eingerissenen Thälern ein ernstes Landschaftsbild darbietet, dessen melancholischer Charakter sich mit der Annäherung zum toten Meere steigert. Rasch fällt das Gebirge der parallel laufenden Meeresküste zu. Hier wohnten die Phönizier. Kanaan war eine alte Heimat der Semiten, doch nennt die heilige Schrift Kanaan einen jüngeren Sohn des Cham, dessen ältester Sohn Sidon war. Demnach hielten die He- bräer die Phönizier für die ältesten Ansiedler, der zweite Sohn hiess Chet, von dem die Chetiter, Hetiter oder Cheta ihren Namen herleiteten, die in der Mitte des zweiten Jahrtausend die Obmacht in Palästina hatten und gewaltige Gegner der Ägypter waren. Ihr Stammgebiet war südlich von Judäa. In das Land Kanaan wanderten die Hebräer unter der Leitung ihres Stammvaters Abraham von Osten her ein. Abraham stammt aus der elamitischen Stadt Ur. Die Einwanderung geschah kurz vor der Zeit, als König Kedor-Laomer (Kudur Lagomer) von Elam die Fürsten Kanaans mit Krieg überzog 1). Es war dies vor dem Jahre 2000 v. Chr. Aus den Schilderungen der heiligen Schriften der Juden geht hervor, dass damals bereits geordnete Zustände in Kanaan bestanden. Es gab Fürsten, die in befestigten Städten wohn- ten. Damaskus und Sidon bestanden, Sodom und Gomorrha waren befestigte Plätze. Das Eigentum war in festen Händen, Ackerbau wurde betrieben, Gold und namentlich Silber war reichlich in Kanaan. Das babylonische Münzsystem war angenommen und der Silberscheckel das anerkannte Geld. Die Chetiter, vielleicht die zurückgedrängten Hyksos, waren ein streitbares Volk. Ihre kriegerische Ausrüstung war denen der Ägypter überlegen, insbesondere waren sie gefürchtet wegen ihrer Streitwagen, die bekanntlich die Ägypter von ihnen annahmen. Auch waren sie reich an Silber und Gold, wie aus den Tributlisten des Thutmosis hervorgeht.
Nördlich von ihnen wohnten die Retenu, wahrscheinlich bis zum Libanon und Damaskus hin, die reich waren an Eisen. Sie mussten dem siegreichen ägyptischen Könige ausser Eisen als solches: Helme, Rüstungen, Streitäxte, Streitwagen und Kunstarbeiten als Tribut ent- richten. Hieraus ersehen wir, dass schon vor Thutmosis und lange vor Moses in Kanaan eine entwickelte Kultur bestand, dass Ackerbau und Gewerbe betrieben wurden, dass die Metalle bekannt waren und nament- lich Eisen vielfach und mit hohem Geschick verarbeitet wurde.
Die Hebräer, die zuerst als Wanderhirten in das Land kamen, und schon unter Abraham feste Wohnplätze erwarben, wurden die Erben dieser Kultur. Israel und Phönizien verbreitete sie in die ganze Welt.
1) Siehe oben S. 107.
Syrien.
eingerissenen Thälern ein ernstes Landschaftsbild darbietet, dessen melancholischer Charakter sich mit der Annäherung zum toten Meere steigert. Rasch fällt das Gebirge der parallel laufenden Meeresküste zu. Hier wohnten die Phönizier. Kanaan war eine alte Heimat der Semiten, doch nennt die heilige Schrift Kanaan einen jüngeren Sohn des Cham, dessen ältester Sohn Sidon war. Demnach hielten die He- bräer die Phönizier für die ältesten Ansiedler, der zweite Sohn hieſs Chet, von dem die Chetiter, Hetiter oder Cheta ihren Namen herleiteten, die in der Mitte des zweiten Jahrtausend die Obmacht in Palästina hatten und gewaltige Gegner der Ägypter waren. Ihr Stammgebiet war südlich von Judäa. In das Land Kanaan wanderten die Hebräer unter der Leitung ihres Stammvaters Abraham von Osten her ein. Abraham stammt aus der elamitischen Stadt Ur. Die Einwanderung geschah kurz vor der Zeit, als König Kedor-Laomer (Kudur Lagomer) von Elam die Fürsten Kanaans mit Krieg überzog 1). Es war dies vor dem Jahre 2000 v. Chr. Aus den Schilderungen der heiligen Schriften der Juden geht hervor, daſs damals bereits geordnete Zustände in Kanaan bestanden. Es gab Fürsten, die in befestigten Städten wohn- ten. Damaskus und Sidon bestanden, Sodom und Gomorrha waren befestigte Plätze. Das Eigentum war in festen Händen, Ackerbau wurde betrieben, Gold und namentlich Silber war reichlich in Kanaan. Das babylonische Münzsystem war angenommen und der Silberscheckel das anerkannte Geld. Die Chetiter, vielleicht die zurückgedrängten Hyksos, waren ein streitbares Volk. Ihre kriegerische Ausrüstung war denen der Ägypter überlegen, insbesondere waren sie gefürchtet wegen ihrer Streitwagen, die bekanntlich die Ägypter von ihnen annahmen. Auch waren sie reich an Silber und Gold, wie aus den Tributlisten des Thutmosis hervorgeht.
Nördlich von ihnen wohnten die Retenu, wahrscheinlich bis zum Libanon und Damaskus hin, die reich waren an Eisen. Sie muſsten dem siegreichen ägyptischen Könige auſser Eisen als solches: Helme, Rüstungen, Streitäxte, Streitwagen und Kunstarbeiten als Tribut ent- richten. Hieraus ersehen wir, daſs schon vor Thutmosis und lange vor Moses in Kanaan eine entwickelte Kultur bestand, daſs Ackerbau und Gewerbe betrieben wurden, daſs die Metalle bekannt waren und nament- lich Eisen vielfach und mit hohem Geschick verarbeitet wurde.
Die Hebräer, die zuerst als Wanderhirten in das Land kamen, und schon unter Abraham feste Wohnplätze erwarben, wurden die Erben dieser Kultur. Israel und Phönizien verbreitete sie in die ganze Welt.
1) Siehe oben S. 107.
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Syrien.
eingerissenen Thälern ein ernstes Landschaftsbild darbietet, dessen
melancholischer Charakter sich mit der Annäherung zum toten Meere
steigert. Rasch fällt das Gebirge der parallel laufenden Meeresküste
zu. Hier wohnten die Phönizier. Kanaan war eine alte Heimat der
Semiten, doch nennt die heilige Schrift Kanaan einen jüngeren Sohn
des Cham, dessen ältester Sohn Sidon war. Demnach hielten die He-
bräer die Phönizier für die ältesten Ansiedler, der zweite Sohn hieſs
Chet, von dem die Chetiter, Hetiter oder Cheta ihren Namen herleiteten,
die in der Mitte des zweiten Jahrtausend die Obmacht in Palästina
hatten und gewaltige Gegner der Ägypter waren. Ihr Stammgebiet
war südlich von Judäa. In das Land Kanaan wanderten die Hebräer
unter der Leitung ihres Stammvaters Abraham von Osten her ein.
Abraham stammt aus der elamitischen Stadt Ur. Die Einwanderung
geschah kurz vor der Zeit, als König Kedor-Laomer (Kudur Lagomer)
von Elam die Fürsten Kanaans mit Krieg überzog 1). Es war dies vor
dem Jahre 2000 v. Chr. Aus den Schilderungen der heiligen Schriften
der Juden geht hervor, daſs damals bereits geordnete Zustände in
Kanaan bestanden. Es gab Fürsten, die in befestigten Städten wohn-
ten. Damaskus und Sidon bestanden, Sodom und Gomorrha waren
befestigte Plätze. Das Eigentum war in festen Händen, Ackerbau
wurde betrieben, Gold und namentlich Silber war reichlich in Kanaan.
Das babylonische Münzsystem war angenommen und der Silberscheckel
das anerkannte Geld. Die Chetiter, vielleicht die zurückgedrängten
Hyksos, waren ein streitbares Volk. Ihre kriegerische Ausrüstung war
denen der Ägypter überlegen, insbesondere waren sie gefürchtet wegen
ihrer Streitwagen, die bekanntlich die Ägypter von ihnen annahmen.
Auch waren sie reich an Silber und Gold, wie aus den Tributlisten
des Thutmosis hervorgeht.
Nördlich von ihnen wohnten die Retenu, wahrscheinlich bis zum
Libanon und Damaskus hin, die reich waren an Eisen. Sie muſsten
dem siegreichen ägyptischen Könige auſser Eisen als solches: Helme,
Rüstungen, Streitäxte, Streitwagen und Kunstarbeiten als Tribut ent-
richten. Hieraus ersehen wir, daſs schon vor Thutmosis und lange vor
Moses in Kanaan eine entwickelte Kultur bestand, daſs Ackerbau und
Gewerbe betrieben wurden, daſs die Metalle bekannt waren und nament-
lich Eisen vielfach und mit hohem Geschick verarbeitet wurde.
Die Hebräer, die zuerst als Wanderhirten in das Land kamen, und
schon unter Abraham feste Wohnplätze erwarben, wurden die Erben
dieser Kultur. Israel und Phönizien verbreitete sie in die ganze Welt.
1) Siehe oben S. 107.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/166>, abgerufen am 05.12.2024.
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