Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.Amerika. zu sehen, ein entscheidendes Gewicht darauf legen zu wollen, dassdieser Nachweis, so viel wir wissen, bis jetzt nicht gelungen ist, hiesse doch wohl etwas zu weit gehen! Wenn sogar in Ägypten, wo Alles seit Dezennien von wissenschaftlichen Expeditionen und einzelnen Gelehrten systematisch durchforscht wurde; wo der trockene Wüstensand und der geringe Feuchtigkeitsgehalt der Atmosphäre entschieden günstig auf die Konservierung des Eisens einwirken mussten, sämtliche bisher bekannt gewordene alte Eisenfunde kaum 150 bis 200 g betragen dürften, während doch bereits Herodot (II, 125) zu bedenken gab, welch enorme Masse von Stahl allein für die Werkzeuge beim Bau der Pyramiden erforderlich gewesen sei, so wird man die bezüglichen Er- wartungen hinsichtlich Südamerikas auf das Äusserste herabsetzen müssen. Hier waren nicht allein die klimatischen Verhältnisse im höchsten Grade, wie wir noch sehen werden, verderblich für das der freien Luft ausgesetzte Eisenwerk, sondern durch den rohen Vandalis- mus, mit welchem die alten Gräber seit der spanischen Invasion bis auf den heutigen Tag zerstört wurden, gingen auch der wissenschaft- lichen Durchforschung bereits Millionen von mehr oder weniger von der Luft abgeschlossenen Behältnissen verloren, in welchen allein dem Eisen ein sicherer Schutz vor gänzlichem Verderben gewährt war. Immerhin -- es liegen noch fast unermessliche Gebiete für die Forschung unerschlossen, und schliesslich wird man auch das Eisen noch auffinden, wenn man erst weiss, dass es gefunden werden muss. Inzwischen mag dahin gestellt bleiben, ob eine in der Description of Indian Antiquities, p. 117 erwähnte und Pl. X, Fig. 13 abgebildete, roh gearbeitete Axt aus einem sogenannten Familiengrabe bei Arica wirklich, wie Ewbank angiebt, aus Eisenstein oder nicht vielmehr aus schlecht verarbeitetem Schmiedeeisen besteht. In dieser Beziehung ist ein Zweifel um so berechtigter, als den amerikanischen Altertumsforschern sich nur selten Gelegenheit bietet, den oft eigentümlichen Reoxydationsprozess, dem das Eisen, während es Jahrhunderte lang in der Erde ruht, unterworfen ist, beobachten zu können 1). Wenn auf den ersten Blick immerhin etwas Befremdendes in der 1) Bereits von John V. Day (Prehist. use of iron, p. 217) wurde ein ent-
schiedener Irrtum bei einigen in Nordamerika gefundenen alten Eisenäxten nach- gewiesen, die man für Hämatit ausgeben wollte, obgleich sogar die Spuren des Schmiedehammers noch deutlich zu erkennen waren! Amerika. zu sehen, ein entscheidendes Gewicht darauf legen zu wollen, daſsdieser Nachweis, so viel wir wissen, bis jetzt nicht gelungen ist, hieſse doch wohl etwas zu weit gehen! Wenn sogar in Ägypten, wo Alles seit Dezennien von wissenschaftlichen Expeditionen und einzelnen Gelehrten systematisch durchforscht wurde; wo der trockene Wüstensand und der geringe Feuchtigkeitsgehalt der Atmosphäre entschieden günstig auf die Konservierung des Eisens einwirken muſsten, sämtliche bisher bekannt gewordene alte Eisenfunde kaum 150 bis 200 g betragen dürften, während doch bereits Herodot (II, 125) zu bedenken gab, welch enorme Masse von Stahl allein für die Werkzeuge beim Bau der Pyramiden erforderlich gewesen sei, so wird man die bezüglichen Er- wartungen hinsichtlich Südamerikas auf das Äuſserste herabsetzen müssen. Hier waren nicht allein die klimatischen Verhältnisse im höchsten Grade, wie wir noch sehen werden, verderblich für das der freien Luft ausgesetzte Eisenwerk, sondern durch den rohen Vandalis- mus, mit welchem die alten Gräber seit der spanischen Invasion bis auf den heutigen Tag zerstört wurden, gingen auch der wissenschaft- lichen Durchforschung bereits Millionen von mehr oder weniger von der Luft abgeschlossenen Behältnissen verloren, in welchen allein dem Eisen ein sicherer Schutz vor gänzlichem Verderben gewährt war. Immerhin — es liegen noch fast unermeſsliche Gebiete für die Forschung unerschlossen, und schlieſslich wird man auch das Eisen noch auffinden, wenn man erst weiſs, daſs es gefunden werden muſs. Inzwischen mag dahin gestellt bleiben, ob eine in der Description of Indian Antiquities, p. 117 erwähnte und Pl. X, Fig. 13 abgebildete, roh gearbeitete Axt aus einem sogenannten Familiengrabe bei Arica wirklich, wie Ewbank angiebt, aus Eisenstein oder nicht vielmehr aus schlecht verarbeitetem Schmiedeeisen besteht. In dieser Beziehung ist ein Zweifel um so berechtigter, als den amerikanischen Altertumsforschern sich nur selten Gelegenheit bietet, den oft eigentümlichen Reoxydationsprozeſs, dem das Eisen, während es Jahrhunderte lang in der Erde ruht, unterworfen ist, beobachten zu können 1). Wenn auf den ersten Blick immerhin etwas Befremdendes in der 1) Bereits von John V. Day (Prehist. use of iron, p. 217) wurde ein ent-
schiedener Irrtum bei einigen in Nordamerika gefundenen alten Eisenäxten nach- gewiesen, die man für Hämatit ausgeben wollte, obgleich sogar die Spuren des Schmiedehammers noch deutlich zu erkennen waren! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0388" n="366"/><fw place="top" type="header">Amerika.</fw><lb/> zu sehen, ein entscheidendes Gewicht darauf legen zu wollen, daſs<lb/> dieser Nachweis, so viel wir wissen, bis jetzt nicht gelungen ist, hieſse<lb/> doch wohl etwas zu weit gehen! Wenn sogar in Ägypten, wo Alles seit<lb/> Dezennien von wissenschaftlichen Expeditionen und einzelnen Gelehrten<lb/> systematisch durchforscht wurde; wo der trockene Wüstensand und<lb/> der geringe Feuchtigkeitsgehalt der Atmosphäre entschieden günstig<lb/> auf die Konservierung des Eisens einwirken muſsten, sämtliche bisher<lb/> bekannt gewordene alte Eisenfunde kaum 150 bis 200 g betragen<lb/> dürften, während doch bereits Herodot (II, 125) zu bedenken gab,<lb/> welch enorme Masse von Stahl allein für die Werkzeuge beim Bau der<lb/> Pyramiden erforderlich gewesen sei, so wird man die bezüglichen Er-<lb/> wartungen hinsichtlich Südamerikas auf das Äuſserste herabsetzen<lb/> müssen. Hier waren nicht allein die klimatischen Verhältnisse im<lb/> höchsten Grade, wie wir noch sehen werden, verderblich für das der<lb/> freien Luft ausgesetzte Eisenwerk, sondern durch den rohen Vandalis-<lb/> mus, mit welchem die alten Gräber seit der spanischen Invasion bis<lb/> auf den heutigen Tag zerstört wurden, gingen auch der wissenschaft-<lb/> lichen Durchforschung bereits Millionen von mehr oder weniger von<lb/> der Luft abgeschlossenen Behältnissen verloren, in welchen allein dem<lb/> Eisen ein sicherer Schutz vor gänzlichem Verderben gewährt war.<lb/> Immerhin — es liegen noch fast unermeſsliche Gebiete für die Forschung<lb/> unerschlossen, und schlieſslich wird man auch das Eisen noch auffinden,<lb/> wenn man erst weiſs, daſs es gefunden werden muſs. Inzwischen mag<lb/> dahin gestellt bleiben, ob eine in der Description of Indian Antiquities,<lb/> p. 117 erwähnte und Pl. X, Fig. 13 abgebildete, roh gearbeitete Axt<lb/> aus einem sogenannten Familiengrabe bei Arica wirklich, wie Ewbank<lb/> angiebt, aus Eisenstein oder nicht vielmehr aus schlecht verarbeitetem<lb/> Schmiedeeisen besteht. In dieser Beziehung ist ein Zweifel um so<lb/> berechtigter, als den amerikanischen Altertumsforschern sich nur selten<lb/> Gelegenheit bietet, den oft eigentümlichen Reoxydationsprozeſs, dem<lb/> das Eisen, während es Jahrhunderte lang in der Erde ruht, unterworfen<lb/> ist, beobachten zu können <note place="foot" n="1)">Bereits von John V. Day (Prehist. use of iron, p. 217) wurde ein ent-<lb/> schiedener Irrtum bei einigen in Nordamerika gefundenen alten Eisenäxten nach-<lb/> gewiesen, die man für Hämatit ausgeben wollte, obgleich sogar die Spuren des<lb/> Schmiedehammers noch deutlich zu erkennen waren!</note>.</p><lb/> <p>Wenn auf den ersten Blick immerhin etwas Befremdendes in der<lb/> Thatsache zu liegen scheint, daſs von den Mexikanern und Peruanern<lb/> neben dem Eisen auch noch Steinwerkzeuge benutzt wurden, so haben<lb/> wir damit doch nur ein Verhältnis berührt, das, wie jedem Kultur-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [366/0388]
Amerika.
zu sehen, ein entscheidendes Gewicht darauf legen zu wollen, daſs
dieser Nachweis, so viel wir wissen, bis jetzt nicht gelungen ist, hieſse
doch wohl etwas zu weit gehen! Wenn sogar in Ägypten, wo Alles seit
Dezennien von wissenschaftlichen Expeditionen und einzelnen Gelehrten
systematisch durchforscht wurde; wo der trockene Wüstensand und
der geringe Feuchtigkeitsgehalt der Atmosphäre entschieden günstig
auf die Konservierung des Eisens einwirken muſsten, sämtliche bisher
bekannt gewordene alte Eisenfunde kaum 150 bis 200 g betragen
dürften, während doch bereits Herodot (II, 125) zu bedenken gab,
welch enorme Masse von Stahl allein für die Werkzeuge beim Bau der
Pyramiden erforderlich gewesen sei, so wird man die bezüglichen Er-
wartungen hinsichtlich Südamerikas auf das Äuſserste herabsetzen
müssen. Hier waren nicht allein die klimatischen Verhältnisse im
höchsten Grade, wie wir noch sehen werden, verderblich für das der
freien Luft ausgesetzte Eisenwerk, sondern durch den rohen Vandalis-
mus, mit welchem die alten Gräber seit der spanischen Invasion bis
auf den heutigen Tag zerstört wurden, gingen auch der wissenschaft-
lichen Durchforschung bereits Millionen von mehr oder weniger von
der Luft abgeschlossenen Behältnissen verloren, in welchen allein dem
Eisen ein sicherer Schutz vor gänzlichem Verderben gewährt war.
Immerhin — es liegen noch fast unermeſsliche Gebiete für die Forschung
unerschlossen, und schlieſslich wird man auch das Eisen noch auffinden,
wenn man erst weiſs, daſs es gefunden werden muſs. Inzwischen mag
dahin gestellt bleiben, ob eine in der Description of Indian Antiquities,
p. 117 erwähnte und Pl. X, Fig. 13 abgebildete, roh gearbeitete Axt
aus einem sogenannten Familiengrabe bei Arica wirklich, wie Ewbank
angiebt, aus Eisenstein oder nicht vielmehr aus schlecht verarbeitetem
Schmiedeeisen besteht. In dieser Beziehung ist ein Zweifel um so
berechtigter, als den amerikanischen Altertumsforschern sich nur selten
Gelegenheit bietet, den oft eigentümlichen Reoxydationsprozeſs, dem
das Eisen, während es Jahrhunderte lang in der Erde ruht, unterworfen
ist, beobachten zu können 1).
Wenn auf den ersten Blick immerhin etwas Befremdendes in der
Thatsache zu liegen scheint, daſs von den Mexikanern und Peruanern
neben dem Eisen auch noch Steinwerkzeuge benutzt wurden, so haben
wir damit doch nur ein Verhältnis berührt, das, wie jedem Kultur-
1) Bereits von John V. Day (Prehist. use of iron, p. 217) wurde ein ent-
schiedener Irrtum bei einigen in Nordamerika gefundenen alten Eisenäxten nach-
gewiesen, die man für Hämatit ausgeben wollte, obgleich sogar die Spuren des
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