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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Die Waffenfabrikation im 17. Jahrhundert.

Eine wichtige Rolle spielten namentlich beim Belagerungskrieg
die Granaten. Handgranaten, die von den "Grenadieren" geworfen
wurden, fanden fast nur bei der Verteidigung von Festungen und Ver-
schanzungen Verwendung.

Clarner in Nürnberg erfand cylindrische Granaten, welche
1627 vor la Rochelle mit günstigem Erfolg in Anwendung kamen.
Erst 1692 wurde das Schiessen von Granaten aus Kanonen von einem
französischen Seeoffizier erfunden. 1650 wurde in Warschau die
Richtmaschine erfunden. Ludwig XIV. liess leichte Gebirgskanonen,
welche 1 Pfd. schossen, anfertigen. 1693 liess er die Berg- und Küsten-
plätze mit eisernen Kanonen von Perigueux bewaffnen; die 36-Pfünder
wogen 3550 kg, die 24-Pfünder 2865 kg, die 18-Pfünder 2185 kg, die
12-Pfünder 1805 kg, die 8-Pfünder 1155 kg. Sie hielten die Probe
des Bronzegeschützes aus. Die Engländer hatten um jene Zeit 8396
Kanonen auf ihrer Flotte (1653: 3840).

St. Remy teilt 1697 in seinen Memoires d'artillerie mit, dass
die schweren gusseisernen Geschütze 200, die leichten 320 Pfd. auf
das Pfund Kugel haben. Die Hochöfen zum Geschützguss waren
24 Fuss hoch. Man konnte aus jedem Ofen nur einen 8-Pfünder
giessen, zu einem 12-Pfünder mussten zwei, zu einem 24-Pfünder drei
auf einmal abgestochen werden.

Man hatte versucht, Geschütze aus Stabeisenstäben zu wickeln,
wie Flintenläufe. Ein auf diese Art hergestellter 18-Pfünder zersprang
aber beim ersten Schuss. -- Die Kanonenbohrmaschinen waren ver-
tical, das Geschütz sank in seinem Schlitten herab, die Bohrstange
wurde durch Pferdekraft gedreht. Bei Mörsern, die nicht nachgebohrt,
sondern gleich fertig über den Kern gegossen wurden, duldete man
keine Gruben in der Seele 1). -- Die Mörser waren in der Regel aus
Eisen gegossen.

Die 1620 zu Brieg angelegte Geschützgiesserei goss ebenso, wie
die 1645 in Berlin erbaute, nur Bronzegeschütze, dagegen wurden
seit 1625 in Böhmen und seit 1626 am Harz eiserne Geschütze ge-
gossen. Obgleich England und Brandenburg selbst eiserne Geschütze
goss, bezog es doch 1695 gusseiserne Kanonen von Raffjö in Schweden.

Trotz der immer mehr zur Geltung kommenden Bedeutung der
Feuerwaffe erhielt sich bis zum Ende des 17. Jahrhunderts die Pike
bei der Infanterie. Nach Montecuculli bestand die deutsche In-
fanterie in der letzten Hälfte des 17. Jahrhunderts immer noch aus

1) Siehe M. Meyer, Handbuch der Geschichte der Feuerwaffen-Technik 1835,
S. 95.
Die Waffenfabrikation im 17. Jahrhundert.

Eine wichtige Rolle spielten namentlich beim Belagerungskrieg
die Granaten. Handgranaten, die von den „Grenadieren“ geworfen
wurden, fanden fast nur bei der Verteidigung von Festungen und Ver-
schanzungen Verwendung.

Clarner in Nürnberg erfand cylindrische Granaten, welche
1627 vor la Rochelle mit günstigem Erfolg in Anwendung kamen.
Erst 1692 wurde das Schieſsen von Granaten aus Kanonen von einem
französischen Seeoffizier erfunden. 1650 wurde in Warschau die
Richtmaschine erfunden. Ludwig XIV. lieſs leichte Gebirgskanonen,
welche 1 Pfd. schossen, anfertigen. 1693 lieſs er die Berg- und Küsten-
plätze mit eisernen Kanonen von Perigueux bewaffnen; die 36-Pfünder
wogen 3550 kg, die 24-Pfünder 2865 kg, die 18-Pfünder 2185 kg, die
12-Pfünder 1805 kg, die 8-Pfünder 1155 kg. Sie hielten die Probe
des Bronzegeschützes aus. Die Engländer hatten um jene Zeit 8396
Kanonen auf ihrer Flotte (1653: 3840).

St. Remy teilt 1697 in seinen Mémoires d’artillerie mit, daſs
die schweren guſseisernen Geschütze 200, die leichten 320 Pfd. auf
das Pfund Kugel haben. Die Hochöfen zum Geschützguſs waren
24 Fuſs hoch. Man konnte aus jedem Ofen nur einen 8-Pfünder
gieſsen, zu einem 12-Pfünder muſsten zwei, zu einem 24-Pfünder drei
auf einmal abgestochen werden.

Man hatte versucht, Geschütze aus Stabeisenstäben zu wickeln,
wie Flintenläufe. Ein auf diese Art hergestellter 18-Pfünder zersprang
aber beim ersten Schuſs. — Die Kanonenbohrmaschinen waren ver-
tical, das Geschütz sank in seinem Schlitten herab, die Bohrstange
wurde durch Pferdekraft gedreht. Bei Mörsern, die nicht nachgebohrt,
sondern gleich fertig über den Kern gegossen wurden, duldete man
keine Gruben in der Seele 1). — Die Mörser waren in der Regel aus
Eisen gegossen.

Die 1620 zu Brieg angelegte Geschützgieſserei goſs ebenso, wie
die 1645 in Berlin erbaute, nur Bronzegeschütze, dagegen wurden
seit 1625 in Böhmen und seit 1626 am Harz eiserne Geschütze ge-
gossen. Obgleich England und Brandenburg selbst eiserne Geschütze
goſs, bezog es doch 1695 guſseiserne Kanonen von Raffjö in Schweden.

Trotz der immer mehr zur Geltung kommenden Bedeutung der
Feuerwaffe erhielt sich bis zum Ende des 17. Jahrhunderts die Pike
bei der Infanterie. Nach Montecuculli bestand die deutsche In-
fanterie in der letzten Hälfte des 17. Jahrhunderts immer noch aus

1) Siehe M. Meyer, Handbuch der Geschichte der Feuerwaffen-Technik 1835,
S. 95.
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[992/1014] Die Waffenfabrikation im 17. Jahrhundert. Eine wichtige Rolle spielten namentlich beim Belagerungskrieg die Granaten. Handgranaten, die von den „Grenadieren“ geworfen wurden, fanden fast nur bei der Verteidigung von Festungen und Ver- schanzungen Verwendung. Clarner in Nürnberg erfand cylindrische Granaten, welche 1627 vor la Rochelle mit günstigem Erfolg in Anwendung kamen. Erst 1692 wurde das Schieſsen von Granaten aus Kanonen von einem französischen Seeoffizier erfunden. 1650 wurde in Warschau die Richtmaschine erfunden. Ludwig XIV. lieſs leichte Gebirgskanonen, welche 1 Pfd. schossen, anfertigen. 1693 lieſs er die Berg- und Küsten- plätze mit eisernen Kanonen von Perigueux bewaffnen; die 36-Pfünder wogen 3550 kg, die 24-Pfünder 2865 kg, die 18-Pfünder 2185 kg, die 12-Pfünder 1805 kg, die 8-Pfünder 1155 kg. Sie hielten die Probe des Bronzegeschützes aus. Die Engländer hatten um jene Zeit 8396 Kanonen auf ihrer Flotte (1653: 3840). St. Remy teilt 1697 in seinen Mémoires d’artillerie mit, daſs die schweren guſseisernen Geschütze 200, die leichten 320 Pfd. auf das Pfund Kugel haben. Die Hochöfen zum Geschützguſs waren 24 Fuſs hoch. Man konnte aus jedem Ofen nur einen 8-Pfünder gieſsen, zu einem 12-Pfünder muſsten zwei, zu einem 24-Pfünder drei auf einmal abgestochen werden. Man hatte versucht, Geschütze aus Stabeisenstäben zu wickeln, wie Flintenläufe. Ein auf diese Art hergestellter 18-Pfünder zersprang aber beim ersten Schuſs. — Die Kanonenbohrmaschinen waren ver- tical, das Geschütz sank in seinem Schlitten herab, die Bohrstange wurde durch Pferdekraft gedreht. Bei Mörsern, die nicht nachgebohrt, sondern gleich fertig über den Kern gegossen wurden, duldete man keine Gruben in der Seele 1). — Die Mörser waren in der Regel aus Eisen gegossen. Die 1620 zu Brieg angelegte Geschützgieſserei goſs ebenso, wie die 1645 in Berlin erbaute, nur Bronzegeschütze, dagegen wurden seit 1625 in Böhmen und seit 1626 am Harz eiserne Geschütze ge- gossen. Obgleich England und Brandenburg selbst eiserne Geschütze goſs, bezog es doch 1695 guſseiserne Kanonen von Raffjö in Schweden. Trotz der immer mehr zur Geltung kommenden Bedeutung der Feuerwaffe erhielt sich bis zum Ende des 17. Jahrhunderts die Pike bei der Infanterie. Nach Montecuculli bestand die deutsche In- fanterie in der letzten Hälfte des 17. Jahrhunderts immer noch aus 1) Siehe M. Meyer, Handbuch der Geschichte der Feuerwaffen-Technik 1835, S. 95.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 992. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/1014>, abgerufen am 22.11.2024.