Sehr interessant ist auch Leonardos Bekanntschaft mit dem Uni- versalgelenk (Fig. 311), für das bisher Cardanus als früheste Quelle angegeben wurde.
Eine Maschine zum Ausziehen (Profilieren) von Eisenstäben zum Bau schmiedeeiserner Kanonen erweckt unser besonderes Interesse. Sie basiert auf dem Prinzip der Drahtzüge.
Leonardo hatte die Aufgabe, die nach damaliger Fabrikationsart der Kanonenläufe aus Eisenstäben notwendigen Eisenstäbe in einem Profil herzustellen, so dass die aneinander gefügten Stäbe den runden Lauf zusammensetzten und nun geeignet verbunden (zusammengeschweisst) werden konnten. Um die Stäbe in dieser Weise auszuziehen, benutzt er einen Mechanismus, der von einer Turbine (retrecine, Reaktionsrad, der damaligen Mode) getrieben wird. Die Turbine enthält am obern
[Abbildung]
Fig. 311.
Teile ihrer Welle ein Schneckenrad, welches rechts in ein festgestelltes vertikales Zahnrad eingreift, links aber ein mit seiner Welle fest verbundenes Zahnrad treibt, welches weiter- hin durch eine stehende Zwischenwelle mit Schnecke die Bewegung und Kraft auf eine schwere, starke Achse überträgt, die am andern Ende eine Scheibe enthält, welche die Profi- lierungsscheibe der Eisenstange sein soll. Diese Profilscheibe ist mit einer Art Spiralkurve um- zogen, deren Gestalt, Höhe, Bogensteigung etc. genau berechnet ist. Das oben besagte, rechts von der Turbinenwelle getriebene Rad ent- hält im Mittelpunkte eine Schraubenmutter, durch welche eine der Länge der auszuziehenden Eisenstange ent- sprechende Schraubenspindel hindurchläuft. Bei Drehung des übrigens festgestellten Rades wird also die sich nicht drehende Schrauben- spindel bewegt. Diese Spindel enthält am andern Ende eine Klaue, in welcher die Eisenstange befestigt wird. Die Eisenstange ist von Rollen unterstützt und bewegt sich unter der Profilscheibe durch, indem sie gegenüber dieser ein festes, eingesenktes Formlager mit Profilseite erhält. Die Profilscheibe ist schwer, presst das Eisen mächtig an. Leonardo berechnet sowohl die Last, als auch die Kraft, welche notwendig an der Mutter der Ziehscheibe thätig sein muss, um das Eisen unter der Fassonwalze durchzuziehen und kommt zu ge- nauen Resultaten. Er beschäftigt sich sodann mit anderen Profilen und teilt mit, in wie vielen Operationen das Ausziehen derselben zu
Leonardo da Vinci.
Sehr interessant ist auch Leonardos Bekanntschaft mit dem Uni- versalgelenk (Fig. 311), für das bisher Cardanus als früheste Quelle angegeben wurde.
Eine Maschine zum Ausziehen (Profilieren) von Eisenstäben zum Bau schmiedeeiserner Kanonen erweckt unser besonderes Interesse. Sie basiert auf dem Prinzip der Drahtzüge.
Leonardo hatte die Aufgabe, die nach damaliger Fabrikationsart der Kanonenläufe aus Eisenstäben notwendigen Eisenstäbe in einem Profil herzustellen, so daſs die aneinander gefügten Stäbe den runden Lauf zusammensetzten und nun geeignet verbunden (zusammengeschweiſst) werden konnten. Um die Stäbe in dieser Weise auszuziehen, benutzt er einen Mechanismus, der von einer Turbine (retrecine, Reaktionsrad, der damaligen Mode) getrieben wird. Die Turbine enthält am obern
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Fig. 311.
Teile ihrer Welle ein Schneckenrad, welches rechts in ein festgestelltes vertikales Zahnrad eingreift, links aber ein mit seiner Welle fest verbundenes Zahnrad treibt, welches weiter- hin durch eine stehende Zwischenwelle mit Schnecke die Bewegung und Kraft auf eine schwere, starke Achse überträgt, die am andern Ende eine Scheibe enthält, welche die Profi- lierungsscheibe der Eisenstange sein soll. Diese Profilscheibe ist mit einer Art Spiralkurve um- zogen, deren Gestalt, Höhe, Bogensteigung etc. genau berechnet ist. Das oben besagte, rechts von der Turbinenwelle getriebene Rad ent- hält im Mittelpunkte eine Schraubenmutter, durch welche eine der Länge der auszuziehenden Eisenstange ent- sprechende Schraubenspindel hindurchläuft. Bei Drehung des übrigens festgestellten Rades wird also die sich nicht drehende Schrauben- spindel bewegt. Diese Spindel enthält am andern Ende eine Klaue, in welcher die Eisenstange befestigt wird. Die Eisenstange ist von Rollen unterstützt und bewegt sich unter der Profilscheibe durch, indem sie gegenüber dieser ein festes, eingesenktes Formlager mit Profilseite erhält. Die Profilscheibe ist schwer, preſst das Eisen mächtig an. Leonardo berechnet sowohl die Last, als auch die Kraft, welche notwendig an der Mutter der Ziehscheibe thätig sein muſs, um das Eisen unter der Fassonwalze durchzuziehen und kommt zu ge- nauen Resultaten. Er beschäftigt sich sodann mit anderen Profilen und teilt mit, in wie vielen Operationen das Ausziehen derselben zu
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Leonardo da Vinci.
Sehr interessant ist auch Leonardos Bekanntschaft mit dem Uni-
versalgelenk (Fig. 311), für das bisher Cardanus als früheste Quelle
angegeben wurde.
Eine Maschine zum Ausziehen (Profilieren) von Eisenstäben zum
Bau schmiedeeiserner Kanonen erweckt unser besonderes Interesse.
Sie basiert auf dem Prinzip der Drahtzüge.
Leonardo hatte die Aufgabe, die nach damaliger Fabrikationsart der
Kanonenläufe aus Eisenstäben notwendigen Eisenstäbe in einem Profil
herzustellen, so daſs die aneinander gefügten Stäbe den runden Lauf
zusammensetzten und nun geeignet verbunden (zusammengeschweiſst)
werden konnten. Um die Stäbe in dieser Weise auszuziehen, benutzt
er einen Mechanismus, der von einer Turbine (retrecine, Reaktionsrad,
der damaligen Mode) getrieben wird. Die Turbine enthält am obern
[Abbildung Fig. 311.]
Teile ihrer Welle ein Schneckenrad, welches
rechts in ein festgestelltes vertikales Zahnrad
eingreift, links aber ein mit seiner Welle fest
verbundenes Zahnrad treibt, welches weiter-
hin durch eine stehende Zwischenwelle mit
Schnecke die Bewegung und Kraft auf eine
schwere, starke Achse überträgt, die am andern
Ende eine Scheibe enthält, welche die Profi-
lierungsscheibe der Eisenstange sein soll. Diese
Profilscheibe ist mit einer Art Spiralkurve um-
zogen, deren Gestalt, Höhe, Bogensteigung etc.
genau berechnet ist. Das oben besagte, rechts
von der Turbinenwelle getriebene Rad ent-
hält im Mittelpunkte eine Schraubenmutter,
durch welche eine der Länge der auszuziehenden Eisenstange ent-
sprechende Schraubenspindel hindurchläuft. Bei Drehung des übrigens
festgestellten Rades wird also die sich nicht drehende Schrauben-
spindel bewegt. Diese Spindel enthält am andern Ende eine Klaue,
in welcher die Eisenstange befestigt wird. Die Eisenstange ist von
Rollen unterstützt und bewegt sich unter der Profilscheibe durch,
indem sie gegenüber dieser ein festes, eingesenktes Formlager mit
Profilseite erhält. Die Profilscheibe ist schwer, preſst das Eisen
mächtig an. Leonardo berechnet sowohl die Last, als auch die Kraft,
welche notwendig an der Mutter der Ziehscheibe thätig sein muſs, um
das Eisen unter der Fassonwalze durchzuziehen und kommt zu ge-
nauen Resultaten. Er beschäftigt sich sodann mit anderen Profilen
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 996. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/1018>, abgerufen am 22.11.2024.
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