werde. Als goldsandführende Flüsse nennt er den Tagus (Tajo) in Hispanien, den Padus (Po) in Italien, den Hebrus (Maritza) in Thrakien, den Pactolus (Sarabat) in Asien, den Ganges in Indien und kein anderes Gold, sagt er, sei so vollkommen wie das Flussgold. "Nach anderer Weise wird es mittels Schächten gegraben (Bergwerksbetrieb) oder in Bergeinstürzen (Tagebau) gesucht." Manchmal findet es sich auch in goldhaltigem Sande an der Oberfläche, wie z. B. in Dalmatien. Die unfruchtbaren Berge Hispaniens werden gezwungen ihre Schätze herzugeben. Das Gold, das man aus den Schächten herausfördert, heisst kanalizisches oder kanaliensisches, d. h. Grubengold. "Von den Schächten aus gehen die Strecken (canales) auf den Gängen hierhin und dorthin, von wo dieser Name kommt und die Erde wird mit höl- zernen Säulen gestützt." Was ausgegraben ist, wird zerstossen, ge- waschen, geröstet und geschmolzen (tunditur, lavatur, uritur, mollitur). Die Schlacke wird gepocht und nochmals verschmolzen. Die Tiegel (Schmelzherde, catini) macht man aus taskonium, einer thonähnlichen weissen Erde, denn keine andere hält den Wind, das Feuer und die glühende Schlacke aus (neque enim alia flatum ignemque et ardentem materiam tolerat).
Andere Berge werden durch Stollen erschlossen. Diese Art über- trifft fast, wie Plinius sagt, das Werk von Giganten. Man treibt sie auf lange Strecken in den Berg, indem man das Innere bei Lampen- schein aushöhlt. Da man die Sonne nicht sieht, muss der Schwund des Öls der Lampen das Mass der Zeit angeben und in vielen Monaten sieht man den Tag nicht. "Man nennt diese Stollen Arrugien (arrugia), wie noch heute in Spanien 1). Oft setzen sich plötzlich die Spalten und erdrücken die Arbeiter, so dass es bereits weniger tollkühn erscheint, die Perlen und Purpurschnecken aus der Tiefe des Meeres zu holen; so viel gefährlicher haben wir die Erde gemacht. Man lässt deshalb an vielen Stellen Pfeiler (Bogen) stehen um die Berge zu stützen. Bei beiden Bauarten stösst man auf festes Gestein, dieses sprengt man mit Feuer und Essig (durch Feuersetzen). Da aber das Verfahren durch den Dunst und den Rauch in den Strecken beschwerlich fällt, so zer- schlägt man es (das feste Gestein) noch öfter mit Brechhämmern, woran sich 150 Pfund Eisen befinden (fractariis C. L. libras ferri habentibus) und schafft sie Tag und Nacht auf den Schultern heraus, indem man sie in der Finsternis immer dem Nächststehenden übergiebt; nur die letzten sehen das Tageslicht. Scheint das feste Gestein zu mächtig, so
1) Diese und die folgenden technischen Ausdrücke sind nicht römisch, son- dern hispanisch.
Italien und die Römer.
werde. Als goldsandführende Flüsse nennt er den Tagus (Tajo) in Hispanien, den Padus (Po) in Italien, den Hebrus (Maritza) in Thrakien, den Pactolus (Sarabat) in Asien, den Ganges in Indien und kein anderes Gold, sagt er, sei so vollkommen wie das Fluſsgold. „Nach anderer Weise wird es mittels Schächten gegraben (Bergwerksbetrieb) oder in Bergeinstürzen (Tagebau) gesucht.“ Manchmal findet es sich auch in goldhaltigem Sande an der Oberfläche, wie z. B. in Dalmatien. Die unfruchtbaren Berge Hispaniens werden gezwungen ihre Schätze herzugeben. Das Gold, das man aus den Schächten herausfördert, heiſst kanalizisches oder kanaliensisches, d. h. Grubengold. „Von den Schächten aus gehen die Strecken (canales) auf den Gängen hierhin und dorthin, von wo dieser Name kommt und die Erde wird mit höl- zernen Säulen gestützt.“ Was ausgegraben ist, wird zerstoſsen, ge- waschen, geröstet und geschmolzen (tunditur, lavatur, uritur, mollitur). Die Schlacke wird gepocht und nochmals verschmolzen. Die Tiegel (Schmelzherde, catini) macht man aus taskonium, einer thonähnlichen weiſsen Erde, denn keine andere hält den Wind, das Feuer und die glühende Schlacke aus (neque enim alia flatum ignemque et ardentem materiam tolerat).
Andere Berge werden durch Stollen erschlossen. Diese Art über- trifft fast, wie Plinius sagt, das Werk von Giganten. Man treibt sie auf lange Strecken in den Berg, indem man das Innere bei Lampen- schein aushöhlt. Da man die Sonne nicht sieht, muſs der Schwund des Öls der Lampen das Maſs der Zeit angeben und in vielen Monaten sieht man den Tag nicht. „Man nennt diese Stollen Arrugien (arrugia), wie noch heute in Spanien 1). Oft setzen sich plötzlich die Spalten und erdrücken die Arbeiter, so daſs es bereits weniger tollkühn erscheint, die Perlen und Purpurschnecken aus der Tiefe des Meeres zu holen; so viel gefährlicher haben wir die Erde gemacht. Man läſst deshalb an vielen Stellen Pfeiler (Bogen) stehen um die Berge zu stützen. Bei beiden Bauarten stöſst man auf festes Gestein, dieses sprengt man mit Feuer und Essig (durch Feuersetzen). Da aber das Verfahren durch den Dunst und den Rauch in den Strecken beschwerlich fällt, so zer- schlägt man es (das feste Gestein) noch öfter mit Brechhämmern, woran sich 150 Pfund Eisen befinden (fractariis C. L. libras ferri habentibus) und schafft sie Tag und Nacht auf den Schultern heraus, indem man sie in der Finsternis immer dem Nächststehenden übergiebt; nur die letzten sehen das Tageslicht. Scheint das feste Gestein zu mächtig, so
1) Diese und die folgenden technischen Ausdrücke sind nicht römisch, son- dern hispanisch.
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Italien und die Römer.
werde. Als goldsandführende Flüsse nennt er den Tagus (Tajo) in
Hispanien, den Padus (Po) in Italien, den Hebrus (Maritza) in Thrakien,
den Pactolus (Sarabat) in Asien, den Ganges in Indien und kein
anderes Gold, sagt er, sei so vollkommen wie das Fluſsgold. „Nach
anderer Weise wird es mittels Schächten gegraben (Bergwerksbetrieb)
oder in Bergeinstürzen (Tagebau) gesucht.“ Manchmal findet es sich
auch in goldhaltigem Sande an der Oberfläche, wie z. B. in Dalmatien.
Die unfruchtbaren Berge Hispaniens werden gezwungen ihre Schätze
herzugeben. Das Gold, das man aus den Schächten herausfördert,
heiſst kanalizisches oder kanaliensisches, d. h. Grubengold. „Von den
Schächten aus gehen die Strecken (canales) auf den Gängen hierhin
und dorthin, von wo dieser Name kommt und die Erde wird mit höl-
zernen Säulen gestützt.“ Was ausgegraben ist, wird zerstoſsen, ge-
waschen, geröstet und geschmolzen (tunditur, lavatur, uritur, mollitur).
Die Schlacke wird gepocht und nochmals verschmolzen. Die Tiegel
(Schmelzherde, catini) macht man aus taskonium, einer thonähnlichen
weiſsen Erde, denn keine andere hält den Wind, das Feuer und die
glühende Schlacke aus (neque enim alia flatum ignemque et ardentem
materiam tolerat).
Andere Berge werden durch Stollen erschlossen. Diese Art über-
trifft fast, wie Plinius sagt, das Werk von Giganten. Man treibt sie
auf lange Strecken in den Berg, indem man das Innere bei Lampen-
schein aushöhlt. Da man die Sonne nicht sieht, muſs der Schwund
des Öls der Lampen das Maſs der Zeit angeben und in vielen Monaten
sieht man den Tag nicht. „Man nennt diese Stollen Arrugien (arrugia),
wie noch heute in Spanien 1). Oft setzen sich plötzlich die Spalten und
erdrücken die Arbeiter, so daſs es bereits weniger tollkühn erscheint,
die Perlen und Purpurschnecken aus der Tiefe des Meeres zu holen;
so viel gefährlicher haben wir die Erde gemacht. Man läſst deshalb
an vielen Stellen Pfeiler (Bogen) stehen um die Berge zu stützen. Bei
beiden Bauarten stöſst man auf festes Gestein, dieses sprengt man mit
Feuer und Essig (durch Feuersetzen). Da aber das Verfahren durch
den Dunst und den Rauch in den Strecken beschwerlich fällt, so zer-
schlägt man es (das feste Gestein) noch öfter mit Brechhämmern, woran
sich 150 Pfund Eisen befinden (fractariis C. L. libras ferri habentibus)
und schafft sie Tag und Nacht auf den Schultern heraus, indem man
sie in der Finsternis immer dem Nächststehenden übergiebt; nur die
letzten sehen das Tageslicht. Scheint das feste Gestein zu mächtig, so
1) Diese und die folgenden technischen Ausdrücke sind nicht römisch, son-
dern hispanisch.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/517>, abgerufen am 22.11.2024.
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