Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite
Gallien.

Ausser zur Bewaffnung wurde das Eisen bei den Keltiberern unter
anderem auch als Schmuck gebraucht. Artemidorus erzählt 1), dass
die keltiberischen Frauen eiserne Halsbänder trugen mit einem weit
über den Scheitel gebogenen und weit über die Stirn vorragenden
Reifen und von den daran befindlichen Haken zogen sie, wenn es ihnen
gefiel, den Schleier herab, so dass er ausgebreitet, dem Gesicht als
Schattendach diente.

Die archäologischen Aufschlüsse über die Vergangenheit Spaniens
sind noch sehr dürftig. Viel ist noch hierin zu thun. Der Reichtum
der karthageniensischen, römischen und maurischen Zeit ist verschwun-
den und doch haben gewiss jene Völker nicht alle mineralischen
Schätze dem Boden entzogen. Es wäre also gerade in Spanien doppelt
geboten, den Resten vergangener Zeit nachzuspüren, da diese die Weg-
weiser sind für noch viele zu hebende Schätze, die im Boden ver-
steckt sind.

Gallien.

Wenn der Bätis die belebende Ader Hispaniens war, durch welche
vom Mittelmeere aus, oder, wie die klassischen Schriftsteller zu sagen
pflegen, von "unserem Meere" aus Handel, Industrie und Gesittung in
das Innere der iberischen Halbinsel getragen wurde, so war dasselbe
in noch höherem Masse der Fall bei dem Rhodanus, der Lebensader des
alten Galliens. Die Rhone vermittelte den riesigen Binnenhandel
zwischen dem Mittelmeere und der Nordsee, zwischen Nord- und Süd-
europa. Früher spielte der Po diese wichtige Rolle, der den Phöniziern,
als sie noch auf Küstenschiffahrt sich beschränkten, weit näher lag.
Damals ging der wichtige Landhandel von Südfrankreich den Küsten-
saum entlang nach Italien. Massilia wurde verhältnismässig spät ge-
gründet. Allen Überlieferungen nach war es eine Ansiedelung der
Phokäer, welche von den Persern gedrängt, 560 v. Chr. unter der
Führung von Simos und Protis auswanderten und die Stadt, die rasch
emporblühte, gründeten. Es lässt sich wohl annehmen, dass schon vor
dieser Zeit Handelsbeziehungen zwischen dem Orient und Gallien be-
standen, dass phönizische Kaufleute schon ihre Handelsverbindung
namentlich mit den uralten Städten Narbo und Arelate pflegten. Die
Gründung Massilias aber war von der weittragendsten Bedeutung. Nicht

1) Strabo 164.
Gallien.

Auſser zur Bewaffnung wurde das Eisen bei den Keltiberern unter
anderem auch als Schmuck gebraucht. Artemidorus erzählt 1), daſs
die keltiberischen Frauen eiserne Halsbänder trugen mit einem weit
über den Scheitel gebogenen und weit über die Stirn vorragenden
Reifen und von den daran befindlichen Haken zogen sie, wenn es ihnen
gefiel, den Schleier herab, so daſs er ausgebreitet, dem Gesicht als
Schattendach diente.

Die archäologischen Aufschlüsse über die Vergangenheit Spaniens
sind noch sehr dürftig. Viel ist noch hierin zu thun. Der Reichtum
der karthageniensischen, römischen und maurischen Zeit ist verschwun-
den und doch haben gewiſs jene Völker nicht alle mineralischen
Schätze dem Boden entzogen. Es wäre also gerade in Spanien doppelt
geboten, den Resten vergangener Zeit nachzuspüren, da diese die Weg-
weiser sind für noch viele zu hebende Schätze, die im Boden ver-
steckt sind.

Gallien.

Wenn der Bätis die belebende Ader Hispaniens war, durch welche
vom Mittelmeere aus, oder, wie die klassischen Schriftsteller zu sagen
pflegen, von „unserem Meere“ aus Handel, Industrie und Gesittung in
das Innere der iberischen Halbinsel getragen wurde, so war dasſelbe
in noch höherem Maſse der Fall bei dem Rhodanus, der Lebensader des
alten Galliens. Die Rhone vermittelte den riesigen Binnenhandel
zwischen dem Mittelmeere und der Nordsee, zwischen Nord- und Süd-
europa. Früher spielte der Po diese wichtige Rolle, der den Phöniziern,
als sie noch auf Küstenschiffahrt sich beschränkten, weit näher lag.
Damals ging der wichtige Landhandel von Südfrankreich den Küsten-
saum entlang nach Italien. Massilia wurde verhältnismäſsig spät ge-
gründet. Allen Überlieferungen nach war es eine Ansiedelung der
Phokäer, welche von den Persern gedrängt, 560 v. Chr. unter der
Führung von Simos und Protis auswanderten und die Stadt, die rasch
emporblühte, gründeten. Es läſst sich wohl annehmen, daſs schon vor
dieser Zeit Handelsbeziehungen zwischen dem Orient und Gallien be-
standen, daſs phönizische Kaufleute schon ihre Handelsverbindung
namentlich mit den uralten Städten Narbo und Arelate pflegten. Die
Gründung Massilias aber war von der weittragendsten Bedeutung. Nicht

1) Strabo 164.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0675" n="653"/>
            <fw place="top" type="header">Gallien.</fw><lb/>
            <p>Au&#x017F;ser zur Bewaffnung wurde das Eisen bei den Keltiberern unter<lb/>
anderem auch als Schmuck gebraucht. Artemidorus erzählt <note place="foot" n="1)">Strabo 164.</note>, da&#x017F;s<lb/>
die keltiberischen Frauen eiserne Halsbänder trugen mit einem weit<lb/>
über den Scheitel gebogenen und weit über die Stirn vorragenden<lb/>
Reifen und von den daran befindlichen Haken zogen sie, wenn es ihnen<lb/>
gefiel, den Schleier herab, so da&#x017F;s er ausgebreitet, dem Gesicht als<lb/>
Schattendach diente.</p><lb/>
            <p>Die archäologischen Aufschlüsse über die Vergangenheit Spaniens<lb/>
sind noch sehr dürftig. Viel ist noch hierin zu thun. Der Reichtum<lb/>
der karthageniensischen, römischen und maurischen Zeit ist verschwun-<lb/>
den und doch haben gewi&#x017F;s jene Völker nicht alle mineralischen<lb/>
Schätze dem Boden entzogen. Es wäre also gerade in Spanien doppelt<lb/>
geboten, den Resten vergangener Zeit nachzuspüren, da diese die Weg-<lb/>
weiser sind für noch viele zu hebende Schätze, die im Boden ver-<lb/>
steckt sind.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#g">Gallien</hi>.</head><lb/>
            <p>Wenn der Bätis die belebende Ader Hispaniens war, durch welche<lb/>
vom Mittelmeere aus, oder, wie die klassischen Schriftsteller zu sagen<lb/>
pflegen, von &#x201E;unserem Meere&#x201C; aus Handel, Industrie und Gesittung in<lb/>
das Innere der iberischen Halbinsel getragen wurde, so war das&#x017F;elbe<lb/>
in noch höherem Ma&#x017F;se der Fall bei dem Rhodanus, der Lebensader des<lb/>
alten Galliens. Die Rhone vermittelte den riesigen Binnenhandel<lb/>
zwischen dem Mittelmeere und der Nordsee, zwischen Nord- und Süd-<lb/>
europa. Früher spielte der Po diese wichtige Rolle, der den Phöniziern,<lb/>
als sie noch auf Küstenschiffahrt sich beschränkten, weit näher lag.<lb/>
Damals ging der wichtige Landhandel von Südfrankreich den Küsten-<lb/>
saum entlang nach Italien. Massilia wurde verhältnismä&#x017F;sig spät ge-<lb/>
gründet. Allen Überlieferungen nach war es eine Ansiedelung der<lb/>
Phokäer, welche von den Persern gedrängt, 560 v. Chr. unter der<lb/>
Führung von Simos und Protis auswanderten und die Stadt, die rasch<lb/>
emporblühte, gründeten. Es lä&#x017F;st sich wohl annehmen, da&#x017F;s schon vor<lb/>
dieser Zeit Handelsbeziehungen zwischen dem Orient und Gallien be-<lb/>
standen, da&#x017F;s phönizische Kaufleute schon ihre Handelsverbindung<lb/>
namentlich mit den uralten Städten Narbo und Arelate pflegten. Die<lb/>
Gründung Massilias aber war von der weittragendsten Bedeutung. Nicht<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[653/0675] Gallien. Auſser zur Bewaffnung wurde das Eisen bei den Keltiberern unter anderem auch als Schmuck gebraucht. Artemidorus erzählt 1), daſs die keltiberischen Frauen eiserne Halsbänder trugen mit einem weit über den Scheitel gebogenen und weit über die Stirn vorragenden Reifen und von den daran befindlichen Haken zogen sie, wenn es ihnen gefiel, den Schleier herab, so daſs er ausgebreitet, dem Gesicht als Schattendach diente. Die archäologischen Aufschlüsse über die Vergangenheit Spaniens sind noch sehr dürftig. Viel ist noch hierin zu thun. Der Reichtum der karthageniensischen, römischen und maurischen Zeit ist verschwun- den und doch haben gewiſs jene Völker nicht alle mineralischen Schätze dem Boden entzogen. Es wäre also gerade in Spanien doppelt geboten, den Resten vergangener Zeit nachzuspüren, da diese die Weg- weiser sind für noch viele zu hebende Schätze, die im Boden ver- steckt sind. Gallien. Wenn der Bätis die belebende Ader Hispaniens war, durch welche vom Mittelmeere aus, oder, wie die klassischen Schriftsteller zu sagen pflegen, von „unserem Meere“ aus Handel, Industrie und Gesittung in das Innere der iberischen Halbinsel getragen wurde, so war dasſelbe in noch höherem Maſse der Fall bei dem Rhodanus, der Lebensader des alten Galliens. Die Rhone vermittelte den riesigen Binnenhandel zwischen dem Mittelmeere und der Nordsee, zwischen Nord- und Süd- europa. Früher spielte der Po diese wichtige Rolle, der den Phöniziern, als sie noch auf Küstenschiffahrt sich beschränkten, weit näher lag. Damals ging der wichtige Landhandel von Südfrankreich den Küsten- saum entlang nach Italien. Massilia wurde verhältnismäſsig spät ge- gründet. Allen Überlieferungen nach war es eine Ansiedelung der Phokäer, welche von den Persern gedrängt, 560 v. Chr. unter der Führung von Simos und Protis auswanderten und die Stadt, die rasch emporblühte, gründeten. Es läſst sich wohl annehmen, daſs schon vor dieser Zeit Handelsbeziehungen zwischen dem Orient und Gallien be- standen, daſs phönizische Kaufleute schon ihre Handelsverbindung namentlich mit den uralten Städten Narbo und Arelate pflegten. Die Gründung Massilias aber war von der weittragendsten Bedeutung. Nicht 1) Strabo 164.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/675
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 653. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/675>, abgerufen am 22.11.2024.