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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Westfalen im 17. Jahrhundert.
den ganzen Nutzen des Drahthandels hatte und den Fabrikanten, der
von ihm abhängig war, drückte. Um dem zu steuern, schlug 1662
der Kanzler Diest vor, die Fabrikanten sollten nur mit einigen Gross-
händlern kontrahieren. Da diese aber zur Bedingung machten, dass
sie nicht eher zu beziehen brauchten, bis ihr Vorrat verkauft sei,
wurde das Übel noch schlimmer.

Die Altenaer nahmen nun den Handel selbst in die Hand und ver-
kauften nach Köln und Wesel, aber die Iserlohner unterboten und so
sank der Drahtpreis 1686 um 20 Prozent. Das Stück Zwölfer-Rippen,
das bis dahin 40 Thlr. gekostet, wurde mit 32 Thlr. verkauft. Der
Magistrat legte sich ins Mittel und bewog die Reidmeister, drei Monate
keinen Draht auszuführen. Zugleich lieh man ein Kapital, von welchem
man denjenigen Reidemeistern, welche den Verlag so lange nicht aus-
halten konnten, den Draht zu einem festgesetzten mittleren Preis,
nämlich das Stück "Zwölf Rippen" zu 36 Thaler, bezahlte. Ferner wurde
beschlossen, dass, wenn Iserlöhner oder solche, die mit ihren eigenen
Pferden den Draht verschicken, nach Altena kommen würden, dort zu
kaufen, diese das Stück einen Stüber teurer bezahlen sollten, als jeder
andere Auswärtige. Auch wurde die Arbeitszeit täglich auf 9 Stunden
nämlich von 8 Uhr morgens bis 5 Uhr nachmittags, eingeschränkt.
Dieses hatte den Erfolg, dass, ehe noch 2000 Reichsthaler von dem
aufgenommenen Kapital an die Reidemeister ausbezahlt waren, der
Draht wieder auf seinen vorigen Preis stieg.

Der grösste Teil des Osmunds wurde in und um Lüdenscheid
zum Drahtziehen vorgeschmiedet und nach Altena gebracht. Ein
Zufall veranlasste, dass dieser Gewerbszweig für Lüdenscheid verloren
ging und die Altenaischen Fabrikanten den Osmund selbst schmiedeten.
Im Jahre 1682 behauptete nämlich die Stadt Lüdenscheid ein aus-
schliessliches Recht auf den Zug der gröberen Drahtsorten zu be-
sitzen und erwirkte einen Regierungsbefehl, wodurch deren Ver-
fertigung der Stadt Altena verboten wurde. Altena hielt sich
dadurch schadlos, dass es keinen geschmiedeten Draht mehr kaufte,
sondern das Eisen selbst verschmiedete. Dies war ein grosser Ausfall
für Lüdenscheid und zwang es, 1686 einen förmlichen Vertrag mit
Altena über die Drahtsorten zu schliessen.

Schon im 16. Jahrhundert hatte sich die Osmundfabrik auch
im nördlichen Teile des Altenaischen Kreises stark ausgebreitet 1). Die

1) Vergl. Magazin für Westfalen, S. 29.

Westfalen im 17. Jahrhundert.
den ganzen Nutzen des Drahthandels hatte und den Fabrikanten, der
von ihm abhängig war, drückte. Um dem zu steuern, schlug 1662
der Kanzler Diest vor, die Fabrikanten sollten nur mit einigen Groſs-
händlern kontrahieren. Da diese aber zur Bedingung machten, daſs
sie nicht eher zu beziehen brauchten, bis ihr Vorrat verkauft sei,
wurde das Übel noch schlimmer.

Die Altenaer nahmen nun den Handel selbst in die Hand und ver-
kauften nach Köln und Wesel, aber die Iserlohner unterboten und so
sank der Drahtpreis 1686 um 20 Prozent. Das Stück Zwölfer-Rippen,
das bis dahin 40 Thlr. gekostet, wurde mit 32 Thlr. verkauft. Der
Magistrat legte sich ins Mittel und bewog die Reidmeister, drei Monate
keinen Draht auszuführen. Zugleich lieh man ein Kapital, von welchem
man denjenigen Reidemeistern, welche den Verlag so lange nicht aus-
halten konnten, den Draht zu einem festgesetzten mittleren Preis,
nämlich das Stück „Zwölf Rippen“ zu 36 Thaler, bezahlte. Ferner wurde
beschlossen, daſs, wenn Iserlöhner oder solche, die mit ihren eigenen
Pferden den Draht verschicken, nach Altena kommen würden, dort zu
kaufen, diese das Stück einen Stüber teurer bezahlen sollten, als jeder
andere Auswärtige. Auch wurde die Arbeitszeit täglich auf 9 Stunden
nämlich von 8 Uhr morgens bis 5 Uhr nachmittags, eingeschränkt.
Dieses hatte den Erfolg, daſs, ehe noch 2000 Reichsthaler von dem
aufgenommenen Kapital an die Reidemeister ausbezahlt waren, der
Draht wieder auf seinen vorigen Preis stieg.

Der gröſste Teil des Osmunds wurde in und um Lüdenscheid
zum Drahtziehen vorgeschmiedet und nach Altena gebracht. Ein
Zufall veranlaſste, daſs dieser Gewerbszweig für Lüdenscheid verloren
ging und die Altenaischen Fabrikanten den Osmund selbst schmiedeten.
Im Jahre 1682 behauptete nämlich die Stadt Lüdenscheid ein aus-
schlieſsliches Recht auf den Zug der gröberen Drahtsorten zu be-
sitzen und erwirkte einen Regierungsbefehl, wodurch deren Ver-
fertigung der Stadt Altena verboten wurde. Altena hielt sich
dadurch schadlos, daſs es keinen geschmiedeten Draht mehr kaufte,
sondern das Eisen selbst verschmiedete. Dies war ein groſser Ausfall
für Lüdenscheid und zwang es, 1686 einen förmlichen Vertrag mit
Altena über die Drahtsorten zu schlieſsen.

Schon im 16. Jahrhundert hatte sich die Osmundfabrik auch
im nördlichen Teile des Altenaischen Kreises stark ausgebreitet 1). Die

1) Vergl. Magazin für Westfalen, S. 29.
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[1183/1205] Westfalen im 17. Jahrhundert. den ganzen Nutzen des Drahthandels hatte und den Fabrikanten, der von ihm abhängig war, drückte. Um dem zu steuern, schlug 1662 der Kanzler Diest vor, die Fabrikanten sollten nur mit einigen Groſs- händlern kontrahieren. Da diese aber zur Bedingung machten, daſs sie nicht eher zu beziehen brauchten, bis ihr Vorrat verkauft sei, wurde das Übel noch schlimmer. Die Altenaer nahmen nun den Handel selbst in die Hand und ver- kauften nach Köln und Wesel, aber die Iserlohner unterboten und so sank der Drahtpreis 1686 um 20 Prozent. Das Stück Zwölfer-Rippen, das bis dahin 40 Thlr. gekostet, wurde mit 32 Thlr. verkauft. Der Magistrat legte sich ins Mittel und bewog die Reidmeister, drei Monate keinen Draht auszuführen. Zugleich lieh man ein Kapital, von welchem man denjenigen Reidemeistern, welche den Verlag so lange nicht aus- halten konnten, den Draht zu einem festgesetzten mittleren Preis, nämlich das Stück „Zwölf Rippen“ zu 36 Thaler, bezahlte. Ferner wurde beschlossen, daſs, wenn Iserlöhner oder solche, die mit ihren eigenen Pferden den Draht verschicken, nach Altena kommen würden, dort zu kaufen, diese das Stück einen Stüber teurer bezahlen sollten, als jeder andere Auswärtige. Auch wurde die Arbeitszeit täglich auf 9 Stunden nämlich von 8 Uhr morgens bis 5 Uhr nachmittags, eingeschränkt. Dieses hatte den Erfolg, daſs, ehe noch 2000 Reichsthaler von dem aufgenommenen Kapital an die Reidemeister ausbezahlt waren, der Draht wieder auf seinen vorigen Preis stieg. Der gröſste Teil des Osmunds wurde in und um Lüdenscheid zum Drahtziehen vorgeschmiedet und nach Altena gebracht. Ein Zufall veranlaſste, daſs dieser Gewerbszweig für Lüdenscheid verloren ging und die Altenaischen Fabrikanten den Osmund selbst schmiedeten. Im Jahre 1682 behauptete nämlich die Stadt Lüdenscheid ein aus- schlieſsliches Recht auf den Zug der gröberen Drahtsorten zu be- sitzen und erwirkte einen Regierungsbefehl, wodurch deren Ver- fertigung der Stadt Altena verboten wurde. Altena hielt sich dadurch schadlos, daſs es keinen geschmiedeten Draht mehr kaufte, sondern das Eisen selbst verschmiedete. Dies war ein groſser Ausfall für Lüdenscheid und zwang es, 1686 einen förmlichen Vertrag mit Altena über die Drahtsorten zu schlieſsen. Schon im 16. Jahrhundert hatte sich die Osmundfabrik auch im nördlichen Teile des Altenaischen Kreises stark ausgebreitet 1). Die 1) Vergl. Magazin für Westfalen, S. 29.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 1183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1205>, abgerufen am 21.05.2024.