Stollen und Kappe (Fig. 283 1)). Das Wort selenaia hat im Spät- griechischen die Bedeutung Hufeisen. Doch kommt es mit dieser Be- deutung erst im 9. Jahrhundert zur Zeit Kaiser Leos vor, wobei be- sonders bemerkt wird, dass man es mit Nägeln befestigte 2). Die früheste Erwähnung in einem deutschen Schriftsteller findet sich im Waltha- rius 3), dessen Abfassung dem 10. Jahrhundert angehört. Es muss hervorgehoben werden, dass, wenn wir von dem Eisen im Grabe Childe- richs absehen, vor dieser Zeit keine Pferdehufeisen in Gräbern mit Sicherheit nachgewiesen sind. Man hat nicht selten Pferdeskelette mit voller Ausrüstung in altdeutschen Gräbern gefunden, so zu Beckum in Westfalen 17 vollständige Skelette, aber stets ohne Hufeisen 4). Ältere Maultiereisen sind dagegen nachgewiesen. Es scheint danach, dass man die Reitpferde im frühen Mittelalter ebensowenig wie früher beschlug und damit erst anfing, als durch die Einführung der ge- schlossenen Eisenrüstungen die ganze Equipierung des Pferdes schwerer wurde. Zahlreicher sind die Nachrichten aus dem 11. Jahrhundert und erscheinen Hufeisen von dieser Zeit an in allgemeinem Gebrauch auch bei der kriegerischen Ausrüstung.
Als Markgraf Bonifaz von Toskana im Jahre 1038 seine Braut heimholte, trieb er solche Verschwendung, dass er, wie berichtet wird, sogar die Hufe der Pferde seines Gefolges mit Silber beschlagen liess und wenn ein silberner Nagel losging, so durfte der Finder ihn behalten.
In Brunos Sachsenkrieg heisst es zum Jahre 1079: Als Godebald (ein tapferer Ritter und Anhänger Heinrichs IV.) seinem neu beschla- genen Pferde den Hinterfuss aufhob, um nachzusehen, ob das Eisen richtig sitze, da schlug ihm das Pferd mit selbigem Fuss an die Stirn, und so schied er aus dem Leben.
Zu Wilhelm des Eroberers Zeit wird des Beschlagens der Pferde bei den Normannen gedacht und Henry des Ferres, der mit Wilhelm nach England kam, soll seinen Namen davon haben. Seine Nach- kommen führten sechs Hufeisen im Wappen.
Im 12. Jahrhundert gab es in Mailand bereits eine öffentliche Taxe für den Hufbeschlag 5).
Alter Aberglaube knüpft sich bei den Germanen an das Hufeisen
1) Dasselbe wurde als ein Stück von hohem Altertume in der Hofschmiede des Herzogs von Nassau in Biebrich a. Rh. verwahrt.
2) Beckmann, Beiträge zur Geschichte der Erfindungen, Bd. III, S. 146 u. s. w.
3) Seu saltem ferrata sonum dare ungula equorum, Walth. p. 1203.
4) Lindenschmit a. a. O. 295.
5) Raumer, Geschichte der Hohenstaufen V, S. 292.
Hufschmiede.
Stollen und Kappe (Fig. 283 1)). Das Wort σεληναία hat im Spät- griechischen die Bedeutung Hufeisen. Doch kommt es mit dieser Be- deutung erst im 9. Jahrhundert zur Zeit Kaiser Leos vor, wobei be- sonders bemerkt wird, daſs man es mit Nägeln befestigte 2). Die früheste Erwähnung in einem deutschen Schriftsteller findet sich im Waltha- rius 3), dessen Abfassung dem 10. Jahrhundert angehört. Es muſs hervorgehoben werden, daſs, wenn wir von dem Eisen im Grabe Childe- richs absehen, vor dieser Zeit keine Pferdehufeisen in Gräbern mit Sicherheit nachgewiesen sind. Man hat nicht selten Pferdeskelette mit voller Ausrüstung in altdeutschen Gräbern gefunden, so zu Beckum in Westfalen 17 vollständige Skelette, aber stets ohne Hufeisen 4). Ältere Maultiereisen sind dagegen nachgewiesen. Es scheint danach, daſs man die Reitpferde im frühen Mittelalter ebensowenig wie früher beschlug und damit erst anfing, als durch die Einführung der ge- schlossenen Eisenrüstungen die ganze Equipierung des Pferdes schwerer wurde. Zahlreicher sind die Nachrichten aus dem 11. Jahrhundert und erscheinen Hufeisen von dieser Zeit an in allgemeinem Gebrauch auch bei der kriegerischen Ausrüstung.
Als Markgraf Bonifaz von Toskana im Jahre 1038 seine Braut heimholte, trieb er solche Verschwendung, daſs er, wie berichtet wird, sogar die Hufe der Pferde seines Gefolges mit Silber beschlagen lieſs und wenn ein silberner Nagel losging, so durfte der Finder ihn behalten.
In Brunos Sachsenkrieg heiſst es zum Jahre 1079: Als Godebald (ein tapferer Ritter und Anhänger Heinrichs IV.) seinem neu beschla- genen Pferde den Hinterfuſs aufhob, um nachzusehen, ob das Eisen richtig sitze, da schlug ihm das Pferd mit selbigem Fuſs an die Stirn, und so schied er aus dem Leben.
Zu Wilhelm des Eroberers Zeit wird des Beschlagens der Pferde bei den Normannen gedacht und Henry des Ferres, der mit Wilhelm nach England kam, soll seinen Namen davon haben. Seine Nach- kommen führten sechs Hufeisen im Wappen.
Im 12. Jahrhundert gab es in Mailand bereits eine öffentliche Taxe für den Hufbeschlag 5).
Alter Aberglaube knüpft sich bei den Germanen an das Hufeisen
1) Dasſelbe wurde als ein Stück von hohem Altertume in der Hofschmiede des Herzogs von Nassau in Biebrich a. Rh. verwahrt.
2) Beckmann, Beiträge zur Geschichte der Erfindungen, Bd. III, S. 146 u. s. w.
3) Seu saltem ferrata sonum dare ungula equorum, Walth. p. 1203.
4) Lindenschmit a. a. O. 295.
5) Raumer, Geschichte der Hohenstaufen V, S. 292.
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[878/0900]
Hufschmiede.
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deutung erst im 9. Jahrhundert zur Zeit Kaiser Leos vor, wobei be-
sonders bemerkt wird, daſs man es mit Nägeln befestigte 2). Die früheste
Erwähnung in einem deutschen Schriftsteller findet sich im Waltha-
rius 3), dessen Abfassung dem 10. Jahrhundert angehört. Es muſs
hervorgehoben werden, daſs, wenn wir von dem Eisen im Grabe Childe-
richs absehen, vor dieser Zeit keine Pferdehufeisen in Gräbern mit
Sicherheit nachgewiesen sind. Man hat nicht selten Pferdeskelette
mit voller Ausrüstung in altdeutschen Gräbern gefunden, so zu Beckum
in Westfalen 17 vollständige Skelette, aber stets ohne Hufeisen 4).
Ältere Maultiereisen sind dagegen nachgewiesen. Es scheint danach,
daſs man die Reitpferde im frühen Mittelalter ebensowenig wie früher
beschlug und damit erst anfing, als durch die Einführung der ge-
schlossenen Eisenrüstungen die ganze Equipierung des Pferdes schwerer
wurde. Zahlreicher sind die Nachrichten aus dem 11. Jahrhundert
und erscheinen Hufeisen von dieser Zeit an in allgemeinem Gebrauch
auch bei der kriegerischen Ausrüstung.
Als Markgraf Bonifaz von Toskana im Jahre 1038 seine Braut
heimholte, trieb er solche Verschwendung, daſs er, wie berichtet
wird, sogar die Hufe der Pferde seines Gefolges mit Silber beschlagen
lieſs und wenn ein silberner Nagel losging, so durfte der Finder ihn
behalten.
In Brunos Sachsenkrieg heiſst es zum Jahre 1079: Als Godebald
(ein tapferer Ritter und Anhänger Heinrichs IV.) seinem neu beschla-
genen Pferde den Hinterfuſs aufhob, um nachzusehen, ob das Eisen
richtig sitze, da schlug ihm das Pferd mit selbigem Fuſs an die
Stirn, und so schied er aus dem Leben.
Zu Wilhelm des Eroberers Zeit wird des Beschlagens der Pferde
bei den Normannen gedacht und Henry des Ferres, der mit Wilhelm
nach England kam, soll seinen Namen davon haben. Seine Nach-
kommen führten sechs Hufeisen im Wappen.
Im 12. Jahrhundert gab es in Mailand bereits eine öffentliche
Taxe für den Hufbeschlag 5).
Alter Aberglaube knüpft sich bei den Germanen an das Hufeisen
1) Dasſelbe wurde als ein Stück von hohem Altertume in der Hofschmiede
des Herzogs von Nassau in Biebrich a. Rh. verwahrt.
2) Beckmann, Beiträge
zur Geschichte der Erfindungen, Bd. III, S. 146 u. s. w.
3) Seu saltem ferrata
sonum dare ungula equorum, Walth. p. 1203.
4) Lindenschmit a. a. O. 295.
5) Raumer, Geschichte der Hohenstaufen V, S. 292.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 878. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/900>, abgerufen am 23.11.2024.
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