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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Turanier und Mongolen.
sie in Gräbern vorkommen schreibt man diese nicht den Tschuden,
sondern den alten Hakas zu.

Hält man die Ergebnisse der Ausgrabungen mit den Nachrichten
des Herodot zusammen, so darf man schliessen, dass in den erzreichen
Gegenden zwischen dem Irtisch und Jenisei, namentlich aber am oberen
Jenisei, in alter Zeit ein bergbaukundiges Volk ansässig war, welches
hauptsächlich die Gewinnung des Goldes und des Kupfers betrieb und
das mit den Kulturvölkern des Westens, namentlich mit den Griechen
am Pontus in direktem oder indirektem Handelsverkehre stand. Dafür
scheinen auch die Bronzegeräte zu sprechen, die nach Angabe der
Reisenden in ihren Gräbern gefunden werden; denn es lässt sich an-
nehmen, dass sie entweder das Erz selbst, oder das Zinn durch den
Handel bezogen 1).

Die Goldwäscher am Jenisei dürften dann wohl als die Arimaspen
des Herodot angesehen werden, deren Goldschätze, nach dem Märchen
der Alten, von Greifen bewacht wurden. Auch diese Handelsfabel
erhält insofern eine gewisse Stütze, als man die Wundergestalt des
Greifs wiederholt in Bildwerken der Tschudengräber erkannt hat.
Sicher ist der Greif keine Erfindung der Griechen gewesen.

Dass das Volk zwischen dem oberen Irtisch und dem oberen Jenisei
die Nachkommen der Massageten, "die den Issedonen gegenüber wohnten
und die gleichfalls nur Gold und Kupfer kannten, welches in ihrem
Lande in grosser Menge gewonnen wurde", waren, ist nicht unwahr-
scheinlich. Nur ein Volk, welches einen so ausgedehnten Kupferbergbau
im eigenen Lande betrieb, konnte an Kupferwaffen und Kupfergeräten
noch festhalten, während alle Nachbarstämme sich schon des Eisens be-
dienten, wie Herodot ausdrücklich hervorhebt. Derselbe giebt an, Silber
und Eisen fände sich nicht in ihrem Lande. Dies ist indes nicht richtig;
der Eisenreichtum des Jeniseilandes ist sogar sehr gross. Es ist nicht
einmal anzunehmen, dass sie mit dem Eisen völlig unbekannt gewesen
sind, da sich selbst hier und da in ihren Schürfen und Gräbern ver-
einzelte Eisenwerkzeuge gefunden haben. So kennt man bei Minussinsk,
da wo der Minjussabach von Osten her in einen Arm des Jenisei fällt,
in den dortigen Waldungen viele alte Schürfe und Reste antiker
Schmelzöfen, bei denen sich neben Kupferschlacken auch Eisenschlacken

1) Es ist indessen nicht ausgeschlossen, dass die Tschuden die Erfinder der
Bronze waren. In den Gebirgen bei Nertschink kommt Zinn vor, das seit un-
denklicher Zeit von den tatarischen Völkerschaften benutzt wird. Dasselbe kann
ebensowohl wie es dem Lena folgend zu den Jakuten kam, westlich zu dem
Jenisei verbracht und auf diesem weiter verführt worden sein.

Turanier und Mongolen.
sie in Gräbern vorkommen schreibt man diese nicht den Tschuden,
sondern den alten Hakas zu.

Hält man die Ergebnisse der Ausgrabungen mit den Nachrichten
des Herodot zusammen, so darf man schlieſsen, daſs in den erzreichen
Gegenden zwischen dem Irtisch und Jenisei, namentlich aber am oberen
Jenisei, in alter Zeit ein bergbaukundiges Volk ansäſsig war, welches
hauptsächlich die Gewinnung des Goldes und des Kupfers betrieb und
das mit den Kulturvölkern des Westens, namentlich mit den Griechen
am Pontus in direktem oder indirektem Handelsverkehre stand. Dafür
scheinen auch die Bronzegeräte zu sprechen, die nach Angabe der
Reisenden in ihren Gräbern gefunden werden; denn es läſst sich an-
nehmen, daſs sie entweder das Erz selbst, oder das Zinn durch den
Handel bezogen 1).

Die Goldwäscher am Jenisei dürften dann wohl als die Arimaspen
des Herodot angesehen werden, deren Goldschätze, nach dem Märchen
der Alten, von Greifen bewacht wurden. Auch diese Handelsfabel
erhält insofern eine gewisse Stütze, als man die Wundergestalt des
Greifs wiederholt in Bildwerken der Tschudengräber erkannt hat.
Sicher ist der Greif keine Erfindung der Griechen gewesen.

Daſs das Volk zwischen dem oberen Irtisch und dem oberen Jenisei
die Nachkommen der Massageten, „die den Issedonen gegenüber wohnten
und die gleichfalls nur Gold und Kupfer kannten, welches in ihrem
Lande in groſser Menge gewonnen wurde“, waren, ist nicht unwahr-
scheinlich. Nur ein Volk, welches einen so ausgedehnten Kupferbergbau
im eigenen Lande betrieb, konnte an Kupferwaffen und Kupfergeräten
noch festhalten, während alle Nachbarstämme sich schon des Eisens be-
dienten, wie Herodot ausdrücklich hervorhebt. Derselbe giebt an, Silber
und Eisen fände sich nicht in ihrem Lande. Dies ist indes nicht richtig;
der Eisenreichtum des Jeniseilandes ist sogar sehr groſs. Es ist nicht
einmal anzunehmen, daſs sie mit dem Eisen völlig unbekannt gewesen
sind, da sich selbst hier und da in ihren Schürfen und Gräbern ver-
einzelte Eisenwerkzeuge gefunden haben. So kennt man bei Minussinsk,
da wo der Minjussabach von Osten her in einen Arm des Jenisei fällt,
in den dortigen Waldungen viele alte Schürfe und Reste antiker
Schmelzöfen, bei denen sich neben Kupferschlacken auch Eisenschlacken

1) Es ist indessen nicht ausgeschlossen, daſs die Tschuden die Erfinder der
Bronze waren. In den Gebirgen bei Nertschink kommt Zinn vor, das seit un-
denklicher Zeit von den tatarischen Völkerschaften benutzt wird. Dasſelbe kann
ebensowohl wie es dem Lena folgend zu den Jakuten kam, westlich zu dem
Jenisei verbracht und auf diesem weiter verführt worden sein.
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[280/0302] Turanier und Mongolen. sie in Gräbern vorkommen schreibt man diese nicht den Tschuden, sondern den alten Hakas zu. Hält man die Ergebnisse der Ausgrabungen mit den Nachrichten des Herodot zusammen, so darf man schlieſsen, daſs in den erzreichen Gegenden zwischen dem Irtisch und Jenisei, namentlich aber am oberen Jenisei, in alter Zeit ein bergbaukundiges Volk ansäſsig war, welches hauptsächlich die Gewinnung des Goldes und des Kupfers betrieb und das mit den Kulturvölkern des Westens, namentlich mit den Griechen am Pontus in direktem oder indirektem Handelsverkehre stand. Dafür scheinen auch die Bronzegeräte zu sprechen, die nach Angabe der Reisenden in ihren Gräbern gefunden werden; denn es läſst sich an- nehmen, daſs sie entweder das Erz selbst, oder das Zinn durch den Handel bezogen 1). Die Goldwäscher am Jenisei dürften dann wohl als die Arimaspen des Herodot angesehen werden, deren Goldschätze, nach dem Märchen der Alten, von Greifen bewacht wurden. Auch diese Handelsfabel erhält insofern eine gewisse Stütze, als man die Wundergestalt des Greifs wiederholt in Bildwerken der Tschudengräber erkannt hat. Sicher ist der Greif keine Erfindung der Griechen gewesen. Daſs das Volk zwischen dem oberen Irtisch und dem oberen Jenisei die Nachkommen der Massageten, „die den Issedonen gegenüber wohnten und die gleichfalls nur Gold und Kupfer kannten, welches in ihrem Lande in groſser Menge gewonnen wurde“, waren, ist nicht unwahr- scheinlich. Nur ein Volk, welches einen so ausgedehnten Kupferbergbau im eigenen Lande betrieb, konnte an Kupferwaffen und Kupfergeräten noch festhalten, während alle Nachbarstämme sich schon des Eisens be- dienten, wie Herodot ausdrücklich hervorhebt. Derselbe giebt an, Silber und Eisen fände sich nicht in ihrem Lande. Dies ist indes nicht richtig; der Eisenreichtum des Jeniseilandes ist sogar sehr groſs. Es ist nicht einmal anzunehmen, daſs sie mit dem Eisen völlig unbekannt gewesen sind, da sich selbst hier und da in ihren Schürfen und Gräbern ver- einzelte Eisenwerkzeuge gefunden haben. So kennt man bei Minussinsk, da wo der Minjussabach von Osten her in einen Arm des Jenisei fällt, in den dortigen Waldungen viele alte Schürfe und Reste antiker Schmelzöfen, bei denen sich neben Kupferschlacken auch Eisenschlacken 1) Es ist indessen nicht ausgeschlossen, daſs die Tschuden die Erfinder der Bronze waren. In den Gebirgen bei Nertschink kommt Zinn vor, das seit un- denklicher Zeit von den tatarischen Völkerschaften benutzt wird. Dasſelbe kann ebensowohl wie es dem Lena folgend zu den Jakuten kam, westlich zu dem Jenisei verbracht und auf diesem weiter verführt worden sein.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/302>, abgerufen am 25.11.2024.