konnte, wie sie denn auch einmal aufstanden, sich des Vorgebirges Sunion bemächtigten und Athen längere Zeit in Schrecken hielten. Die Sklaven der einzelnen Gruben waren in Rotten eingeteilt, über die besser unterrichtete Sklaven als Aufseher gesetzt wurden. Ausserdem war von dem Staate ein Kontrolbeamter ernannt, der die Pächter in ihr Feld einweisen und die Feldesvermessung (Diaphragma) vornehmen musste. Ferner kontrolierte er die Ausbeute und übte auch in manchen Punkten eine technische Aufsicht. So war es z. B. Vorschrift, in den Gruben Bergfesten zur Sicherung stehen zu lassen. Ein reicher athe- nischer Bürger, Diphilos, der trotzdem die erzreichen Pfeiler nachholen liess, wurde deshalb von dem athenischen Volke zum Tode verurteilt.
Man hatte bei den laurischen Bergwerken Schächte und Stollen, die nicht unbeträchtliche Teufe brachten. Die Wetterführung dagegen war sehr schlecht, wie Xenophon klagt.
Ausnahmsweise scheint es auch vorgekommen zu sein, dass athe- nische Bürger von den Tyrannen gezwungen wurden, in den Gruben zu arbeiten 1).
Nicht allein die Bergwerksarbeit war Sklavenarbeit, sondern auch die übrigen Gewerbe, die nicht gerade Kunstgewerbe waren, wurden gering geachtet; besonders war dies bei den Stämmen der Fall, die als Eroberer eingedrungen waren und die Eingeborenen unterjocht hatten, wie z. B. bei den Dorern im Peloponnes. In Lacedämon galt das Hand- werk für beschimpfend, kein Spartiate durfte bis zur Einführung der achäischen Verfassung einem Gewerbe obliegen 2). Diese Auffassung scheint bei den alten Hellenen ziemlich allgemein gewesen zu sein, doch milderte sie sich in den gewerbreichen Städten wie in Athen und besonders in Korinth sehr. Ebenso trat bei den Inselgriechen, die mehr mit den Phöniziern in unmittelbarem Verkehre standen, diese Auffassung nie in derselben Schroffheit auf. Bei Homer werden die Gewerbtreibenden mit Achtung genannt, vor allen die Waffenschmiede. Allerdings wurden die Sklaven in dem heroischen Zeitalter überhaupt milder behandelt. Der Bildungs- und Rangunterschied war damals nicht so bedeutend und wir sehen Fürsten dort mit Hirten ihr Mahl teilen. In Athen waren in alter Zeit die Gewerbe wenig angesehen. Sie wurden meist von Sklaven betrieben. Von Xenophon erfahren wir, dass die Eisenarbeiter und Schwertfeger in Athen Sklaven waren, die 5 bis 6 Minen kosteten, aber auch im geringsten Falle immer noch den
1) Plutarch, de virtut. mulier. I, VII, p. 67 ed. Reiske.
2) O. Müller, Dorer II, p. 201.
Griechenland.
konnte, wie sie denn auch einmal aufstanden, sich des Vorgebirges Sunion bemächtigten und Athen längere Zeit in Schrecken hielten. Die Sklaven der einzelnen Gruben waren in Rotten eingeteilt, über die besser unterrichtete Sklaven als Aufseher gesetzt wurden. Auſserdem war von dem Staate ein Kontrolbeamter ernannt, der die Pächter in ihr Feld einweisen und die Feldesvermessung (Διάφραγμα) vornehmen muſste. Ferner kontrolierte er die Ausbeute und übte auch in manchen Punkten eine technische Aufsicht. So war es z. B. Vorschrift, in den Gruben Bergfesten zur Sicherung stehen zu lassen. Ein reicher athe- nischer Bürger, Diphilos, der trotzdem die erzreichen Pfeiler nachholen lieſs, wurde deshalb von dem athenischen Volke zum Tode verurteilt.
Man hatte bei den laurischen Bergwerken Schächte und Stollen, die nicht unbeträchtliche Teufe brachten. Die Wetterführung dagegen war sehr schlecht, wie Xenophon klagt.
Ausnahmsweise scheint es auch vorgekommen zu sein, daſs athe- nische Bürger von den Tyrannen gezwungen wurden, in den Gruben zu arbeiten 1).
Nicht allein die Bergwerksarbeit war Sklavenarbeit, sondern auch die übrigen Gewerbe, die nicht gerade Kunstgewerbe waren, wurden gering geachtet; besonders war dies bei den Stämmen der Fall, die als Eroberer eingedrungen waren und die Eingeborenen unterjocht hatten, wie z. B. bei den Dorern im Peloponnes. In Lacedämon galt das Hand- werk für beschimpfend, kein Spartiate durfte bis zur Einführung der achäischen Verfassung einem Gewerbe obliegen 2). Diese Auffassung scheint bei den alten Hellenen ziemlich allgemein gewesen zu sein, doch milderte sie sich in den gewerbreichen Städten wie in Athen und besonders in Korinth sehr. Ebenso trat bei den Inselgriechen, die mehr mit den Phöniziern in unmittelbarem Verkehre standen, diese Auffassung nie in derselben Schroffheit auf. Bei Homer werden die Gewerbtreibenden mit Achtung genannt, vor allen die Waffenschmiede. Allerdings wurden die Sklaven in dem heroischen Zeitalter überhaupt milder behandelt. Der Bildungs- und Rangunterschied war damals nicht so bedeutend und wir sehen Fürsten dort mit Hirten ihr Mahl teilen. In Athen waren in alter Zeit die Gewerbe wenig angesehen. Sie wurden meist von Sklaven betrieben. Von Xenophon erfahren wir, daſs die Eisenarbeiter und Schwertfeger in Athen Sklaven waren, die 5 bis 6 Minen kosteten, aber auch im geringsten Falle immer noch den
1) Plutarch, de virtut. mulier. I, VII, p. 67 ed. Reiske.
2) O. Müller, Dorer II, p. 201.
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Griechenland.
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Sunion bemächtigten und Athen längere Zeit in Schrecken hielten.
Die Sklaven der einzelnen Gruben waren in Rotten eingeteilt, über die
besser unterrichtete Sklaven als Aufseher gesetzt wurden. Auſserdem
war von dem Staate ein Kontrolbeamter ernannt, der die Pächter in
ihr Feld einweisen und die Feldesvermessung (Διάφραγμα) vornehmen
muſste. Ferner kontrolierte er die Ausbeute und übte auch in manchen
Punkten eine technische Aufsicht. So war es z. B. Vorschrift, in den
Gruben Bergfesten zur Sicherung stehen zu lassen. Ein reicher athe-
nischer Bürger, Diphilos, der trotzdem die erzreichen Pfeiler nachholen
lieſs, wurde deshalb von dem athenischen Volke zum Tode verurteilt.
Man hatte bei den laurischen Bergwerken Schächte und Stollen,
die nicht unbeträchtliche Teufe brachten. Die Wetterführung dagegen
war sehr schlecht, wie Xenophon klagt.
Ausnahmsweise scheint es auch vorgekommen zu sein, daſs athe-
nische Bürger von den Tyrannen gezwungen wurden, in den Gruben
zu arbeiten 1).
Nicht allein die Bergwerksarbeit war Sklavenarbeit, sondern auch
die übrigen Gewerbe, die nicht gerade Kunstgewerbe waren, wurden
gering geachtet; besonders war dies bei den Stämmen der Fall, die als
Eroberer eingedrungen waren und die Eingeborenen unterjocht hatten,
wie z. B. bei den Dorern im Peloponnes. In Lacedämon galt das Hand-
werk für beschimpfend, kein Spartiate durfte bis zur Einführung der
achäischen Verfassung einem Gewerbe obliegen 2). Diese Auffassung
scheint bei den alten Hellenen ziemlich allgemein gewesen zu sein,
doch milderte sie sich in den gewerbreichen Städten wie in Athen und
besonders in Korinth sehr. Ebenso trat bei den Inselgriechen, die
mehr mit den Phöniziern in unmittelbarem Verkehre standen, diese
Auffassung nie in derselben Schroffheit auf. Bei Homer werden die
Gewerbtreibenden mit Achtung genannt, vor allen die Waffenschmiede.
Allerdings wurden die Sklaven in dem heroischen Zeitalter überhaupt
milder behandelt. Der Bildungs- und Rangunterschied war damals
nicht so bedeutend und wir sehen Fürsten dort mit Hirten ihr Mahl
teilen. In Athen waren in alter Zeit die Gewerbe wenig angesehen.
Sie wurden meist von Sklaven betrieben. Von Xenophon erfahren wir,
daſs die Eisenarbeiter und Schwertfeger in Athen Sklaven waren, die
5 bis 6 Minen kosteten, aber auch im geringsten Falle immer noch den
1) Plutarch, de virtut. mulier. I, VII, p. 67 ed. Reiske.
2) O. Müller, Dorer
II, p. 201.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/462>, abgerufen am 22.11.2024.
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