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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Westfalen im 17. Jahrhundert.
Ein solcher Rennofen lieferte in 24 Stunden aus 4 Wagen zu 40 Ctr.
Eisenstein und 4 Wagen zu 176 2/3 Kubikfuss Holzkohlen 1 Wagen
= 16 Stallen = 2560 Pfund Gosseisen. Ein Schachtofen (Hochofen)
dagegen aus 5 bis 6 Wagen Eisenstein und 33/4 Wagen Holzkohlen
in 24 Gichten aufgegeben 40 bis 60 Stallen = 6000 bis 7000 Pfund
Gosseisen. Die Öfen für Rohstahl (Spiegeleisen) lieferten 4000 bis
5000 Pfund 1).

Von grosser Bedeutung waren die Platten-, Breit- oder Blech-
hämmer im alten Amte Olpe (aus den jetzigen Ämtern Olpe, Wenden
und Drolshagen bestehend). Die 15 privilegierten Plattenhämmer
bildeten eine Zunft, das sogenannte Schmiedeamt, welches den
Lehrlingen die eidliche Verpflichtung abnahm, ihr Gewerbe nicht
ausserhalb des Landes zu tragen. Die Zunftartikel der Breitwerks-
schmiede waren am 25. April 1672 landesherrlich bestätigt 2). In der
That war damals die Blechfabrikation Westfalens fast nur auf das
Amt Olpe beschränkt. Mit dieser Fabrikation war die Blechwaren-
fabrikation, namentlich die Herstellung von Ofenröhren (Piepen) und
Pfannen verbunden.

Eine grosse Bedeutung erlangte in diesem Jahrhundert der Be-
trieb der Reckhämmer, sowohl in der Mark als im Bergischen. Wie
man bei dem Drahtziehen die Menschenkraft durch die Wasserkraft
ersetzt hatte, so suchte man dies auch bei dem Schmieden zu thun,
zunächst für die vorbereitende Formgebung in dem Ausschmieden der
Luppen in Luppenstäbe; sodann für das Ausrecken des Luppen-
eisens in Stäbe von verschiedenen Querschnitten und Längen. Diese
Reckhämmer waren meist zugleich Gärb- und Raffinierhämmer. Ent-
weder wurde durch die Reckhämmer nur Schmiedeeisen gegärbt und
gereckt, oder es wurde Schmiedeeisen mit Stahl zusammenge-
schweisst und ausgeschmiedet, oder es wurde nur Stahl in Packeten
geschweisst und ausgereckt, letzteres war das eigentliche Raffinieren.
Dass diese Reckhämmer bereits im 16. Jahrhundert bei der Solinger
Klingenfabrikation
eine grosse Bedeutung erlangt hatten, ist Seite
825 schon erwähnt worden. Im Jahre 1623 zählte man bei Lüttring-
hausen und Burg 26 bis 28 solcher Reckhämmer, welche alle für
Solingen arbeiteten. Aber auch im Solinger Bezirk entstanden im
17. Jahrhundert derartige Hämmer und es sind eine Reihe von Kon-
zessionsgesuchen zur Anlage von Schmiede- und Schleifkotten an den

1) Siehe A. Ribbentrop, die Beschreibung des Bergreviers Daaden-Kirchen.
Bonn 1882.
2) Siehe Jacobi, Regierungsbezirk Arnsberg, S. 344.
75*

Westfalen im 17. Jahrhundert.
Ein solcher Rennofen lieferte in 24 Stunden aus 4 Wagen zu 40 Ctr.
Eisenstein und 4 Wagen zu 176⅔ Kubikfuſs Holzkohlen 1 Wagen
= 16 Stallen = 2560 Pfund Goſseisen. Ein Schachtofen (Hochofen)
dagegen aus 5 bis 6 Wagen Eisenstein und 3¾ Wagen Holzkohlen
in 24 Gichten aufgegeben 40 bis 60 Stallen = 6000 bis 7000 Pfund
Goſseisen. Die Öfen für Rohstahl (Spiegeleisen) lieferten 4000 bis
5000 Pfund 1).

Von groſser Bedeutung waren die Platten-, Breit- oder Blech-
hämmer im alten Amte Olpe (aus den jetzigen Ämtern Olpe, Wenden
und Drolshagen bestehend). Die 15 privilegierten Plattenhämmer
bildeten eine Zunft, das sogenannte Schmiedeamt, welches den
Lehrlingen die eidliche Verpflichtung abnahm, ihr Gewerbe nicht
auſserhalb des Landes zu tragen. Die Zunftartikel der Breitwerks-
schmiede waren am 25. April 1672 landesherrlich bestätigt 2). In der
That war damals die Blechfabrikation Westfalens fast nur auf das
Amt Olpe beschränkt. Mit dieser Fabrikation war die Blechwaren-
fabrikation, namentlich die Herstellung von Ofenröhren (Piepen) und
Pfannen verbunden.

Eine groſse Bedeutung erlangte in diesem Jahrhundert der Be-
trieb der Reckhämmer, sowohl in der Mark als im Bergischen. Wie
man bei dem Drahtziehen die Menschenkraft durch die Wasserkraft
ersetzt hatte, so suchte man dies auch bei dem Schmieden zu thun,
zunächst für die vorbereitende Formgebung in dem Ausschmieden der
Luppen in Luppenstäbe; sodann für das Ausrecken des Luppen-
eisens in Stäbe von verschiedenen Querschnitten und Längen. Diese
Reckhämmer waren meist zugleich Gärb- und Raffinierhämmer. Ent-
weder wurde durch die Reckhämmer nur Schmiedeeisen gegärbt und
gereckt, oder es wurde Schmiedeeisen mit Stahl zusammenge-
schweiſst und ausgeschmiedet, oder es wurde nur Stahl in Packeten
geschweiſst und ausgereckt, letzteres war das eigentliche Raffinieren.
Daſs diese Reckhämmer bereits im 16. Jahrhundert bei der Solinger
Klingenfabrikation
eine groſse Bedeutung erlangt hatten, ist Seite
825 schon erwähnt worden. Im Jahre 1623 zählte man bei Lüttring-
hausen und Burg 26 bis 28 solcher Reckhämmer, welche alle für
Solingen arbeiteten. Aber auch im Solinger Bezirk entstanden im
17. Jahrhundert derartige Hämmer und es sind eine Reihe von Kon-
zessionsgesuchen zur Anlage von Schmiede- und Schleifkotten an den

1) Siehe A. Ribbentrop, die Beschreibung des Bergreviers Daaden-Kirchen.
Bonn 1882.
2) Siehe Jacobi, Regierungsbezirk Arnsberg, S. 344.
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[1187/1209] Westfalen im 17. Jahrhundert. Ein solcher Rennofen lieferte in 24 Stunden aus 4 Wagen zu 40 Ctr. Eisenstein und 4 Wagen zu 176⅔ Kubikfuſs Holzkohlen 1 Wagen = 16 Stallen = 2560 Pfund Goſseisen. Ein Schachtofen (Hochofen) dagegen aus 5 bis 6 Wagen Eisenstein und 3¾ Wagen Holzkohlen in 24 Gichten aufgegeben 40 bis 60 Stallen = 6000 bis 7000 Pfund Goſseisen. Die Öfen für Rohstahl (Spiegeleisen) lieferten 4000 bis 5000 Pfund 1). Von groſser Bedeutung waren die Platten-, Breit- oder Blech- hämmer im alten Amte Olpe (aus den jetzigen Ämtern Olpe, Wenden und Drolshagen bestehend). Die 15 privilegierten Plattenhämmer bildeten eine Zunft, das sogenannte Schmiedeamt, welches den Lehrlingen die eidliche Verpflichtung abnahm, ihr Gewerbe nicht auſserhalb des Landes zu tragen. Die Zunftartikel der Breitwerks- schmiede waren am 25. April 1672 landesherrlich bestätigt 2). In der That war damals die Blechfabrikation Westfalens fast nur auf das Amt Olpe beschränkt. Mit dieser Fabrikation war die Blechwaren- fabrikation, namentlich die Herstellung von Ofenröhren (Piepen) und Pfannen verbunden. Eine groſse Bedeutung erlangte in diesem Jahrhundert der Be- trieb der Reckhämmer, sowohl in der Mark als im Bergischen. Wie man bei dem Drahtziehen die Menschenkraft durch die Wasserkraft ersetzt hatte, so suchte man dies auch bei dem Schmieden zu thun, zunächst für die vorbereitende Formgebung in dem Ausschmieden der Luppen in Luppenstäbe; sodann für das Ausrecken des Luppen- eisens in Stäbe von verschiedenen Querschnitten und Längen. Diese Reckhämmer waren meist zugleich Gärb- und Raffinierhämmer. Ent- weder wurde durch die Reckhämmer nur Schmiedeeisen gegärbt und gereckt, oder es wurde Schmiedeeisen mit Stahl zusammenge- schweiſst und ausgeschmiedet, oder es wurde nur Stahl in Packeten geschweiſst und ausgereckt, letzteres war das eigentliche Raffinieren. Daſs diese Reckhämmer bereits im 16. Jahrhundert bei der Solinger Klingenfabrikation eine groſse Bedeutung erlangt hatten, ist Seite 825 schon erwähnt worden. Im Jahre 1623 zählte man bei Lüttring- hausen und Burg 26 bis 28 solcher Reckhämmer, welche alle für Solingen arbeiteten. Aber auch im Solinger Bezirk entstanden im 17. Jahrhundert derartige Hämmer und es sind eine Reihe von Kon- zessionsgesuchen zur Anlage von Schmiede- und Schleifkotten an den 1) Siehe A. Ribbentrop, die Beschreibung des Bergreviers Daaden-Kirchen. Bonn 1882. 2) Siehe Jacobi, Regierungsbezirk Arnsberg, S. 344. 75*

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 1187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1209>, abgerufen am 18.05.2024.