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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Das frühe Mittelalter.
zu vielen technisch-archäologischen Untersuchungen. Wenn auch die-
selben zum Teil nur als Anfänge zu betrachten sind, so werfen sie
doch schon manchen Lichtschein auf dieses dunkele und wenig ge-
würdigte Gebiet. Dass die Gallier in hervorragender Weise sich des
Eisens bedienten, selbst zu einer Zeit, als die Römer noch arm daran
waren, geht unter anderem aus der überlieferten Schilderung von dem
Feldzuge des Brennus hervor. Polybios und Livius berichten hierüber
in gleichem Sinne 1). Danach soll der übermütige Brennus, als er
390 v. Chr. Rom eingenommen hatte, sein gewaltiges Eisenschwert
auf die Wagschale geworfen haben, um den Tribut, den die Römer
in Gold zahlen mussten, zu vergrössern. Das gallische Schwert (spatha)
war ein langes Hauschwert. Livius berichtet 2), dass sie sehr lang und
von Eisen wären. Ihre Speere seien wie die der Keltiberer, aber ihre
Schwerter verschieden, die der Gallier wären sehr lang und ohne
Spitze (sine mucrone), das spanische Schwert aber, das mehr zum
Stoss als zum Hieb verwendet werde, sei kürzer und spitz. Die
gallischen Schwerter hingen an eisernen oder metallenen Ketten an
der rechten Hüfte, sie gaben wuchtige Hiebe, aber die Waffe war
unbeholfen, denn um einen wirksamen Hieb zu führen, musste der
Kämpfende weit ausfahren. Die Wucht der Schwerthiebe erfüllte
die römischen Soldaten mit Schrecken. "Nach Barbarenart ohne
alle Fechtkunst zuschlagend, hieben sie ganze Arme und zumeist die
Köpfe herunter 3)". Cäsar erzählt, dass seine Soldaten anfangs nicht
geringe Furcht vor den gewaltigen Schwertern der Gallier hatten, bis
sie erkannten, dass sie bei raschem Aufdringen zum dichten Hand-
gemenge mit ihren kurzen Stossschwertern entschieden im Vorteil
waren. Denn einesteils waren die Gallier im Gedränge nicht im stande
genügend auszuholen, anderenteils waren die Schwerter von so weichem
Eisen, dass sie sich nach zwei bis drei Hieben krumm gebogen hatten
und nutzlos in ihren Händen standen. Der Kämpfende musste sie
dann erst mit dem Fusse wieder gerade richten, während welcher
Operation er jedem Angriff wehrlos ausgesetzt war. Cäsar berichtet
ferner, dass die Schwerter nur mangelhaft im Heft befestigt gewesen
wären, so dass sie bei wuchtigen Hieben oft herausflogen.

Das Eisen spielte nach den Berichten der alten Geschichtsschreiber
auch bei der übrigen Bewaffnung der Gallier eine hervorragende Rolle.
So galten die Ringelpanzer bei den Römern als eine gallische Erfin-
dung. Diodor erwähnt 4), dass manche Eisenpanzer trügen, die mit

1) Polyb. III, 114. Liv. XXII, 46.
2) Livius XXII, 46.
3) Plutarch
Camillus.
4) Diodor V, 30.

Das frühe Mittelalter.
zu vielen technisch-archäologischen Untersuchungen. Wenn auch die-
selben zum Teil nur als Anfänge zu betrachten sind, so werfen sie
doch schon manchen Lichtschein auf dieses dunkele und wenig ge-
würdigte Gebiet. Daſs die Gallier in hervorragender Weise sich des
Eisens bedienten, selbst zu einer Zeit, als die Römer noch arm daran
waren, geht unter anderem aus der überlieferten Schilderung von dem
Feldzuge des Brennus hervor. Polybios und Livius berichten hierüber
in gleichem Sinne 1). Danach soll der übermütige Brennus, als er
390 v. Chr. Rom eingenommen hatte, sein gewaltiges Eisenschwert
auf die Wagschale geworfen haben, um den Tribut, den die Römer
in Gold zahlen muſsten, zu vergröſsern. Das gallische Schwert (spatha)
war ein langes Hauschwert. Livius berichtet 2), daſs sie sehr lang und
von Eisen wären. Ihre Speere seien wie die der Keltiberer, aber ihre
Schwerter verschieden, die der Gallier wären sehr lang und ohne
Spitze (sine mucrone), das spanische Schwert aber, das mehr zum
Stoſs als zum Hieb verwendet werde, sei kürzer und spitz. Die
gallischen Schwerter hingen an eisernen oder metallenen Ketten an
der rechten Hüfte, sie gaben wuchtige Hiebe, aber die Waffe war
unbeholfen, denn um einen wirksamen Hieb zu führen, muſste der
Kämpfende weit ausfahren. Die Wucht der Schwerthiebe erfüllte
die römischen Soldaten mit Schrecken. „Nach Barbarenart ohne
alle Fechtkunst zuschlagend, hieben sie ganze Arme und zumeist die
Köpfe herunter 3)“. Cäsar erzählt, daſs seine Soldaten anfangs nicht
geringe Furcht vor den gewaltigen Schwertern der Gallier hatten, bis
sie erkannten, daſs sie bei raschem Aufdringen zum dichten Hand-
gemenge mit ihren kurzen Stoſsschwertern entschieden im Vorteil
waren. Denn einesteils waren die Gallier im Gedränge nicht im stande
genügend auszuholen, anderenteils waren die Schwerter von so weichem
Eisen, daſs sie sich nach zwei bis drei Hieben krumm gebogen hatten
und nutzlos in ihren Händen standen. Der Kämpfende muſste sie
dann erst mit dem Fuſse wieder gerade richten, während welcher
Operation er jedem Angriff wehrlos ausgesetzt war. Cäsar berichtet
ferner, daſs die Schwerter nur mangelhaft im Heft befestigt gewesen
wären, so daſs sie bei wuchtigen Hieben oft herausflogen.

Das Eisen spielte nach den Berichten der alten Geschichtsschreiber
auch bei der übrigen Bewaffnung der Gallier eine hervorragende Rolle.
So galten die Ringelpanzer bei den Römern als eine gallische Erfin-
dung. Diodor erwähnt 4), daſs manche Eisenpanzer trügen, die mit

1) Polyb. III, 114. Liv. XXII, 46.
2) Livius XXII, 46.
3) Plutarch
Camillus.
4) Diodor V, 30.
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[656/0678] Das frühe Mittelalter. zu vielen technisch-archäologischen Untersuchungen. Wenn auch die- selben zum Teil nur als Anfänge zu betrachten sind, so werfen sie doch schon manchen Lichtschein auf dieses dunkele und wenig ge- würdigte Gebiet. Daſs die Gallier in hervorragender Weise sich des Eisens bedienten, selbst zu einer Zeit, als die Römer noch arm daran waren, geht unter anderem aus der überlieferten Schilderung von dem Feldzuge des Brennus hervor. Polybios und Livius berichten hierüber in gleichem Sinne 1). Danach soll der übermütige Brennus, als er 390 v. Chr. Rom eingenommen hatte, sein gewaltiges Eisenschwert auf die Wagschale geworfen haben, um den Tribut, den die Römer in Gold zahlen muſsten, zu vergröſsern. Das gallische Schwert (spatha) war ein langes Hauschwert. Livius berichtet 2), daſs sie sehr lang und von Eisen wären. Ihre Speere seien wie die der Keltiberer, aber ihre Schwerter verschieden, die der Gallier wären sehr lang und ohne Spitze (sine mucrone), das spanische Schwert aber, das mehr zum Stoſs als zum Hieb verwendet werde, sei kürzer und spitz. Die gallischen Schwerter hingen an eisernen oder metallenen Ketten an der rechten Hüfte, sie gaben wuchtige Hiebe, aber die Waffe war unbeholfen, denn um einen wirksamen Hieb zu führen, muſste der Kämpfende weit ausfahren. Die Wucht der Schwerthiebe erfüllte die römischen Soldaten mit Schrecken. „Nach Barbarenart ohne alle Fechtkunst zuschlagend, hieben sie ganze Arme und zumeist die Köpfe herunter 3)“. Cäsar erzählt, daſs seine Soldaten anfangs nicht geringe Furcht vor den gewaltigen Schwertern der Gallier hatten, bis sie erkannten, daſs sie bei raschem Aufdringen zum dichten Hand- gemenge mit ihren kurzen Stoſsschwertern entschieden im Vorteil waren. Denn einesteils waren die Gallier im Gedränge nicht im stande genügend auszuholen, anderenteils waren die Schwerter von so weichem Eisen, daſs sie sich nach zwei bis drei Hieben krumm gebogen hatten und nutzlos in ihren Händen standen. Der Kämpfende muſste sie dann erst mit dem Fuſse wieder gerade richten, während welcher Operation er jedem Angriff wehrlos ausgesetzt war. Cäsar berichtet ferner, daſs die Schwerter nur mangelhaft im Heft befestigt gewesen wären, so daſs sie bei wuchtigen Hieben oft herausflogen. Das Eisen spielte nach den Berichten der alten Geschichtsschreiber auch bei der übrigen Bewaffnung der Gallier eine hervorragende Rolle. So galten die Ringelpanzer bei den Römern als eine gallische Erfin- dung. Diodor erwähnt 4), daſs manche Eisenpanzer trügen, die mit 1) Polyb. III, 114. Liv. XXII, 46. 2) Livius XXII, 46. 3) Plutarch Camillus. 4) Diodor V, 30.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 656. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/678>, abgerufen am 22.11.2024.