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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Das frühe Mittelalter.
dass es 12 bis 16 Meilen westlich von Gloucester gelegen ist, in einer
Hügelkette, die sich südlich von May Hill bis nach dem Severn zieht.
In diesen Höhen findet sich das Eisenerz (Roteisenstein) ausschliesslich,
weshalb alle Gruben, alte wie neue, auf sie beschränkt sind, während
die weitere Verarbeitung, das Ausschmelzen des Eisens aus den Erzen,
in verschiedenen Lokalitäten der Umgegend betrieben wurde. Es
wird meine Aufgabe sein, zunächst von den Aushöhlungen (Gruben)
in dem Eisenstein führenden Kalkgebirge, welche von den Arbeiten
der prähistorischen Bergleute Zeugnis ablegen, eine Beschreibung zu
geben, sodann die Art und die Ablagerung der Eisenschlacken, welche
sich in diesem Bergwerksreviere finden, zu schildern und zuletzt eine
möglichst vollständige Schilderung der Geschichte der Eisenwerke des
Forest of Dean mitzuteilen.

Was den Charakter der Gruben anlangt, so gleichen sie entweder
tiefen und winkeligen Steinbrüchen, wie bei Beam, oder geräumigen
Höhlen, die meist weit fortlaufen, in der unberechenbarsten und über-
raschendsten Richtung und Gestalt. So laufen sie oft eine lange
Strecke fort, vielleicht kaum mehr als eine Elle hoch und breit, dann
öffnen sie sich plötzlich zu geräumigen Gewölben bis zu 15 Fuss weit,
wahrscheinlich deshalb, weil hier ein reiches Mittel oder ein Erzstock
anstand, um darauf wieder da, wo der Reichtum aufgehört hatte, sich
so zu verengen, dass kaum ein Mensch durchkriechen konnte. Manch-
mal teilt sich die Strecke und vereinigt sich wieder, hört plötzlich
ganz auf oder wendet sich in scharfem Winkel nach einer anderen
Seite, manchmal stürzt oder fällt sie, mittels roher Stufen, die in den
Felsen eingehauen sind, auf denen die Bergleute auf und ab klettern
mussten, während sich an anderen Plätzen noch Bruchstücke halb ver-
sinterter Holzleitern finden. Diese unterirdischen Aushöhlungen finden
sich zahlreich nach allen Seiten des Forest of Dean hin. So ist der
jetzige Anblick dieser Gruben, und dass sie vor 100 Jahren gerade so
aussahen, bestätigt Wyrrall (1780). Er schreibt:

"Hier sind, tief in der Erde, ausgedehnte Höhlen von Menschen-
händen gegraben, so geräumig, wie das Schiff einer Kirche, und an der
Oberfläche finden sich labyrinthische Gänge zwischen dem Gestein, jetzt
längst von Wald überwachsen. Wer sie verfolgt, muss erstaunt sie
mehr für die Arbeit von Armeeen als die einzelner Menschen halten.
Gewiss waren sie die Arbeit vieler Jahrhunderte, und vielleicht längst,
ehe man daran dachte, das Erz im Eingeweide der Erde zu suchen,
wohin sie indessen bald dringen mussten, sobald es sich herausstellte,
dass die Adern an der Oberfläche erschöpft waren."


Das frühe Mittelalter.
daſs es 12 bis 16 Meilen westlich von Gloucester gelegen ist, in einer
Hügelkette, die sich südlich von May Hill bis nach dem Severn zieht.
In diesen Höhen findet sich das Eisenerz (Roteisenstein) ausschlieſslich,
weshalb alle Gruben, alte wie neue, auf sie beschränkt sind, während
die weitere Verarbeitung, das Ausschmelzen des Eisens aus den Erzen,
in verschiedenen Lokalitäten der Umgegend betrieben wurde. Es
wird meine Aufgabe sein, zunächst von den Aushöhlungen (Gruben)
in dem Eisenstein führenden Kalkgebirge, welche von den Arbeiten
der prähistorischen Bergleute Zeugnis ablegen, eine Beschreibung zu
geben, sodann die Art und die Ablagerung der Eisenschlacken, welche
sich in diesem Bergwerksreviere finden, zu schildern und zuletzt eine
möglichst vollständige Schilderung der Geschichte der Eisenwerke des
Forest of Dean mitzuteilen.

Was den Charakter der Gruben anlangt, so gleichen sie entweder
tiefen und winkeligen Steinbrüchen, wie bei Beam, oder geräumigen
Höhlen, die meist weit fortlaufen, in der unberechenbarsten und über-
raschendsten Richtung und Gestalt. So laufen sie oft eine lange
Strecke fort, vielleicht kaum mehr als eine Elle hoch und breit, dann
öffnen sie sich plötzlich zu geräumigen Gewölben bis zu 15 Fuſs weit,
wahrscheinlich deshalb, weil hier ein reiches Mittel oder ein Erzstock
anstand, um darauf wieder da, wo der Reichtum aufgehört hatte, sich
so zu verengen, daſs kaum ein Mensch durchkriechen konnte. Manch-
mal teilt sich die Strecke und vereinigt sich wieder, hört plötzlich
ganz auf oder wendet sich in scharfem Winkel nach einer anderen
Seite, manchmal stürzt oder fällt sie, mittels roher Stufen, die in den
Felsen eingehauen sind, auf denen die Bergleute auf und ab klettern
muſsten, während sich an anderen Plätzen noch Bruchstücke halb ver-
sinterter Holzleitern finden. Diese unterirdischen Aushöhlungen finden
sich zahlreich nach allen Seiten des Forest of Dean hin. So ist der
jetzige Anblick dieser Gruben, und daſs sie vor 100 Jahren gerade so
aussahen, bestätigt Wyrrall (1780). Er schreibt:

„Hier sind, tief in der Erde, ausgedehnte Höhlen von Menschen-
händen gegraben, so geräumig, wie das Schiff einer Kirche, und an der
Oberfläche finden sich labyrinthische Gänge zwischen dem Gestein, jetzt
längst von Wald überwachsen. Wer sie verfolgt, muſs erstaunt sie
mehr für die Arbeit von Armeeen als die einzelner Menschen halten.
Gewiſs waren sie die Arbeit vieler Jahrhunderte, und vielleicht längst,
ehe man daran dachte, das Erz im Eingeweide der Erde zu suchen,
wohin sie indessen bald dringen muſsten, sobald es sich herausstellte,
daſs die Adern an der Oberfläche erschöpft waren.“


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[676/0698] Das frühe Mittelalter. daſs es 12 bis 16 Meilen westlich von Gloucester gelegen ist, in einer Hügelkette, die sich südlich von May Hill bis nach dem Severn zieht. In diesen Höhen findet sich das Eisenerz (Roteisenstein) ausschlieſslich, weshalb alle Gruben, alte wie neue, auf sie beschränkt sind, während die weitere Verarbeitung, das Ausschmelzen des Eisens aus den Erzen, in verschiedenen Lokalitäten der Umgegend betrieben wurde. Es wird meine Aufgabe sein, zunächst von den Aushöhlungen (Gruben) in dem Eisenstein führenden Kalkgebirge, welche von den Arbeiten der prähistorischen Bergleute Zeugnis ablegen, eine Beschreibung zu geben, sodann die Art und die Ablagerung der Eisenschlacken, welche sich in diesem Bergwerksreviere finden, zu schildern und zuletzt eine möglichst vollständige Schilderung der Geschichte der Eisenwerke des Forest of Dean mitzuteilen. Was den Charakter der Gruben anlangt, so gleichen sie entweder tiefen und winkeligen Steinbrüchen, wie bei Beam, oder geräumigen Höhlen, die meist weit fortlaufen, in der unberechenbarsten und über- raschendsten Richtung und Gestalt. So laufen sie oft eine lange Strecke fort, vielleicht kaum mehr als eine Elle hoch und breit, dann öffnen sie sich plötzlich zu geräumigen Gewölben bis zu 15 Fuſs weit, wahrscheinlich deshalb, weil hier ein reiches Mittel oder ein Erzstock anstand, um darauf wieder da, wo der Reichtum aufgehört hatte, sich so zu verengen, daſs kaum ein Mensch durchkriechen konnte. Manch- mal teilt sich die Strecke und vereinigt sich wieder, hört plötzlich ganz auf oder wendet sich in scharfem Winkel nach einer anderen Seite, manchmal stürzt oder fällt sie, mittels roher Stufen, die in den Felsen eingehauen sind, auf denen die Bergleute auf und ab klettern muſsten, während sich an anderen Plätzen noch Bruchstücke halb ver- sinterter Holzleitern finden. Diese unterirdischen Aushöhlungen finden sich zahlreich nach allen Seiten des Forest of Dean hin. So ist der jetzige Anblick dieser Gruben, und daſs sie vor 100 Jahren gerade so aussahen, bestätigt Wyrrall (1780). Er schreibt: „Hier sind, tief in der Erde, ausgedehnte Höhlen von Menschen- händen gegraben, so geräumig, wie das Schiff einer Kirche, und an der Oberfläche finden sich labyrinthische Gänge zwischen dem Gestein, jetzt längst von Wald überwachsen. Wer sie verfolgt, muſs erstaunt sie mehr für die Arbeit von Armeeen als die einzelner Menschen halten. Gewiſs waren sie die Arbeit vieler Jahrhunderte, und vielleicht längst, ehe man daran dachte, das Erz im Eingeweide der Erde zu suchen, wohin sie indessen bald dringen muſsten, sobald es sich herausstellte, daſs die Adern an der Oberfläche erschöpft waren.“

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 676. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/698>, abgerufen am 29.06.2024.