Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

Bild:
<< vorherige Seite

Einleitung zum Mittelalter.
die Wunde gefährlicher zu machen, entspricht einigermassen der
Beschreibung, welche Diodor (lib. V, cap. 30) von dem einen Typus des
gallischen Sauniums mit zickzackförmigem Rand hinterlassen hat. Von
den zu La Tene aufgefundenen Geräten erwähnen wir eiserne Sensen
und Sicheln, eiserne Beile, Pferdegebisse, von den Schmucksachen
Fibeln und Ringe. Auch Münzen wurden aufgefunden und zwar solche,
die den alten gallischen Münzen entsprechen, doch auch zwei römische
Asses, eins von Tiberius, das andere von Claudius. Es folgt daraus,
dass die Ansiedelung von La Tene bis in die römische Kaiserzeit hinein
bestanden hat. Desor vermutet, dass sie die ganze Periode von der Zeit,
da Massilia griechisch-phönizische Kolonie war, bis in die Mitte des
ersten Jahrhunderts bestand.

Über das Alter der Pfahlbauten lassen sich nur ganz ungefähre
Vermutungen und Berechnungen aufstellen. Morlot hat es versucht,
auf Grund der geologischen Schichten, resp. auf Grund der Dicke der
abgelagerten Schicht seit der römischen Zeit, die er bei dem Durch-
schnitt der Eisenbahn durch den Schuttkegel von Tiniere bei Villeneuve
am Genfer See beobachtete, eine Zeitberechnung für die verschiedenen
Perioden anzustellen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Steinzeit
47 bis 70 Jahrhunderte, die Bronzezeit 29 bis 42 Jahrhunderte zurück-
liege. Diese Zahlen mögen recht interessant sein, können aber keinen
Anspruch auf Authentizität machen. Die Trennung der Schichten,
welche der Bronze- und der Steinzeit angehört haben sollen, ist so
willkürlich und unsicher, die Basis der Berechnung, nämlich die Dicke
der angeschwemmten Schicht seit der römischen Herrschaft als Mass
für die Ablagerungen der tieferen Schichten so problematisch, dass das
Resultat keinen positiven Wert hat. Wir werden kaum annehmen
können, dass phönizische Bronze vor der Zeit des trojanischen Krieges
bereits in die Schweiz eingeführt worden sei. Diese Zeit würde aber
nach Morlot ungefähr mit dem Ende seiner berechneten Bronzeperiode
zusammenfallen. Vor dem Jahre 1000 v. Chr. hätte bereits die Eisen-
zeit in der Schweiz begonnen, eine Annahme, die wir für nicht unmöglich
halten, die aber mit den sonstigen Berechnungen der Dreiteilungs-
anhänger wenig in Einklang steht. Es ist durchaus nicht erwiesen,
dass es eine zeitlich getrennte Bronze- und Eisenzeit zur Zeit der
Pfahlbauten gegeben hat. Man hat bereits so viele Gegenstände von
Eisen neben Stein- und Bronzegeräten gefunden, dass die Entdeckung
des Eisens nach einer 1300jährigen reinen Bronzezeit kaum auf-
recht zu erhalten sein dürfte. Allerdings ist die Verwendung des
Eisens in dieser Periode keine sehr ausgedehnte, der Handel bot

Einleitung zum Mittelalter.
die Wunde gefährlicher zu machen, entspricht einigermaſsen der
Beschreibung, welche Diodor (lib. V, cap. 30) von dem einen Typus des
gallischen Sauniums mit zickzackförmigem Rand hinterlassen hat. Von
den zu La Têne aufgefundenen Geräten erwähnen wir eiserne Sensen
und Sicheln, eiserne Beile, Pferdegebisse, von den Schmucksachen
Fibeln und Ringe. Auch Münzen wurden aufgefunden und zwar solche,
die den alten gallischen Münzen entsprechen, doch auch zwei römische
Asses, eins von Tiberius, das andere von Claudius. Es folgt daraus,
daſs die Ansiedelung von La Têne bis in die römische Kaiserzeit hinein
bestanden hat. Desor vermutet, daſs sie die ganze Periode von der Zeit,
da Massilia griechisch-phönizische Kolonie war, bis in die Mitte des
ersten Jahrhunderts bestand.

Über das Alter der Pfahlbauten lassen sich nur ganz ungefähre
Vermutungen und Berechnungen aufstellen. Morlot hat es versucht,
auf Grund der geologischen Schichten, resp. auf Grund der Dicke der
abgelagerten Schicht seit der römischen Zeit, die er bei dem Durch-
schnitt der Eisenbahn durch den Schuttkegel von Tinière bei Villeneuve
am Genfer See beobachtete, eine Zeitberechnung für die verschiedenen
Perioden anzustellen. Er kommt zu dem Ergebnis, daſs die Steinzeit
47 bis 70 Jahrhunderte, die Bronzezeit 29 bis 42 Jahrhunderte zurück-
liege. Diese Zahlen mögen recht interessant sein, können aber keinen
Anspruch auf Authentizität machen. Die Trennung der Schichten,
welche der Bronze- und der Steinzeit angehört haben sollen, ist so
willkürlich und unsicher, die Basis der Berechnung, nämlich die Dicke
der angeschwemmten Schicht seit der römischen Herrschaft als Maſs
für die Ablagerungen der tieferen Schichten so problematisch, daſs das
Resultat keinen positiven Wert hat. Wir werden kaum annehmen
können, daſs phönizische Bronze vor der Zeit des trojanischen Krieges
bereits in die Schweiz eingeführt worden sei. Diese Zeit würde aber
nach Morlot ungefähr mit dem Ende seiner berechneten Bronzeperiode
zusammenfallen. Vor dem Jahre 1000 v. Chr. hätte bereits die Eisen-
zeit in der Schweiz begonnen, eine Annahme, die wir für nicht unmöglich
halten, die aber mit den sonstigen Berechnungen der Dreiteilungs-
anhänger wenig in Einklang steht. Es ist durchaus nicht erwiesen,
daſs es eine zeitlich getrennte Bronze- und Eisenzeit zur Zeit der
Pfahlbauten gegeben hat. Man hat bereits so viele Gegenstände von
Eisen neben Stein- und Bronzegeräten gefunden, daſs die Entdeckung
des Eisens nach einer 1300jährigen reinen Bronzezeit kaum auf-
recht zu erhalten sein dürfte. Allerdings ist die Verwendung des
Eisens in dieser Periode keine sehr ausgedehnte, der Handel bot

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0635" n="613"/><fw place="top" type="header">Einleitung zum Mittelalter.</fw><lb/>
die Wunde gefährlicher zu machen, entspricht einigerma&#x017F;sen der<lb/>
Beschreibung, welche Diodor (lib. V, cap. 30) von dem einen Typus des<lb/>
gallischen Sauniums mit zickzackförmigem Rand hinterlassen hat. Von<lb/>
den zu La Têne aufgefundenen Geräten erwähnen wir eiserne Sensen<lb/>
und Sicheln, eiserne Beile, Pferdegebisse, von den Schmucksachen<lb/>
Fibeln und Ringe. Auch Münzen wurden aufgefunden und zwar solche,<lb/>
die den alten gallischen Münzen entsprechen, doch auch zwei römische<lb/>
Asses, eins von Tiberius, das andere von Claudius. Es folgt daraus,<lb/>
da&#x017F;s die Ansiedelung von La Têne bis in die römische Kaiserzeit hinein<lb/>
bestanden hat. Desor vermutet, da&#x017F;s sie die ganze Periode von der Zeit,<lb/>
da Massilia griechisch-phönizische Kolonie war, bis in die Mitte des<lb/>
ersten Jahrhunderts bestand.</p><lb/>
          <p>Über das Alter der Pfahlbauten lassen sich nur ganz ungefähre<lb/>
Vermutungen und Berechnungen aufstellen. Morlot hat es versucht,<lb/>
auf Grund der geologischen Schichten, resp. auf Grund der Dicke der<lb/>
abgelagerten Schicht seit der römischen Zeit, die er bei dem Durch-<lb/>
schnitt der Eisenbahn durch den Schuttkegel von Tinière bei Villeneuve<lb/>
am Genfer See beobachtete, eine Zeitberechnung für die verschiedenen<lb/>
Perioden anzustellen. Er kommt zu dem Ergebnis, da&#x017F;s die Steinzeit<lb/>
47 bis 70 Jahrhunderte, die Bronzezeit 29 bis 42 Jahrhunderte zurück-<lb/>
liege. Diese Zahlen mögen recht interessant sein, können aber keinen<lb/>
Anspruch auf Authentizität machen. Die Trennung der Schichten,<lb/>
welche der Bronze- und der Steinzeit angehört haben sollen, ist so<lb/>
willkürlich und unsicher, die Basis der Berechnung, nämlich die Dicke<lb/>
der angeschwemmten Schicht seit der römischen Herrschaft als Ma&#x017F;s<lb/>
für die Ablagerungen der tieferen Schichten so problematisch, da&#x017F;s das<lb/>
Resultat keinen positiven Wert hat. Wir werden kaum annehmen<lb/>
können, da&#x017F;s phönizische Bronze vor der Zeit des trojanischen Krieges<lb/>
bereits in die Schweiz eingeführt worden sei. Diese Zeit würde aber<lb/>
nach Morlot ungefähr mit dem Ende seiner berechneten Bronzeperiode<lb/>
zusammenfallen. Vor dem Jahre 1000 v. Chr. hätte bereits die Eisen-<lb/>
zeit in der Schweiz begonnen, eine Annahme, die wir für nicht unmöglich<lb/>
halten, die aber mit den sonstigen Berechnungen der Dreiteilungs-<lb/>
anhänger wenig in Einklang steht. Es ist durchaus nicht erwiesen,<lb/>
da&#x017F;s es eine zeitlich getrennte Bronze- und Eisenzeit zur Zeit der<lb/>
Pfahlbauten gegeben hat. Man hat bereits so viele Gegenstände von<lb/>
Eisen neben Stein- und Bronzegeräten gefunden, da&#x017F;s die Entdeckung<lb/>
des Eisens nach einer 1300jährigen reinen Bronzezeit kaum auf-<lb/>
recht zu erhalten sein dürfte. Allerdings ist die Verwendung des<lb/>
Eisens in dieser Periode keine sehr ausgedehnte, der Handel bot<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[613/0635] Einleitung zum Mittelalter. die Wunde gefährlicher zu machen, entspricht einigermaſsen der Beschreibung, welche Diodor (lib. V, cap. 30) von dem einen Typus des gallischen Sauniums mit zickzackförmigem Rand hinterlassen hat. Von den zu La Têne aufgefundenen Geräten erwähnen wir eiserne Sensen und Sicheln, eiserne Beile, Pferdegebisse, von den Schmucksachen Fibeln und Ringe. Auch Münzen wurden aufgefunden und zwar solche, die den alten gallischen Münzen entsprechen, doch auch zwei römische Asses, eins von Tiberius, das andere von Claudius. Es folgt daraus, daſs die Ansiedelung von La Têne bis in die römische Kaiserzeit hinein bestanden hat. Desor vermutet, daſs sie die ganze Periode von der Zeit, da Massilia griechisch-phönizische Kolonie war, bis in die Mitte des ersten Jahrhunderts bestand. Über das Alter der Pfahlbauten lassen sich nur ganz ungefähre Vermutungen und Berechnungen aufstellen. Morlot hat es versucht, auf Grund der geologischen Schichten, resp. auf Grund der Dicke der abgelagerten Schicht seit der römischen Zeit, die er bei dem Durch- schnitt der Eisenbahn durch den Schuttkegel von Tinière bei Villeneuve am Genfer See beobachtete, eine Zeitberechnung für die verschiedenen Perioden anzustellen. Er kommt zu dem Ergebnis, daſs die Steinzeit 47 bis 70 Jahrhunderte, die Bronzezeit 29 bis 42 Jahrhunderte zurück- liege. Diese Zahlen mögen recht interessant sein, können aber keinen Anspruch auf Authentizität machen. Die Trennung der Schichten, welche der Bronze- und der Steinzeit angehört haben sollen, ist so willkürlich und unsicher, die Basis der Berechnung, nämlich die Dicke der angeschwemmten Schicht seit der römischen Herrschaft als Maſs für die Ablagerungen der tieferen Schichten so problematisch, daſs das Resultat keinen positiven Wert hat. Wir werden kaum annehmen können, daſs phönizische Bronze vor der Zeit des trojanischen Krieges bereits in die Schweiz eingeführt worden sei. Diese Zeit würde aber nach Morlot ungefähr mit dem Ende seiner berechneten Bronzeperiode zusammenfallen. Vor dem Jahre 1000 v. Chr. hätte bereits die Eisen- zeit in der Schweiz begonnen, eine Annahme, die wir für nicht unmöglich halten, die aber mit den sonstigen Berechnungen der Dreiteilungs- anhänger wenig in Einklang steht. Es ist durchaus nicht erwiesen, daſs es eine zeitlich getrennte Bronze- und Eisenzeit zur Zeit der Pfahlbauten gegeben hat. Man hat bereits so viele Gegenstände von Eisen neben Stein- und Bronzegeräten gefunden, daſs die Entdeckung des Eisens nach einer 1300jährigen reinen Bronzezeit kaum auf- recht zu erhalten sein dürfte. Allerdings ist die Verwendung des Eisens in dieser Periode keine sehr ausgedehnte, der Handel bot

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/635
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 613. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/635>, abgerufen am 22.11.2024.