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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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und auf Kreta. Diese gelten als die Erfinder des Eisens. Es muss
wohl in sehr alter Zeit eine direkte Beziehung zwischen Nordphrygien
und Kreta bestanden haben, da sich nicht nur der Name des wichtigsten
Berges, des Volkes, sondern auch die vieler Städte wörtlich wiederholten.
Da die alten Schriftsteller die Daktylen und Kureten für phrygische
Einwanderer erklären, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass Kreta von
dem Gebiete der asiatischen Ida aus colonisiert wurde und zwar von
einem metallkundigen Volke, einer jener Metallgenossenschaften, welche
ihre Kenntnisse, wie ihren Kultus, wie die Hauptnamen ihrer Heimat
nach Kreta übertrugen. Strabo erklärt den Namen der Daktylen für
"am Bergabhange wohnende", weil die Ausläufer der Gebirge "Finger"
(daktuloi) genannt wurden 1). Sophokles dagegen glaubt, die ersten
Daktylen seien fünf Männer (Brüder) gewesen, welche das Eisen ent-
deckten und zuerst verarbeiteten, sowie auch viele andere für das
Leben nützliche Gegenstände erfanden. Diese hätten auch fünf
Schwestern gehabt und von dieser doppelten Fünfzahl, entsprechend
je den fünf Fingern der beiden Hände, seien sie Daktylen genannt
worden. Über die Namen der Daktylen, die in direkter Beziehung
zum Schmiedehandwerke stehen, haben wir bereits oben gesprochen.
Die Kureten, welche zuweilen mit den Daktylen und Telchinen indenti-
fiziert werden, gelten manchmal als ein Volksstamm, im allgemeinen
aber als Nachkommen der Daktylen, vielleicht als eine Jünglings-
genossenschaft, wie sie in Kreta herkömmlich waren 2), die das Waffen-
handwerk betrieben, bei den Orgien der Rhea Waffentänze aufführten,
mimisch die Rettung des Zeus darstellend, indem sie dabei mit Schwert
und Schild, Trommeln, Flöten und Cymbeln einen tollen Lärm vor-
führten 3). Eine alte Überlieferung berichtet, die ersten hundert in
Kreta geborenen Männer hätten idäische Daktylen geheissen und Ab-
kömmlinge dieser wären neun Kureten gewesen, von denen jeder zehn
Söhne gezeugt habe, die wiederum idäische Daktylen genannt wurden.
Daktylen und Kureten gelten teils als identisch, teils als nahe verwandt
mit den Kabiren, Korybanten und Telchinen. Die verschiedene Be-
zeichnung, wie die verschiedene Auffassung dürfte sich durch diese
verschiedene Herkunft dieser Genossenschaften erklären, indem die-
selben teils phönizischen, teils thrakischen Ursprungs sind, und zwar Dak-
tylen und Kureten thrakischer, Kabiren und Telchinen mehr semitischer
Herleitung. Wie dem auch sei, die alten Sagen von den Daktylen und
Kureten auf Kreta sind ein Zeugnis der alten Metallindustrie dieser Insel.


1) Strabo X, III, 22.
2) Strabo X, 483.
3) Strabo X, a. a. O.

Griechenland.
und auf Kreta. Diese gelten als die Erfinder des Eisens. Es muſs
wohl in sehr alter Zeit eine direkte Beziehung zwischen Nordphrygien
und Kreta bestanden haben, da sich nicht nur der Name des wichtigsten
Berges, des Volkes, sondern auch die vieler Städte wörtlich wiederholten.
Da die alten Schriftsteller die Daktylen und Kureten für phrygische
Einwanderer erklären, so ist es nicht unwahrscheinlich, daſs Kreta von
dem Gebiete der asiatischen Ida aus colonisiert wurde und zwar von
einem metallkundigen Volke, einer jener Metallgenossenschaften, welche
ihre Kenntnisse, wie ihren Kultus, wie die Hauptnamen ihrer Heimat
nach Kreta übertrugen. Strabo erklärt den Namen der Daktylen für
„am Bergabhange wohnende“, weil die Ausläufer der Gebirge „Finger“
(δάκτυλοι) genannt wurden 1). Sophokles dagegen glaubt, die ersten
Daktylen seien fünf Männer (Brüder) gewesen, welche das Eisen ent-
deckten und zuerst verarbeiteten, sowie auch viele andere für das
Leben nützliche Gegenstände erfanden. Diese hätten auch fünf
Schwestern gehabt und von dieser doppelten Fünfzahl, entsprechend
je den fünf Fingern der beiden Hände, seien sie Daktylen genannt
worden. Über die Namen der Daktylen, die in direkter Beziehung
zum Schmiedehandwerke stehen, haben wir bereits oben gesprochen.
Die Kureten, welche zuweilen mit den Daktylen und Telchinen indenti-
fiziert werden, gelten manchmal als ein Volksstamm, im allgemeinen
aber als Nachkommen der Daktylen, vielleicht als eine Jünglings-
genossenschaft, wie sie in Kreta herkömmlich waren 2), die das Waffen-
handwerk betrieben, bei den Orgien der Rhea Waffentänze aufführten,
mimisch die Rettung des Zeus darstellend, indem sie dabei mit Schwert
und Schild, Trommeln, Flöten und Cymbeln einen tollen Lärm vor-
führten 3). Eine alte Überlieferung berichtet, die ersten hundert in
Kreta geborenen Männer hätten idäische Daktylen geheiſsen und Ab-
kömmlinge dieser wären neun Kureten gewesen, von denen jeder zehn
Söhne gezeugt habe, die wiederum idäische Daktylen genannt wurden.
Daktylen und Kureten gelten teils als identisch, teils als nahe verwandt
mit den Kabiren, Korybanten und Telchinen. Die verschiedene Be-
zeichnung, wie die verschiedene Auffassung dürfte sich durch diese
verschiedene Herkunft dieser Genossenschaften erklären, indem die-
selben teils phönizischen, teils thrakischen Ursprungs sind, und zwar Dak-
tylen und Kureten thrakischer, Kabiren und Telchinen mehr semitischer
Herleitung. Wie dem auch sei, die alten Sagen von den Daktylen und
Kureten auf Kreta sind ein Zeugnis der alten Metallindustrie dieser Insel.


1) Strabo X, III, 22.
2) Strabo X, 483.
3) Strabo X, a. a. O.
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[420/0442] Griechenland. und auf Kreta. Diese gelten als die Erfinder des Eisens. Es muſs wohl in sehr alter Zeit eine direkte Beziehung zwischen Nordphrygien und Kreta bestanden haben, da sich nicht nur der Name des wichtigsten Berges, des Volkes, sondern auch die vieler Städte wörtlich wiederholten. Da die alten Schriftsteller die Daktylen und Kureten für phrygische Einwanderer erklären, so ist es nicht unwahrscheinlich, daſs Kreta von dem Gebiete der asiatischen Ida aus colonisiert wurde und zwar von einem metallkundigen Volke, einer jener Metallgenossenschaften, welche ihre Kenntnisse, wie ihren Kultus, wie die Hauptnamen ihrer Heimat nach Kreta übertrugen. Strabo erklärt den Namen der Daktylen für „am Bergabhange wohnende“, weil die Ausläufer der Gebirge „Finger“ (δάκτυλοι) genannt wurden 1). Sophokles dagegen glaubt, die ersten Daktylen seien fünf Männer (Brüder) gewesen, welche das Eisen ent- deckten und zuerst verarbeiteten, sowie auch viele andere für das Leben nützliche Gegenstände erfanden. Diese hätten auch fünf Schwestern gehabt und von dieser doppelten Fünfzahl, entsprechend je den fünf Fingern der beiden Hände, seien sie Daktylen genannt worden. Über die Namen der Daktylen, die in direkter Beziehung zum Schmiedehandwerke stehen, haben wir bereits oben gesprochen. Die Kureten, welche zuweilen mit den Daktylen und Telchinen indenti- fiziert werden, gelten manchmal als ein Volksstamm, im allgemeinen aber als Nachkommen der Daktylen, vielleicht als eine Jünglings- genossenschaft, wie sie in Kreta herkömmlich waren 2), die das Waffen- handwerk betrieben, bei den Orgien der Rhea Waffentänze aufführten, mimisch die Rettung des Zeus darstellend, indem sie dabei mit Schwert und Schild, Trommeln, Flöten und Cymbeln einen tollen Lärm vor- führten 3). Eine alte Überlieferung berichtet, die ersten hundert in Kreta geborenen Männer hätten idäische Daktylen geheiſsen und Ab- kömmlinge dieser wären neun Kureten gewesen, von denen jeder zehn Söhne gezeugt habe, die wiederum idäische Daktylen genannt wurden. Daktylen und Kureten gelten teils als identisch, teils als nahe verwandt mit den Kabiren, Korybanten und Telchinen. Die verschiedene Be- zeichnung, wie die verschiedene Auffassung dürfte sich durch diese verschiedene Herkunft dieser Genossenschaften erklären, indem die- selben teils phönizischen, teils thrakischen Ursprungs sind, und zwar Dak- tylen und Kureten thrakischer, Kabiren und Telchinen mehr semitischer Herleitung. Wie dem auch sei, die alten Sagen von den Daktylen und Kureten auf Kreta sind ein Zeugnis der alten Metallindustrie dieser Insel. 1) Strabo X, III, 22. 2) Strabo X, 483. 3) Strabo X, a. a. O.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/442>, abgerufen am 22.11.2024.