"Wie wenn der Schmied die Holzaxt oder ein Schlichtbeil Taucht in kühlendes Wasser, das laut mit Gesprudel emporbraust, Härtend durch Kunst, denn solches ersetzt die Kräfte des Eisens (verleiht die Stärke dem Eisen). Also zischt ihm das Aug' um die feurige Spitze des Ölbrands 1)."
Pharmassein heisst also härten und da das weiche Schmiedeeisen keine Härtung annimmt, sondern nur der Stahl, so geht daraus klar hervor, dass Homer diesen gekannt hat. Es wird dies auch durch viele Stellen bestätigt. Er kennt die Eigenschaft des Stahles beim Anlassen in bunten Farben anzulaufen und von der blauen Anlauffarbe, die am deutlichsten hervortritt, benennt er den Stahl kuanos. Jedenfalls be- deutet kuanos ein Metall und nicht, wie Lepsius annimmt, die Lasur- farbe. Dass nicht Bronze darunter zu verstehen ist, wie Gladstone behauptet, haben wir schon oben ausgeführt. Alle Stellen passen allein auf Stahl, und dass Homer den Stahl gekannt hat, ist aus seiner Kennt- nis der Härtung durch Ablöschen hinreichend bewiesen.
Der prachtvolle Panzer des Agamemnon, das Geschenk des Kinyras von Cypern, war von Kupfer mit wechselnden Streifen von Stahl, Gold und Zinn geschmückt 2).
"Ringsum wechselten zehn blauschimmernde Streifen des Stahles Zwölf aus funkelndem Gold und zwanzig andre des Zinnes; Auch drei bläuliche Drachen erhuben sich gegen den Hals ihm Beiderseits voll Glanz wie Regenbogen . . . . ."
Weiter heisst es von des Helden Schild 3):
"Darauf den umwölbenden Schild, den gewaltigen, hub er, den schönen, Reich an Kunst: ihm liefen umher zehn kupferne Kreise; Auch umblinkten ihn 20 von Zinn aufschwellende Nabel, Weiss, und das mittlere war von dunkeler Bläue des Stahls."
Den Schildbuckel konnte man aus keinem geeigneteren Metall machen, als aus Stahl, wie dies auch zu allen Zeiten bei guten Schilden Gebrauch war. In beiden Stellen heisst der Stahl melas kuanos, der "dunkele" Blaustahl, eine Bezeichnung, die für Bronze doch gewiss nicht passt, welche im Gegensatze zum Kupfer geradezu umgekehrt "leuchtend" genannt werden müsste. Sehr schön ist die Dekoration mit den Stahldrachen, kuaneoi drakontes irissin eoikotes, schillernd wie Regenbogen, was nur auf verschiedenfarbig angelassenen, polierten Stahl passt. In ähnlicher Weise wird farbiger Stahl zur Verzierung
1) os d ot aner khalkeus pelekun megan ee skeparnon ein udati psukhro bapte megala iakhonta pharmasson; to gar aute siderou ge kratos estin os tou siz' ophthalmos elaineo peri mokhlo.
2) Ilias 11, 24.
3) Ilias 11, 32.
Griechenland.
„Wie wenn der Schmied die Holzaxt oder ein Schlichtbeil Taucht in kühlendes Wasser, das laut mit Gesprudel emporbraust, Härtend durch Kunst, denn solches ersetzt die Kräfte des Eisens (verleiht die Stärke dem Eisen). Also zischt ihm das Aug’ um die feurige Spitze des Ölbrands 1).“
Φαρμάσσειν heiſst also härten und da das weiche Schmiedeeisen keine Härtung annimmt, sondern nur der Stahl, so geht daraus klar hervor, daſs Homer diesen gekannt hat. Es wird dies auch durch viele Stellen bestätigt. Er kennt die Eigenschaft des Stahles beim Anlassen in bunten Farben anzulaufen und von der blauen Anlauffarbe, die am deutlichsten hervortritt, benennt er den Stahl κύανος. Jedenfalls be- deutet κύανος ein Metall und nicht, wie Lepsius annimmt, die Lasur- farbe. Daſs nicht Bronze darunter zu verstehen ist, wie Gladstone behauptet, haben wir schon oben ausgeführt. Alle Stellen passen allein auf Stahl, und daſs Homer den Stahl gekannt hat, ist aus seiner Kennt- nis der Härtung durch Ablöschen hinreichend bewiesen.
Der prachtvolle Panzer des Agamemnon, das Geschenk des Kinyras von Cypern, war von Kupfer mit wechselnden Streifen von Stahl, Gold und Zinn geschmückt 2).
„Ringsum wechselten zehn blauschimmernde Streifen des Stahles Zwölf aus funkelndem Gold und zwanzig andre des Zinnes; Auch drei bläuliche Drachen erhuben sich gegen den Hals ihm Beiderseits voll Glanz wie Regenbogen . . . . .“
Weiter heiſst es von des Helden Schild 3):
„Darauf den umwölbenden Schild, den gewaltigen, hub er, den schönen, Reich an Kunst: ihm liefen umher zehn kupferne Kreise; Auch umblinkten ihn 20 von Zinn aufschwellende Nabel, Weiſs, und das mittlere war von dunkeler Bläue des Stahls.“
Den Schildbuckel konnte man aus keinem geeigneteren Metall machen, als aus Stahl, wie dies auch zu allen Zeiten bei guten Schilden Gebrauch war. In beiden Stellen heiſst der Stahl μέλας κύανος, der „dunkele“ Blaustahl, eine Bezeichnung, die für Bronze doch gewiſs nicht paſst, welche im Gegensatze zum Kupfer geradezu umgekehrt „leuchtend“ genannt werden müſste. Sehr schön ist die Dekoration mit den Stahldrachen, κυάνεοι δράκοντες ἴρισσιν ἐοικότες, schillernd wie Regenbogen, was nur auf verschiedenfarbig angelassenen, polierten Stahl paſst. In ähnlicher Weise wird farbiger Stahl zur Verzierung
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0428"n="406"/><fwplace="top"type="header">Griechenland.</fw><lb/><lgtype="poem"><l>„Wie wenn der Schmied die Holzaxt oder ein Schlichtbeil</l><lb/><l>Taucht in kühlendes Wasser, das laut mit Gesprudel emporbraust,</l><lb/><l>Härtend durch Kunst, denn solches ersetzt die Kräfte des Eisens</l><lb/><l>(verleiht die Stärke dem Eisen).</l><lb/><l>Also zischt ihm das Aug’ um die feurige Spitze des Ölbrands <noteplace="foot"n="1)">ὡςδ̛ὁτ̛ἀνὴρχαλκεὺςπέλεκυνμέγανἠὲσκέπαρνον<lb/>εἰνὔδατιψυχρῷβάπτῃμεγάλαἰάχοντα<lb/>φαρμάσσων·τόγὰραὖτεσιδήρουγεκράτοςἐστίν<lb/>ὣςτοῦσῖζ’ὀφϑαλμοςἐλαϊνέῳπερὶμοχλῷ.</note>.“</l></lg><lb/><p>Φαρμάσσειν heiſst also härten und da das weiche Schmiedeeisen<lb/>
keine Härtung annimmt, sondern nur der Stahl, so geht daraus klar<lb/>
hervor, daſs Homer diesen gekannt hat. Es wird dies auch durch viele<lb/>
Stellen bestätigt. Er kennt die Eigenschaft des Stahles beim Anlassen<lb/>
in bunten Farben anzulaufen und von der blauen Anlauffarbe, die am<lb/>
deutlichsten hervortritt, benennt er den Stahl κύανος. Jedenfalls be-<lb/>
deutet κύανος ein Metall und nicht, wie Lepsius annimmt, die Lasur-<lb/>
farbe. Daſs nicht Bronze darunter zu verstehen ist, wie Gladstone<lb/>
behauptet, haben wir schon oben ausgeführt. Alle Stellen passen allein<lb/>
auf Stahl, und daſs Homer den Stahl gekannt hat, ist aus seiner Kennt-<lb/>
nis der Härtung durch Ablöschen hinreichend bewiesen.</p><lb/><p>Der prachtvolle Panzer des Agamemnon, das Geschenk des Kinyras<lb/>
von Cypern, war von Kupfer mit wechselnden Streifen von Stahl, Gold<lb/>
und Zinn geschmückt <noteplace="foot"n="2)">Ilias 11, 24.</note>.</p><lb/><lgtype="poem"><l>„Ringsum wechselten zehn blauschimmernde Streifen des Stahles</l><lb/><l>Zwölf aus funkelndem Gold und zwanzig andre des Zinnes;</l><lb/><l>Auch drei bläuliche Drachen erhuben sich gegen den Hals ihm</l><lb/><l>Beiderseits voll Glanz wie Regenbogen . . . . .“</l></lg><lb/><p>Weiter heiſst es von des Helden Schild <noteplace="foot"n="3)">Ilias 11, 32.</note>:</p><lb/><lgtype="poem"><l>„Darauf den umwölbenden Schild, den gewaltigen, hub er, den schönen,</l><lb/><l>Reich an Kunst: ihm liefen umher zehn kupferne Kreise;</l><lb/><l>Auch umblinkten ihn 20 von Zinn aufschwellende Nabel,</l><lb/><l>Weiſs, und das mittlere war von dunkeler <hirendition="#g">Bläue des Stahls</hi>.“</l></lg><lb/><p>Den Schildbuckel konnte man aus keinem geeigneteren Metall<lb/>
machen, als aus Stahl, wie dies auch zu allen Zeiten bei guten Schilden<lb/>
Gebrauch war. In beiden Stellen heiſst der Stahl μέλαςκύανος, der<lb/>„dunkele“ Blaustahl, eine Bezeichnung, die für Bronze doch gewiſs<lb/>
nicht paſst, welche im Gegensatze zum Kupfer geradezu umgekehrt<lb/>„leuchtend“ genannt werden müſste. Sehr schön ist die Dekoration<lb/>
mit den Stahldrachen, κυάνεοιδράκοντεςἴρισσινἐοικότες, schillernd<lb/>
wie Regenbogen, was nur auf verschiedenfarbig angelassenen, polierten<lb/>
Stahl paſst. In ähnlicher Weise wird farbiger Stahl zur Verzierung<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[406/0428]
Griechenland.
„Wie wenn der Schmied die Holzaxt oder ein Schlichtbeil
Taucht in kühlendes Wasser, das laut mit Gesprudel emporbraust,
Härtend durch Kunst, denn solches ersetzt die Kräfte des Eisens
(verleiht die Stärke dem Eisen).
Also zischt ihm das Aug’ um die feurige Spitze des Ölbrands 1).“
Φαρμάσσειν heiſst also härten und da das weiche Schmiedeeisen
keine Härtung annimmt, sondern nur der Stahl, so geht daraus klar
hervor, daſs Homer diesen gekannt hat. Es wird dies auch durch viele
Stellen bestätigt. Er kennt die Eigenschaft des Stahles beim Anlassen
in bunten Farben anzulaufen und von der blauen Anlauffarbe, die am
deutlichsten hervortritt, benennt er den Stahl κύανος. Jedenfalls be-
deutet κύανος ein Metall und nicht, wie Lepsius annimmt, die Lasur-
farbe. Daſs nicht Bronze darunter zu verstehen ist, wie Gladstone
behauptet, haben wir schon oben ausgeführt. Alle Stellen passen allein
auf Stahl, und daſs Homer den Stahl gekannt hat, ist aus seiner Kennt-
nis der Härtung durch Ablöschen hinreichend bewiesen.
Der prachtvolle Panzer des Agamemnon, das Geschenk des Kinyras
von Cypern, war von Kupfer mit wechselnden Streifen von Stahl, Gold
und Zinn geschmückt 2).
„Ringsum wechselten zehn blauschimmernde Streifen des Stahles
Zwölf aus funkelndem Gold und zwanzig andre des Zinnes;
Auch drei bläuliche Drachen erhuben sich gegen den Hals ihm
Beiderseits voll Glanz wie Regenbogen . . . . .“
Weiter heiſst es von des Helden Schild 3):
„Darauf den umwölbenden Schild, den gewaltigen, hub er, den schönen,
Reich an Kunst: ihm liefen umher zehn kupferne Kreise;
Auch umblinkten ihn 20 von Zinn aufschwellende Nabel,
Weiſs, und das mittlere war von dunkeler Bläue des Stahls.“
Den Schildbuckel konnte man aus keinem geeigneteren Metall
machen, als aus Stahl, wie dies auch zu allen Zeiten bei guten Schilden
Gebrauch war. In beiden Stellen heiſst der Stahl μέλας κύανος, der
„dunkele“ Blaustahl, eine Bezeichnung, die für Bronze doch gewiſs
nicht paſst, welche im Gegensatze zum Kupfer geradezu umgekehrt
„leuchtend“ genannt werden müſste. Sehr schön ist die Dekoration
mit den Stahldrachen, κυάνεοι δράκοντες ἴρισσιν ἐοικότες, schillernd
wie Regenbogen, was nur auf verschiedenfarbig angelassenen, polierten
Stahl paſst. In ähnlicher Weise wird farbiger Stahl zur Verzierung
1) ὡς δ̛ ὁτ̛ ἀνὴρ χαλκεὺς πέλεκυν μέγαν ἠὲ σκέπαρνον
εἰν ὔδατι ψυχρῷ βάπτῃ μεγάλα ἰάχοντα
φαρμάσσων· τό γὰρ αὖτε σιδήρου γε κράτος ἐστίν
ὣς τοῦ σῖζ’ ὀφϑαλμος ἐλαϊνέῳ περὶ μοχλῷ.
2) Ilias 11, 24.
3) Ilias 11, 32.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/428>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.