Über die Natur des Eisens teilt Michael Savanorola, der Vater des berühmten Reformators, in seinem Werke "de balneis totius mundi" im Jahre 1490 einiges mit. Nach ihm wird die Gegenwart der erdigen Materie im Eisen durch die vielen Schlacken bewiesen, die bei seiner Erhitzung abtropfen. Den Stahl hält er nicht für verschieden ge- mischt, sondern für ein Eisen, dessen wässerige Teile durch Destillation ausgetrieben worden sind 1). Die weisse Farbe des Stahls rühre von der Abscheidung der erdigen Teile her. Vom Schmelzen des Eisens weiss er indes noch gar nichts, sondern er bemerkt ausdrücklich, dass das Eisen nicht wie die übrigen Metalle fliesst, sondern in der Hitze sich nur erweicht.
Wenn aber die Alchemie auch nur wenig zu dem Fortschritt des Eisenhüttenwesens beitrug, so hat dagegen die Verbreitung der Kennt- nisse durch die im 15. Jahrhundert erfundene Buchdruckerkunst sehr bedeutend dazu beigetragen, ein richtigeres Verständnis der technischen und metallurgischen Operationen anzubahnen.
So vereinigte sich denn im 15. Jahrhundert eine ganze Reihe günstiger Bedingungen dazu, den Umschwung im Eisenhüttenwesen herbeizuführen.
Der geistige Impuls und die Verbreitung empirischer Kenntnisse, welche durch die Buchdruckerkunst nach allen Richtungen des Wissens hingetragen wurden, das Bedürfnis nach einem billigen Gussmetall für Geschosse, das durch die Verbesserung der Kanonen erzeugt worden war, die stärkeren Gebläse, über welche man infolge der Benutzung der Wasserkraft gebot, und endlich die Erfahrungen, welche man bei den Stucköfen bereits erlangt hatte: alles trug dazu bei zu der Er- zeugung des flüssigen Roheisens und zu der Verdrängung der direkten durch die indirekte Fabrikationsmethode, kurz zu der modernen Eisenindustrie hinzudrängen. Und die Verhältnisse lagen der- massen günstig, dass dieser Übergang sich allmählich genug vollzog, um ihn ganz unbemerkt an den Zeitgenossen vorübergehen zu lassen, so dass wir nicht einmal sagen können, wann und wo zuerst diese Neue- rung zur Erscheinung gekommen ist.
Die Alchemie, in ihren theoretischen Zauberkreis gebannt, konnte nur wenig für die Fortschritte der Eisenindustrie leisten. Es gab aber auch neben den Alchemisten noch andere Gelehrte, die nicht auf die Zauberformeln eines Hermes Trismegistos schwuren, sondern die Dinge
1) Chalybs autem ferri species alia non est, sed ejus subtilior pars et aquasior per destilationem ex ferro extincta.
Übergang zur modernen Industrie.
Über die Natur des Eisens teilt Michael Savanorola, der Vater des berühmten Reformators, in seinem Werke „de balneis totius mundi“ im Jahre 1490 einiges mit. Nach ihm wird die Gegenwart der erdigen Materie im Eisen durch die vielen Schlacken bewiesen, die bei seiner Erhitzung abtropfen. Den Stahl hält er nicht für verschieden ge- mischt, sondern für ein Eisen, dessen wässerige Teile durch Destillation ausgetrieben worden sind 1). Die weiſse Farbe des Stahls rühre von der Abscheidung der erdigen Teile her. Vom Schmelzen des Eisens weiſs er indes noch gar nichts, sondern er bemerkt ausdrücklich, daſs das Eisen nicht wie die übrigen Metalle flieſst, sondern in der Hitze sich nur erweicht.
Wenn aber die Alchemie auch nur wenig zu dem Fortschritt des Eisenhüttenwesens beitrug, so hat dagegen die Verbreitung der Kennt- nisse durch die im 15. Jahrhundert erfundene Buchdruckerkunst sehr bedeutend dazu beigetragen, ein richtigeres Verständnis der technischen und metallurgischen Operationen anzubahnen.
So vereinigte sich denn im 15. Jahrhundert eine ganze Reihe günstiger Bedingungen dazu, den Umschwung im Eisenhüttenwesen herbeizuführen.
Der geistige Impuls und die Verbreitung empirischer Kenntnisse, welche durch die Buchdruckerkunst nach allen Richtungen des Wissens hingetragen wurden, das Bedürfnis nach einem billigen Guſsmetall für Geschosse, das durch die Verbesserung der Kanonen erzeugt worden war, die stärkeren Gebläse, über welche man infolge der Benutzung der Wasserkraft gebot, und endlich die Erfahrungen, welche man bei den Stucköfen bereits erlangt hatte: alles trug dazu bei zu der Er- zeugung des flüssigen Roheisens und zu der Verdrängung der direkten durch die indirekte Fabrikationsmethode, kurz zu der modernen Eisenindustrie hinzudrängen. Und die Verhältnisse lagen der- maſsen günstig, daſs dieser Übergang sich allmählich genug vollzog, um ihn ganz unbemerkt an den Zeitgenossen vorübergehen zu lassen, so daſs wir nicht einmal sagen können, wann und wo zuerst diese Neue- rung zur Erscheinung gekommen ist.
Die Alchemie, in ihren theoretischen Zauberkreis gebannt, konnte nur wenig für die Fortschritte der Eisenindustrie leisten. Es gab aber auch neben den Alchemisten noch andere Gelehrte, die nicht auf die Zauberformeln eines Hermes Trismegistos schwuren, sondern die Dinge
1) Chalybs autem ferri species alia non est, sed ejus subtilior pars et aquasior per destilationem ex ferro extincta.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0995"n="973"/><fwplace="top"type="header">Übergang zur modernen Industrie.</fw><lb/><p>Über die Natur des Eisens teilt Michael Savanorola, der Vater des<lb/>
berühmten Reformators, in seinem Werke „de balneis totius mundi“<lb/>
im Jahre 1490 einiges mit. Nach ihm wird die Gegenwart der erdigen<lb/>
Materie im Eisen durch die vielen Schlacken bewiesen, die bei seiner<lb/>
Erhitzung abtropfen. Den Stahl hält er nicht für verschieden ge-<lb/>
mischt, sondern für ein Eisen, dessen wässerige Teile durch Destillation<lb/>
ausgetrieben worden sind <noteplace="foot"n="1)">Chalybs autem ferri species alia non est, sed ejus subtilior pars et aquasior<lb/>
per destilationem ex ferro extincta.</note>. Die weiſse Farbe des Stahls rühre von<lb/>
der Abscheidung der erdigen Teile her. Vom Schmelzen des Eisens<lb/>
weiſs er indes noch gar nichts, sondern er bemerkt ausdrücklich, daſs<lb/>
das Eisen nicht wie die übrigen Metalle flieſst, sondern in der Hitze<lb/>
sich nur erweicht.</p><lb/><p>Wenn aber die Alchemie auch nur wenig zu dem Fortschritt des<lb/>
Eisenhüttenwesens beitrug, so hat dagegen die Verbreitung der Kennt-<lb/>
nisse durch die im 15. Jahrhundert erfundene <hirendition="#g">Buchdruckerkunst</hi><lb/>
sehr bedeutend dazu beigetragen, ein richtigeres Verständnis der<lb/>
technischen und metallurgischen Operationen anzubahnen.</p><lb/><p>So vereinigte sich denn im 15. Jahrhundert eine ganze Reihe<lb/>
günstiger Bedingungen dazu, den Umschwung im Eisenhüttenwesen<lb/>
herbeizuführen.</p><lb/><p>Der geistige Impuls und die Verbreitung empirischer Kenntnisse,<lb/>
welche durch die Buchdruckerkunst nach allen Richtungen des Wissens<lb/>
hingetragen wurden, das Bedürfnis nach einem billigen Guſsmetall<lb/>
für Geschosse, das durch die Verbesserung der Kanonen erzeugt worden<lb/>
war, die stärkeren Gebläse, über welche man infolge der Benutzung<lb/>
der Wasserkraft gebot, und endlich die Erfahrungen, welche man bei<lb/>
den Stucköfen bereits erlangt hatte: alles trug dazu bei zu der Er-<lb/>
zeugung des flüssigen Roheisens und zu der Verdrängung der direkten<lb/>
durch die indirekte Fabrikationsmethode, kurz zu der <hirendition="#g">modernen<lb/>
Eisenindustrie</hi> hinzudrängen. Und die Verhältnisse lagen der-<lb/>
maſsen günstig, daſs dieser Übergang sich allmählich genug vollzog,<lb/>
um ihn ganz unbemerkt an den Zeitgenossen vorübergehen zu lassen,<lb/>
so daſs wir nicht einmal sagen können, wann und wo zuerst diese Neue-<lb/>
rung zur Erscheinung gekommen ist.</p><lb/><p>Die Alchemie, in ihren theoretischen Zauberkreis gebannt, konnte<lb/>
nur wenig für die Fortschritte der Eisenindustrie leisten. Es gab aber<lb/>
auch neben den Alchemisten noch andere Gelehrte, die nicht auf die<lb/>
Zauberformeln eines Hermes Trismegistos schwuren, sondern die Dinge<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[973/0995]
Übergang zur modernen Industrie.
Über die Natur des Eisens teilt Michael Savanorola, der Vater des
berühmten Reformators, in seinem Werke „de balneis totius mundi“
im Jahre 1490 einiges mit. Nach ihm wird die Gegenwart der erdigen
Materie im Eisen durch die vielen Schlacken bewiesen, die bei seiner
Erhitzung abtropfen. Den Stahl hält er nicht für verschieden ge-
mischt, sondern für ein Eisen, dessen wässerige Teile durch Destillation
ausgetrieben worden sind 1). Die weiſse Farbe des Stahls rühre von
der Abscheidung der erdigen Teile her. Vom Schmelzen des Eisens
weiſs er indes noch gar nichts, sondern er bemerkt ausdrücklich, daſs
das Eisen nicht wie die übrigen Metalle flieſst, sondern in der Hitze
sich nur erweicht.
Wenn aber die Alchemie auch nur wenig zu dem Fortschritt des
Eisenhüttenwesens beitrug, so hat dagegen die Verbreitung der Kennt-
nisse durch die im 15. Jahrhundert erfundene Buchdruckerkunst
sehr bedeutend dazu beigetragen, ein richtigeres Verständnis der
technischen und metallurgischen Operationen anzubahnen.
So vereinigte sich denn im 15. Jahrhundert eine ganze Reihe
günstiger Bedingungen dazu, den Umschwung im Eisenhüttenwesen
herbeizuführen.
Der geistige Impuls und die Verbreitung empirischer Kenntnisse,
welche durch die Buchdruckerkunst nach allen Richtungen des Wissens
hingetragen wurden, das Bedürfnis nach einem billigen Guſsmetall
für Geschosse, das durch die Verbesserung der Kanonen erzeugt worden
war, die stärkeren Gebläse, über welche man infolge der Benutzung
der Wasserkraft gebot, und endlich die Erfahrungen, welche man bei
den Stucköfen bereits erlangt hatte: alles trug dazu bei zu der Er-
zeugung des flüssigen Roheisens und zu der Verdrängung der direkten
durch die indirekte Fabrikationsmethode, kurz zu der modernen
Eisenindustrie hinzudrängen. Und die Verhältnisse lagen der-
maſsen günstig, daſs dieser Übergang sich allmählich genug vollzog,
um ihn ganz unbemerkt an den Zeitgenossen vorübergehen zu lassen,
so daſs wir nicht einmal sagen können, wann und wo zuerst diese Neue-
rung zur Erscheinung gekommen ist.
Die Alchemie, in ihren theoretischen Zauberkreis gebannt, konnte
nur wenig für die Fortschritte der Eisenindustrie leisten. Es gab aber
auch neben den Alchemisten noch andere Gelehrte, die nicht auf die
Zauberformeln eines Hermes Trismegistos schwuren, sondern die Dinge
1) Chalybs autem ferri species alia non est, sed ejus subtilior pars et aquasior
per destilationem ex ferro extincta.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 973. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/995>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.