"Schwer sollen Siegmunds Mörder empfinden seine Wut Und schwer, wen je gelüstet nach seines Sohnes Blut; Du Mime, Fafners Bruder, bist hier der Erste gleich." Da schwang auf den Meister seine Hand den tödlichen Streich.
Bei diesem Mime im fränkischen Lande lernt Wieland die Waffen- schmiedekunst. Dem eifrigen Jüngling genügte aber dies nicht und so zog er, um die fremde Kunst des Erzschmelzens und die Goldschmiede- kunst zu lernen zu den Zwergen 1).
Ein Berg hiess Glockensachsen 2) und zwei Zwerge wohnten drin In Künsten aufgewachsen zu meisterlichem Sinn. Sie trugen auch die Krone, ein weites Königreich Tief im Erdenschoosse, das diente den Brüdern gleich. Elberich der kleine und König Goldemar, Die hielten in Gehorsam der winzigen Zwerge Schar. Elberich hatte im Schmieden die kunstreichste Hand; So war der König Goldemar das Erz zu schürfen gewandt."
Bei diesen erlernt Wieland so hohe Kunst, dass sie ihn nicht mehr fortlassen wollen und als der alte Wate ihn holen will, suchen sie aus Neid den geschickten Gesellen zu töten. Wieland aber entkommt und tritt das väterliche Erbe an. Hier knüpft nun erst die oben- erwähnte Erzählung an mit der das Buch beginnt. Wieland gewinnt hohe Gunst bei König Neiding durch das wunderbare Schwert Mimung, das er nach seinem Lehrmeister so benannte. Die Veranlassung war folgende:
"Wieland, der unbekannt an die fremde Küste getrieben wurde, trat als geringer Diener unter dem Namen "Goldbrand" bei Neiding in Dienst. Seine Aufgabe war, drei scharfe Messer, die der König täglich an der Tafel benutzte, am Strande zu waschen. Eines Tages fiel eins in das Wasser und ging verloren. Um seinen Dienst nicht zu verlieren, schlich er sich während der Frühstücksstunde in die Schmiede des hochangesehenen Hofschmiedes Amilias, schmiedete ein Messer und einen kunstvollen Nagel ehe noch die Gesellen wieder zur Arbeit gingen. Das Messer sah genau aus wie das verlorene, aber als der König damit schneiden wollte, durchschnitt es das Brot, den Silber- teller, das Tischtuch und die Tafel. Der König merkte sogleich, dass dies ein anderes, weit besseres Messer war, wie es Amilias nicht machen konnte. Daraus entsprang eine Wette zwischen Wieland und Amilias. Letzterer, der sie anbot, sagte:
"Mache du ein Schwert, Du weisst den Stahl zu schärfen, das hat dein Messer gelehrt; So schmied ich eine Rüstung, Harnisch und Helm, Dazu die Panzerhosen und heiss mich einen Schelm
1) a. a. O. S. 109.
2) Der Kaukasus.
Die Germanen.
„Schwer sollen Siegmunds Mörder empfinden seine Wut Und schwer, wen je gelüstet nach seines Sohnes Blut; Du Mime, Fafners Bruder, bist hier der Erste gleich.“ Da schwang auf den Meister seine Hand den tödlichen Streich.
Bei diesem Mime im fränkischen Lande lernt Wieland die Waffen- schmiedekunst. Dem eifrigen Jüngling genügte aber dies nicht und so zog er, um die fremde Kunst des Erzschmelzens und die Goldschmiede- kunst zu lernen zu den Zwergen 1).
Ein Berg hieſs Glockensachsen 2) und zwei Zwerge wohnten drin In Künsten aufgewachsen zu meisterlichem Sinn. Sie trugen auch die Krone, ein weites Königreich Tief im Erdenschooſse, das diente den Brüdern gleich. Elberich der kleine und König Goldemar, Die hielten in Gehorsam der winzigen Zwerge Schar. Elberich hatte im Schmieden die kunstreichste Hand; So war der König Goldemar das Erz zu schürfen gewandt.“
Bei diesen erlernt Wieland so hohe Kunst, daſs sie ihn nicht mehr fortlassen wollen und als der alte Wate ihn holen will, suchen sie aus Neid den geschickten Gesellen zu töten. Wieland aber entkommt und tritt das väterliche Erbe an. Hier knüpft nun erst die oben- erwähnte Erzählung an mit der das Buch beginnt. Wieland gewinnt hohe Gunst bei König Neiding durch das wunderbare Schwert Mimung, das er nach seinem Lehrmeister so benannte. Die Veranlassung war folgende:
„Wieland, der unbekannt an die fremde Küste getrieben wurde, trat als geringer Diener unter dem Namen „Goldbrand“ bei Neiding in Dienst. Seine Aufgabe war, drei scharfe Messer, die der König täglich an der Tafel benutzte, am Strande zu waschen. Eines Tages fiel eins in das Wasser und ging verloren. Um seinen Dienst nicht zu verlieren, schlich er sich während der Frühstücksstunde in die Schmiede des hochangesehenen Hofschmiedes Amilias, schmiedete ein Messer und einen kunstvollen Nagel ehe noch die Gesellen wieder zur Arbeit gingen. Das Messer sah genau aus wie das verlorene, aber als der König damit schneiden wollte, durchschnitt es das Brot, den Silber- teller, das Tischtuch und die Tafel. Der König merkte sogleich, daſs dies ein anderes, weit besseres Messer war, wie es Amilias nicht machen konnte. Daraus entsprang eine Wette zwischen Wieland und Amilias. Letzterer, der sie anbot, sagte:
„Mache du ein Schwert, Du weiſst den Stahl zu schärfen, das hat dein Messer gelehrt; So schmied ich eine Rüstung, Harnisch und Helm, Dazu die Panzerhosen und heiſs mich einen Schelm
1) a. a. O. S. 109.
2) Der Kaukasus.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><l><pbfacs="#f0712"n="690"/></l><fwplace="top"type="header">Die Germanen.</fw><lb/><lgn="4"><l>„Schwer sollen Siegmunds Mörder empfinden seine Wut</l><lb/><l>Und schwer, wen je gelüstet nach seines Sohnes Blut;</l><lb/><l>Du Mime, Fafners Bruder, bist hier der Erste gleich.“</l><lb/><l>Da schwang auf den Meister seine Hand den tödlichen Streich.</l></lg></lg><lb/><p>Bei diesem Mime im fränkischen Lande lernt Wieland die Waffen-<lb/>
schmiedekunst. Dem eifrigen Jüngling genügte aber dies nicht und so<lb/>
zog er, um die fremde Kunst des Erzschmelzens und die Goldschmiede-<lb/>
kunst zu lernen zu den Zwergen <noteplace="foot"n="1)">a. a. O. S. 109.</note>.</p><lb/><lgtype="poem"><lgn="1"><l>Ein Berg hieſs Glockensachsen <noteplace="foot"n="2)">Der Kaukasus.</note> und zwei Zwerge wohnten drin</l><lb/><l>In Künsten aufgewachsen zu meisterlichem Sinn.</l><lb/><l>Sie trugen auch die Krone, ein weites Königreich</l><lb/><l>Tief im Erdenschooſse, das diente den Brüdern gleich.</l><lb/><l>Elberich der kleine und König Goldemar,</l><lb/><l>Die hielten in Gehorsam der winzigen Zwerge Schar.</l><lb/><l>Elberich hatte im Schmieden die kunstreichste Hand;</l><lb/><l>So war der König Goldemar das Erz zu schürfen gewandt.“</l></lg></lg><lb/><p>Bei diesen erlernt Wieland so hohe Kunst, daſs sie ihn nicht mehr<lb/>
fortlassen wollen und als der alte Wate ihn holen will, suchen sie aus<lb/>
Neid den geschickten Gesellen zu töten. Wieland aber entkommt<lb/>
und tritt das väterliche Erbe an. Hier knüpft nun erst die oben-<lb/>
erwähnte Erzählung an mit der das Buch beginnt. Wieland gewinnt<lb/>
hohe Gunst bei König Neiding durch das wunderbare Schwert Mimung,<lb/>
das er nach seinem Lehrmeister so benannte. Die Veranlassung war<lb/>
folgende:</p><lb/><p>„Wieland, der unbekannt an die fremde Küste getrieben wurde,<lb/>
trat als geringer Diener unter dem Namen „Goldbrand“ bei Neiding<lb/>
in Dienst. Seine Aufgabe war, drei scharfe Messer, die der König<lb/>
täglich an der Tafel benutzte, am Strande zu waschen. Eines Tages<lb/>
fiel eins in das Wasser und ging verloren. Um seinen Dienst nicht zu<lb/>
verlieren, schlich er sich während der Frühstücksstunde in die Schmiede<lb/>
des hochangesehenen Hofschmiedes Amilias, schmiedete ein Messer und<lb/>
einen kunstvollen Nagel ehe noch die Gesellen wieder zur Arbeit<lb/>
gingen. Das Messer sah genau aus wie das verlorene, aber als der<lb/>
König damit schneiden wollte, durchschnitt es das Brot, den Silber-<lb/>
teller, das Tischtuch und die Tafel. Der König merkte sogleich, daſs<lb/>
dies ein anderes, weit besseres Messer war, wie es Amilias nicht<lb/>
machen konnte. Daraus entsprang eine Wette zwischen Wieland und<lb/>
Amilias. Letzterer, der sie anbot, sagte:</p><lb/><lgtype="poem"><lgn="1"><l>„Mache du ein Schwert,</l><lb/><l>Du weiſst den Stahl zu schärfen, das hat dein Messer gelehrt;</l><lb/><l>So schmied ich eine Rüstung, Harnisch und Helm,</l><lb/><l>Dazu die Panzerhosen und heiſs mich einen Schelm</l></lg><lb/><l></l></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[690/0712]
Die Germanen.
„Schwer sollen Siegmunds Mörder empfinden seine Wut
Und schwer, wen je gelüstet nach seines Sohnes Blut;
Du Mime, Fafners Bruder, bist hier der Erste gleich.“
Da schwang auf den Meister seine Hand den tödlichen Streich.
Bei diesem Mime im fränkischen Lande lernt Wieland die Waffen-
schmiedekunst. Dem eifrigen Jüngling genügte aber dies nicht und so
zog er, um die fremde Kunst des Erzschmelzens und die Goldschmiede-
kunst zu lernen zu den Zwergen 1).
Ein Berg hieſs Glockensachsen 2) und zwei Zwerge wohnten drin
In Künsten aufgewachsen zu meisterlichem Sinn.
Sie trugen auch die Krone, ein weites Königreich
Tief im Erdenschooſse, das diente den Brüdern gleich.
Elberich der kleine und König Goldemar,
Die hielten in Gehorsam der winzigen Zwerge Schar.
Elberich hatte im Schmieden die kunstreichste Hand;
So war der König Goldemar das Erz zu schürfen gewandt.“
Bei diesen erlernt Wieland so hohe Kunst, daſs sie ihn nicht mehr
fortlassen wollen und als der alte Wate ihn holen will, suchen sie aus
Neid den geschickten Gesellen zu töten. Wieland aber entkommt
und tritt das väterliche Erbe an. Hier knüpft nun erst die oben-
erwähnte Erzählung an mit der das Buch beginnt. Wieland gewinnt
hohe Gunst bei König Neiding durch das wunderbare Schwert Mimung,
das er nach seinem Lehrmeister so benannte. Die Veranlassung war
folgende:
„Wieland, der unbekannt an die fremde Küste getrieben wurde,
trat als geringer Diener unter dem Namen „Goldbrand“ bei Neiding
in Dienst. Seine Aufgabe war, drei scharfe Messer, die der König
täglich an der Tafel benutzte, am Strande zu waschen. Eines Tages
fiel eins in das Wasser und ging verloren. Um seinen Dienst nicht zu
verlieren, schlich er sich während der Frühstücksstunde in die Schmiede
des hochangesehenen Hofschmiedes Amilias, schmiedete ein Messer und
einen kunstvollen Nagel ehe noch die Gesellen wieder zur Arbeit
gingen. Das Messer sah genau aus wie das verlorene, aber als der
König damit schneiden wollte, durchschnitt es das Brot, den Silber-
teller, das Tischtuch und die Tafel. Der König merkte sogleich, daſs
dies ein anderes, weit besseres Messer war, wie es Amilias nicht
machen konnte. Daraus entsprang eine Wette zwischen Wieland und
Amilias. Letzterer, der sie anbot, sagte:
„Mache du ein Schwert,
Du weiſst den Stahl zu schärfen, das hat dein Messer gelehrt;
So schmied ich eine Rüstung, Harnisch und Helm,
Dazu die Panzerhosen und heiſs mich einen Schelm
1) a. a. O. S. 109.
2) Der Kaukasus.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 690. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/712>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.