von circa 250 geographischen Meilen, genau der Entfernung von Ham- burg nach Konstantinopel entsprechend, mehr als 12000 Fuss hoch an den Abhängen der Cordilleren hinführte, zum grössten Teil in die Fels- wände hineingearbeitet und in ihrer vollen Breite von 25 Fuss, mit regelmässig behauenem Trapp-Porphyr gepflastert war (Humboldt, Ans. d. Nat. II, 321; Sarmiento; Gomara). Auch möge endlich noch der immensen Wasserleitungen, sowohl in Mexiko wie in Peru gedacht werden, die oft in langen Stollen durch die härtesten Felsen geleitet waren, und von denen allein die durch das Gebiet von Condesuya in Peru führende, sich über mehr als 100 geographische Meilen ausdehnte (Garcilasso P. I, lib. V, cap. 24).
Solch gigantischen Unternehmungen gegenüber, in denen deutlich genug der Geist eines Volkes sich ausprägt, das in der Bewältigung der härtesten Felsmassen kein Hindernis, sondern geradezu seine ganze Befriedigung finden musste, mit banalen Phrasen: dass auch der Tropfen den Stein aushöhle, dass die Zeit keinen Wert hatte, und was dergleichen mehr ist; oder gar durch Andeutungen, dass man mit Schleifmitteln auskommen konnte 1), während doch nach Squiers aufmerksamen Unter- suchungen der schneidende Meissel überall seine Spuren zurückliess, sich hinwegsetzen wollen über das absolute Erfordernis von stählernen Werkzeugen, ist wahrlich mehr als -- Pedanterie!
Als Alexander von Humboldt im Jahre 1802 die Cordilleren be- reiste und mit Erstaunen erkannte, welch enorme Massen behauener Steine einst in den Porphyrbrüchen von Pullal für den Bau der eben erwähnten, jetzt gänzlich verfallenen, grossen Incastrasse gewonnen waren, da wurde es ihm klar, wie er selbst erzählt, dass hier mit Frottieren und mit steinernen Arbeitsgeräten allerdings nichts aus- zurichten gewesen wäre (Vues des Cordill. I, 313). Und so, da er als tüchtiger Chemiker die Behauptung vieler Gelehrten, die Peruaner und Mexikaner hätten ein geheimes Verfahren benutzt, um das Kupfer in Stahl zu verwandeln, ohne Weiteres abweisen musste, geriet er auf die Idee, dass die Härtung des Kupfers lediglich durch einen Zusatz von Zinn bewirkt worden sei. Fand diese Annahme sich später durch
1) Lafitau, Moeurs des Sauvages ameriq. Paris 1724, T. II, p. 110 berichtet, oft reiche das ganze Leben eines Wilden nicht aus, um durch Schleifen auf dem Sandsteine eine steinerne Streitaxt in die richtige Form zu bringen, und die unfertige Axt werde dann erst in der zweiten Generation vollendet. Die Anhänger der Schleifhypothese -- und deren gibt es auch heute noch -- finden vielleicht Vergnügen, auf Grund dieser Angabe den Aufwand an Zeit und Menschenleben genauer zu berechnen, den die Herstellung der oben aufgezählten, gemeisselten Schildkröten im Tempelhofe zu Uxmal durch Schleifen erfordert haben würde.
Amerika.
von circa 250 geographischen Meilen, genau der Entfernung von Ham- burg nach Konstantinopel entsprechend, mehr als 12000 Fuſs hoch an den Abhängen der Cordilleren hinführte, zum gröſsten Teil in die Fels- wände hineingearbeitet und in ihrer vollen Breite von 25 Fuſs, mit regelmäſsig behauenem Trapp-Porphyr gepflastert war (Humboldt, Ans. d. Nat. II, 321; Sarmiento; Gómara). Auch möge endlich noch der immensen Wasserleitungen, sowohl in Mexiko wie in Peru gedacht werden, die oft in langen Stollen durch die härtesten Felsen geleitet waren, und von denen allein die durch das Gebiet von Condesuya in Peru führende, sich über mehr als 100 geographische Meilen ausdehnte (Garcilasso P. I, lib. V, cap. 24).
Solch gigantischen Unternehmungen gegenüber, in denen deutlich genug der Geist eines Volkes sich ausprägt, das in der Bewältigung der härtesten Felsmassen kein Hindernis, sondern geradezu seine ganze Befriedigung finden muſste, mit banalen Phrasen: daſs auch der Tropfen den Stein aushöhle, daſs die Zeit keinen Wert hatte, und was dergleichen mehr ist; oder gar durch Andeutungen, daſs man mit Schleifmitteln auskommen konnte 1), während doch nach Squiers aufmerksamen Unter- suchungen der schneidende Meiſsel überall seine Spuren zurücklieſs, sich hinwegsetzen wollen über das absolute Erfordernis von stählernen Werkzeugen, ist wahrlich mehr als — Pedanterie!
Als Alexander von Humboldt im Jahre 1802 die Cordilleren be- reiste und mit Erstaunen erkannte, welch enorme Massen behauener Steine einst in den Porphyrbrüchen von Pullal für den Bau der eben erwähnten, jetzt gänzlich verfallenen, groſsen Incastraſse gewonnen waren, da wurde es ihm klar, wie er selbst erzählt, daſs hier mit Frottieren und mit steinernen Arbeitsgeräten allerdings nichts aus- zurichten gewesen wäre (Vues des Cordill. I, 313). Und so, da er als tüchtiger Chemiker die Behauptung vieler Gelehrten, die Peruaner und Mexikaner hätten ein geheimes Verfahren benutzt, um das Kupfer in Stahl zu verwandeln, ohne Weiteres abweisen muſste, geriet er auf die Idee, daſs die Härtung des Kupfers lediglich durch einen Zusatz von Zinn bewirkt worden sei. Fand diese Annahme sich später durch
1) Lafitau, Moeurs des Sauvages ameriq. Paris 1724, T. II, p. 110 berichtet, oft reiche das ganze Leben eines Wilden nicht aus, um durch Schleifen auf dem Sandsteine eine steinerne Streitaxt in die richtige Form zu bringen, und die unfertige Axt werde dann erst in der zweiten Generation vollendet. Die Anhänger der Schleifhypothese — und deren gibt es auch heute noch — finden vielleicht Vergnügen, auf Grund dieser Angabe den Aufwand an Zeit und Menschenleben genauer zu berechnen, den die Herstellung der oben aufgezählten, gemeiſselten Schildkröten im Tempelhofe zu Uxmal durch Schleifen erfordert haben würde.
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Amerika.
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den Abhängen der Cordilleren hinführte, zum gröſsten Teil in die Fels-
wände hineingearbeitet und in ihrer vollen Breite von 25 Fuſs, mit
regelmäſsig behauenem Trapp-Porphyr gepflastert war (Humboldt,
Ans. d. Nat. II, 321; Sarmiento; Gómara). Auch möge endlich noch
der immensen Wasserleitungen, sowohl in Mexiko wie in Peru gedacht
werden, die oft in langen Stollen durch die härtesten Felsen geleitet
waren, und von denen allein die durch das Gebiet von Condesuya in
Peru führende, sich über mehr als 100 geographische Meilen ausdehnte
(Garcilasso P. I, lib. V, cap. 24).
Solch gigantischen Unternehmungen gegenüber, in denen deutlich
genug der Geist eines Volkes sich ausprägt, das in der Bewältigung
der härtesten Felsmassen kein Hindernis, sondern geradezu seine ganze
Befriedigung finden muſste, mit banalen Phrasen: daſs auch der Tropfen
den Stein aushöhle, daſs die Zeit keinen Wert hatte, und was dergleichen
mehr ist; oder gar durch Andeutungen, daſs man mit Schleifmitteln
auskommen konnte 1), während doch nach Squiers aufmerksamen Unter-
suchungen der schneidende Meiſsel überall seine Spuren zurücklieſs,
sich hinwegsetzen wollen über das absolute Erfordernis von stählernen
Werkzeugen, ist wahrlich mehr als — Pedanterie!
Als Alexander von Humboldt im Jahre 1802 die Cordilleren be-
reiste und mit Erstaunen erkannte, welch enorme Massen behauener
Steine einst in den Porphyrbrüchen von Pullal für den Bau der eben
erwähnten, jetzt gänzlich verfallenen, groſsen Incastraſse gewonnen
waren, da wurde es ihm klar, wie er selbst erzählt, daſs hier mit
Frottieren und mit steinernen Arbeitsgeräten allerdings nichts aus-
zurichten gewesen wäre (Vues des Cordill. I, 313). Und so, da er als
tüchtiger Chemiker die Behauptung vieler Gelehrten, die Peruaner und
Mexikaner hätten ein geheimes Verfahren benutzt, um das Kupfer in
Stahl zu verwandeln, ohne Weiteres abweisen muſste, geriet er auf
die Idee, daſs die Härtung des Kupfers lediglich durch einen Zusatz
von Zinn bewirkt worden sei. Fand diese Annahme sich später durch
1) Lafitau, Moeurs des Sauvages ameriq. Paris 1724, T. II, p. 110 berichtet,
oft reiche das ganze Leben eines Wilden nicht aus, um durch Schleifen auf dem
Sandsteine eine steinerne Streitaxt in die richtige Form zu bringen, und die
unfertige Axt werde dann erst in der zweiten Generation vollendet. Die Anhänger
der Schleifhypothese — und deren gibt es auch heute noch — finden vielleicht
Vergnügen, auf Grund dieser Angabe den Aufwand an Zeit und Menschenleben
genauer zu berechnen, den die Herstellung der oben aufgezählten, gemeiſselten
Schildkröten im Tempelhofe zu Uxmal durch Schleifen erfordert haben würde.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/379>, abgerufen am 22.11.2024.
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