo sie mit offenen
Armen aufgenommen wurden. Am Gevelsberge, an der Enneperstraſse,
bei Hagen und Eilpe fanden sie billigere Kohlen und billigeres Eisen,
treffliche Wassergefälle für Hammerwerke und Schleifkotten, wohl-
feilere Lebensmittel und unter der kurfürstlich brandenburgischen
Regierung Gewerbefreiheit. Arbeitslöhne und Warenpreise stellten
sich vorteilhafter. Die nicht mehr durch die Zunft gebundenen
Unternehmer konnten groſse Aufträge übernehmen und ausführen,
die Kaufleute waren nicht mehr durch die Prätensionen der Hand-
werksmeister beschränkt und so kam rasch die Eisenindustrie an den
genannten Orten in Blüte, während Kronenberg seine alte Industrie
nach und nach fast vollständig verlor. Schon bei der ersten Ein-
wanderung der Niederländer hatte Kronenberg der Einwanderung der
Fremden Widerstand entgegengesetzt, was die Veranlassung wurde,
daſs Remscheid Kronenberg bald überflügelte.

Den Niederländern verdankt Remscheid die Anlage von Hammer-
werken, welche bald die Handschmiederei des Renneisens in den
„Iserschmitten“ verdrängten. Die niederländischen Gewerbetreibenden
förderten den Handel mit ihrer alten Heimat und 1676 läſst sich be-
reits umfangreicher Handel mit Remscheider Eisen- und Stahlwerk
nach Holland und Brabant nachweisen.

In Kronenberg wurden 1642 die ersten Wasserräder erbaut und
1700 gab es dort nur 11 Stück. — Nach dem Niedergang der
Sensenschmiederei verlegten sich die Kronenberger auf das Nagel-
schmieden.

Durch die Einwanderung der Franzosen nach 1685 wurde haupt-
sächlich die Schleiferei in Remscheid gefördert, die nach und nach
fast ganz in die Hände eines thätigen Industriellen, Pickard aus der
Pikardie, überging. Auſserdem führten aber die Franzosen noch viele

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[1198/1220] Westfalen im 17. Jahrhundert. Die Rechtsprechung über Gewerbs- und Handelsstreitigkeiten lag dem Vogt und den Ratsleuten, unter Berufung an den herzoglichen Obervogt, ob. Das Schmiedehandwerk war also eine geschlossene, erbliche Zunft, die voll Eifersucht über ihre Privilegien wachte. Die groſsen Vorrechte der Kronenberger hätten bei dem Aufblühen Remscheids und der Werke an der Enneper Straſse allein genügt, den Zunftverband zu sprengen. Eine unmittelbare Veranlassung hierzu gab die Einwanderung zahlreicher Fremder nach der Aufhebung des Ediktes von Nantes. Die alten Meister, namentlich zu Kronenberg, wollten die Fremdlinge nicht dulden. Hierüber entbrannte ein Zwist in der Zunft selbst, welche im Jahre 1687 eine Anzahl Schmiede veranlaſste, in die Grafschaft Mark auszuwandern, wo sie mit offenen Armen aufgenommen wurden. Am Gevelsberge, an der Enneperstraſse, bei Hagen und Eilpe fanden sie billigere Kohlen und billigeres Eisen, treffliche Wassergefälle für Hammerwerke und Schleifkotten, wohl- feilere Lebensmittel und unter der kurfürstlich brandenburgischen Regierung Gewerbefreiheit. Arbeitslöhne und Warenpreise stellten sich vorteilhafter. Die nicht mehr durch die Zunft gebundenen Unternehmer konnten groſse Aufträge übernehmen und ausführen, die Kaufleute waren nicht mehr durch die Prätensionen der Hand- werksmeister beschränkt und so kam rasch die Eisenindustrie an den genannten Orten in Blüte, während Kronenberg seine alte Industrie nach und nach fast vollständig verlor. Schon bei der ersten Ein- wanderung der Niederländer hatte Kronenberg der Einwanderung der Fremden Widerstand entgegengesetzt, was die Veranlassung wurde, daſs Remscheid Kronenberg bald überflügelte. Den Niederländern verdankt Remscheid die Anlage von Hammer- werken, welche bald die Handschmiederei des Renneisens in den „Iserschmitten“ verdrängten. Die niederländischen Gewerbetreibenden förderten den Handel mit ihrer alten Heimat und 1676 läſst sich be- reits umfangreicher Handel mit Remscheider Eisen- und Stahlwerk nach Holland und Brabant nachweisen. In Kronenberg wurden 1642 die ersten Wasserräder erbaut und 1700 gab es dort nur 11 Stück. — Nach dem Niedergang der Sensenschmiederei verlegten sich die Kronenberger auf das Nagel- schmieden. Durch die Einwanderung der Franzosen nach 1685 wurde haupt- sächlich die Schleiferei in Remscheid gefördert, die nach und nach fast ganz in die Hände eines thätigen Industriellen, Pickard aus der Pikardie, überging. Auſserdem führten aber die Franzosen noch viele

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 1198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1220>, abgerufen am 18.05.2024.