Ludwig XII. liess durch die Vermittelung Philipps von Cleve 52 Feuerschlünde in Mecheln giessen, von dem Kaliber, wie es von da ab in Frankreich adoptiert wurde. Bis in die Mitte des 10. Jahrhunderts bezog auch England seinen Artilleriebedarf meist aus Flandern. Mecheln wurde der wichtigste Platz für Geschützgiesserei.
Nach der Chronik von Azevedo 1) hatte man dort erst 1420 mit dem Guss von Glocken und Geschütz begonnen und zwar war ein ge- wisser Jacques Dehornes dort der erste Giesser. Aber rasch veran- lasste die günstige Lage der Stadt inmitten der zahlreichen Provinzen, welche das Erbteil der letzten Herzöge aus dem Hause Burgund wurden, und die Nähe des Hafens von Antwerpen, mit dem es durch einen Kanal verbunden war, einen mächtigen Aufschwung dieser neuen Industrie, die noch gesteigert wurde durch die Vervollkommnung der Fabrikation selbst. In jener Zeit war der Geschützgiesser Jean de Malines weit berühmt. Als dann Mecheln an Frankreich fiel, wurden die Giessereien königliche, wenigstens führten mehrere Giesser unter Philipp dem Schönen den Titel "Fondeur du roi" und am 12. Januar 1520 kaufte der Staat die älteste und bedeutendste Giesserei von dem berühmten Meister Hans van Neurwerk, genannt Poppen Ruyter, für 1800 Livres und verwandelte sie in eine Staatsanstalt.
In Flandern scheinen auch zuerst Kanonen mit Schildzapfen auf- gekommen zu sein, die in den Kriegen Karls des Kühnen gelegentlich der Schlacht von Granson erwähnt werden, denn in den Liller Rech- nungen von 1465 werden dieselben bereits aufgeführt. Es wird der Preis genannt de deux torillons chacun a trois bandes et six crampons destines a deux petites serpentines pour le mettre sur leurs travaux et d'un grand torillon a trois bandes, pour une grande serpentine 2) (von 2 Schildzapfen, jeder aus 3 Ringen und 6 Klammern für 2 kleine Feldschlangen u. s. w. auf ihre Gestelle zu legen, und einen grossen Schildzapfen aus 3 Ringen für eine grosse Feldschlange).
Wir wissen nicht, in welcher Weise das Eisen zuerst geschmolzen wurde. Es lassen sich hierüber nur Vermutungen aufstellen. Jeden- falls war man nicht im stande, so grosse Massen flüssigen Metalls auf einmal zu erzeugen, wie dies bei dem Bronzeguss möglich war. Aus diesem Grunde musste man sich damit begnügen, nur kleine Geschütze aus Gusseisen herzustellen. Es ist mit Bestimmtheit anzunehmen, dass das Eisen zum Zweck des Giessens umgeschmolzen wurde. Die Her-
1) Azevedo, Cronyke van Mechelen.
2) Le Fons Melicocq, D. l'artillerie de la ville de Lille etc., p. 17.
Feuerwaffen.
Ludwig XII. lieſs durch die Vermittelung Philipps von Cleve 52 Feuerschlünde in Mecheln gieſsen, von dem Kaliber, wie es von da ab in Frankreich adoptiert wurde. Bis in die Mitte des 10. Jahrhunderts bezog auch England seinen Artilleriebedarf meist aus Flandern. Mecheln wurde der wichtigste Platz für Geschützgieſserei.
Nach der Chronik von Azevedo 1) hatte man dort erst 1420 mit dem Guſs von Glocken und Geschütz begonnen und zwar war ein ge- wisser Jacques Dehornes dort der erste Gieſser. Aber rasch veran- laſste die günstige Lage der Stadt inmitten der zahlreichen Provinzen, welche das Erbteil der letzten Herzöge aus dem Hause Burgund wurden, und die Nähe des Hafens von Antwerpen, mit dem es durch einen Kanal verbunden war, einen mächtigen Aufschwung dieser neuen Industrie, die noch gesteigert wurde durch die Vervollkommnung der Fabrikation selbst. In jener Zeit war der Geschützgieſser Jean de Malines weit berühmt. Als dann Mecheln an Frankreich fiel, wurden die Gieſsereien königliche, wenigstens führten mehrere Gieſser unter Philipp dem Schönen den Titel „Fondeur du roi“ und am 12. Januar 1520 kaufte der Staat die älteste und bedeutendste Gieſserei von dem berühmten Meister Hans van Neurwerk, genannt Poppen Ruyter, für 1800 Livres und verwandelte sie in eine Staatsanstalt.
In Flandern scheinen auch zuerst Kanonen mit Schildzapfen auf- gekommen zu sein, die in den Kriegen Karls des Kühnen gelegentlich der Schlacht von Granson erwähnt werden, denn in den Liller Rech- nungen von 1465 werden dieselben bereits aufgeführt. Es wird der Preis genannt de deux torillons chacun à trois bandes et six crampons destinés à deux petites serpentines pour le mettre sur leurs travaux et d’un grand torillon à trois bandes, pour une grande serpentine 2) (von 2 Schildzapfen, jeder aus 3 Ringen und 6 Klammern für 2 kleine Feldschlangen u. s. w. auf ihre Gestelle zu legen, und einen groſsen Schildzapfen aus 3 Ringen für eine groſse Feldschlange).
Wir wissen nicht, in welcher Weise das Eisen zuerst geschmolzen wurde. Es lassen sich hierüber nur Vermutungen aufstellen. Jeden- falls war man nicht im stande, so groſse Massen flüssigen Metalls auf einmal zu erzeugen, wie dies bei dem Bronzeguſs möglich war. Aus diesem Grunde muſste man sich damit begnügen, nur kleine Geschütze aus Guſseisen herzustellen. Es ist mit Bestimmtheit anzunehmen, daſs das Eisen zum Zweck des Gieſsens umgeschmolzen wurde. Die Her-
1) Azevedo, Cronyke van Mechelen.
2) Le Fons Melicocq, D. l’artillerie de la ville de Lille etc., p. 17.
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Feuerwaffen.
Ludwig XII. lieſs durch die Vermittelung Philipps von Cleve
52 Feuerschlünde in Mecheln gieſsen, von dem Kaliber, wie es von da ab
in Frankreich adoptiert wurde. Bis in die Mitte des 10. Jahrhunderts
bezog auch England seinen Artilleriebedarf meist aus Flandern.
Mecheln wurde der wichtigste Platz für Geschützgieſserei.
Nach der Chronik von Azevedo 1) hatte man dort erst 1420 mit
dem Guſs von Glocken und Geschütz begonnen und zwar war ein ge-
wisser Jacques Dehornes dort der erste Gieſser. Aber rasch veran-
laſste die günstige Lage der Stadt inmitten der zahlreichen Provinzen,
welche das Erbteil der letzten Herzöge aus dem Hause Burgund
wurden, und die Nähe des Hafens von Antwerpen, mit dem es durch
einen Kanal verbunden war, einen mächtigen Aufschwung dieser neuen
Industrie, die noch gesteigert wurde durch die Vervollkommnung der
Fabrikation selbst. In jener Zeit war der Geschützgieſser Jean de
Malines weit berühmt. Als dann Mecheln an Frankreich fiel, wurden
die Gieſsereien königliche, wenigstens führten mehrere Gieſser unter
Philipp dem Schönen den Titel „Fondeur du roi“ und am 12. Januar
1520 kaufte der Staat die älteste und bedeutendste Gieſserei von
dem berühmten Meister Hans van Neurwerk, genannt Poppen Ruyter,
für 1800 Livres und verwandelte sie in eine Staatsanstalt.
In Flandern scheinen auch zuerst Kanonen mit Schildzapfen auf-
gekommen zu sein, die in den Kriegen Karls des Kühnen gelegentlich
der Schlacht von Granson erwähnt werden, denn in den Liller Rech-
nungen von 1465 werden dieselben bereits aufgeführt. Es wird der
Preis genannt de deux torillons chacun à trois bandes et six crampons
destinés à deux petites serpentines pour le mettre sur leurs travaux
et d’un grand torillon à trois bandes, pour une grande serpentine 2)
(von 2 Schildzapfen, jeder aus 3 Ringen und 6 Klammern für 2 kleine
Feldschlangen u. s. w. auf ihre Gestelle zu legen, und einen groſsen
Schildzapfen aus 3 Ringen für eine groſse Feldschlange).
Wir wissen nicht, in welcher Weise das Eisen zuerst geschmolzen
wurde. Es lassen sich hierüber nur Vermutungen aufstellen. Jeden-
falls war man nicht im stande, so groſse Massen flüssigen Metalls auf
einmal zu erzeugen, wie dies bei dem Bronzeguſs möglich war. Aus
diesem Grunde muſste man sich damit begnügen, nur kleine Geschütze
aus Guſseisen herzustellen. Es ist mit Bestimmtheit anzunehmen, daſs
das Eisen zum Zweck des Gieſsens umgeschmolzen wurde. Die Her-
1) Azevedo, Cronyke van Mechelen.
2) Le Fons Melicocq, D. l’artillerie de
la ville de Lille etc., p. 17.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 916. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/938>, abgerufen am 24.11.2024.
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