Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.hier entschuldigte mich mein Gewissen, denn sie war aufgegeben und hatte gegen das Kind Pflichten übernommen, die ihr geboten, es nicht in der bisherigen Umgebung zu lassen. Wir fuhren, von schöner Herbstwitterung begünstigt, dem geschlängelten Lauf der von Norden herabkommenden Sarthe entgegen, rasteten in Alencon, reisten über Sens und Argentan, Falais und Caen, und gewannen glücklich das Küstenland. Ein kleines Schiff führte uns nach Havre, wo meines Herrn Vaters "vergulde Rose" , Kapitän Richart Fluit, segelfertig lag, um ein paar zarte Lilien an Bord zu nehmen, nebst mich und meinen Diener. Ja -- ja -- brummte der Kapitän -- ein verteufeltes Wagestück -- wollen sehen, wie es enden wird! Es war gerade, als wir in Havre landeten, ein mir besonders lieber Tag, und ich begann ihn mit dem werthen Freund hier und der theueren Freundin am Bord, in überglücklicher Heiterkeit, sorglos und um die nächste Zukunft unbekümmert -- wissen Sie noch, Kapitän? Wir vertilgten damals vielen Champagner und Dry Madeira -- es war mein Geburtstag, der 22. September. Wie, mein Herr? fuhr Ludwig mit rascher Frage auf. Auch ihr Geburtstag ist der 22. September? Ich habe die Ehre, Ihnen zu sagen, daß der meinige auf denselben Tag fällt. Nun, das grenzt aber in der That an das Wunderbare, rief der Kapitän. Welche Aehnlichkeiten werden wir noch entdecken zwischen diesen beiden Herren! Nun will ich Ihnen auch etwas sagen, meine hochverehrten Passagiere, heute ist mein Geburtstag, den wollen wir feiern, und den Ihrigen noch einmal mit. Ich habe den Schiffskoch schon beauftragt, für ein Frühstück nach Seemannsbrauch zu sorgen. Madeira, der zweimal unter der Mittagslinie hindurchging, wird nicht nur zu Mittag, er wird auch zum Frühstück munden, und mit dem tollen Franzosen, Monsieur Kreideweiß, werden wir auch noch anbinden können, und ihn auf gut niederländisch tractiren. Der Kapitän entfernte sich mit schallendem Gelächter, nachdem seine Reisenden ihm vereint Glück zum heutigen Tage gewünscht hatten, um alles Nöthige anzuordnen. Mittlerweile faßte Leonardus Ludwig's Hand, drückte sie mit Wärme und sprach: Junger Herr! es ist in der That wunderbar, wie viel Aehnlichkeit das Geschick uns gegenseitig zu Theil werden läßt. Lasset uns Freunde sein, lasset uns einen Bund hier entschuldigte mich mein Gewissen, denn sie war aufgegeben und hatte gegen das Kind Pflichten übernommen, die ihr geboten, es nicht in der bisherigen Umgebung zu lassen. Wir fuhren, von schöner Herbstwitterung begünstigt, dem geschlängelten Lauf der von Norden herabkommenden Sarthe entgegen, rasteten in Alençon, reisten über Sens und Argentan, Falais und Caën, und gewannen glücklich das Küstenland. Ein kleines Schiff führte uns nach Havre, wo meines Herrn Vaters „vergulde Rose“ , Kapitän Richart Fluit, segelfertig lag, um ein paar zarte Lilien an Bord zu nehmen, nebst mich und meinen Diener. Ja — ja — brummte der Kapitän — ein verteufeltes Wagestück — wollen sehen, wie es enden wird! Es war gerade, als wir in Havre landeten, ein mir besonders lieber Tag, und ich begann ihn mit dem werthen Freund hier und der theueren Freundin am Bord, in überglücklicher Heiterkeit, sorglos und um die nächste Zukunft unbekümmert — wissen Sie noch, Kapitän? Wir vertilgten damals vielen Champagner und Dry Madeira — es war mein Geburtstag, der 22. September. Wie, mein Herr? fuhr Ludwig mit rascher Frage auf. Auch ihr Geburtstag ist der 22. September? Ich habe die Ehre, Ihnen zu sagen, daß der meinige auf denselben Tag fällt. Nun, das grenzt aber in der That an das Wunderbare, rief der Kapitän. Welche Aehnlichkeiten werden wir noch entdecken zwischen diesen beiden Herren! Nun will ich Ihnen auch etwas sagen, meine hochverehrten Passagiere, heute ist mein Geburtstag, den wollen wir feiern, und den Ihrigen noch einmal mit. Ich habe den Schiffskoch schon beauftragt, für ein Frühstück nach Seemannsbrauch zu sorgen. Madeira, der zweimal unter der Mittagslinie hindurchging, wird nicht nur zu Mittag, er wird auch zum Frühstück munden, und mit dem tollen Franzosen, Monsieur Kreideweiß, werden wir auch noch anbinden können, und ihn auf gut niederländisch tractiren. Der Kapitän entfernte sich mit schallendem Gelächter, nachdem seine Reisenden ihm vereint Glück zum heutigen Tage gewünscht hatten, um alles Nöthige anzuordnen. Mittlerweile faßte Leonardus Ludwig’s Hand, drückte sie mit Wärme und sprach: Junger Herr! es ist in der That wunderbar, wie viel Aehnlichkeit das Geschick uns gegenseitig zu Theil werden läßt. Lasset uns Freunde sein, lasset uns einen Bund <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0093" n="89"/> hier entschuldigte mich mein Gewissen, denn sie war aufgegeben und hatte gegen das Kind Pflichten übernommen, die ihr geboten, es nicht in der bisherigen Umgebung zu lassen. Wir fuhren, von schöner Herbstwitterung begünstigt, dem geschlängelten Lauf der von Norden herabkommenden Sarthe entgegen, rasteten in Alençon, reisten über Sens und Argentan, Falais und Caën, und gewannen glücklich das Küstenland. Ein kleines Schiff führte uns nach Havre, wo meines Herrn Vaters „vergulde Rose“ , Kapitän Richart Fluit, segelfertig lag, um ein paar zarte Lilien an Bord zu nehmen, nebst mich und meinen Diener.</p> <p>Ja — ja — brummte der Kapitän — ein verteufeltes Wagestück — wollen sehen, wie es enden wird!</p> <p>Es war gerade, als wir in Havre landeten, ein mir besonders lieber Tag, und ich begann ihn mit dem werthen Freund hier und der theueren Freundin am Bord, in überglücklicher Heiterkeit, sorglos und um die nächste Zukunft unbekümmert — wissen Sie noch, Kapitän? Wir vertilgten damals vielen Champagner und Dry Madeira — es war mein Geburtstag, der 22. September.</p> <p>Wie, mein Herr? fuhr Ludwig mit rascher Frage auf. Auch ihr Geburtstag ist der 22. September? Ich habe die Ehre, Ihnen zu sagen, daß der meinige auf denselben Tag fällt.</p> <p>Nun, das grenzt aber in der That an das Wunderbare, rief der Kapitän. Welche Aehnlichkeiten werden wir noch entdecken zwischen diesen beiden Herren! Nun will ich Ihnen auch etwas sagen, meine hochverehrten Passagiere, heute ist mein Geburtstag, den wollen wir feiern, und den Ihrigen noch einmal mit. Ich habe den Schiffskoch schon beauftragt, für ein Frühstück nach Seemannsbrauch zu sorgen. Madeira, der zweimal unter der Mittagslinie hindurchging, wird nicht nur zu Mittag, er wird auch zum Frühstück munden, und mit dem tollen Franzosen, Monsieur Kreideweiß, werden wir auch noch anbinden können, und ihn auf gut niederländisch tractiren.</p> <p>Der Kapitän entfernte sich mit schallendem Gelächter, nachdem seine Reisenden ihm vereint Glück zum heutigen Tage gewünscht hatten, um alles Nöthige anzuordnen. Mittlerweile faßte Leonardus Ludwig’s Hand, drückte sie mit Wärme und sprach: Junger Herr! es ist in der That wunderbar, wie viel Aehnlichkeit das Geschick uns gegenseitig zu Theil werden läßt. Lasset uns Freunde sein, lasset uns einen Bund </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [89/0093]
hier entschuldigte mich mein Gewissen, denn sie war aufgegeben und hatte gegen das Kind Pflichten übernommen, die ihr geboten, es nicht in der bisherigen Umgebung zu lassen. Wir fuhren, von schöner Herbstwitterung begünstigt, dem geschlängelten Lauf der von Norden herabkommenden Sarthe entgegen, rasteten in Alençon, reisten über Sens und Argentan, Falais und Caën, und gewannen glücklich das Küstenland. Ein kleines Schiff führte uns nach Havre, wo meines Herrn Vaters „vergulde Rose“ , Kapitän Richart Fluit, segelfertig lag, um ein paar zarte Lilien an Bord zu nehmen, nebst mich und meinen Diener.
Ja — ja — brummte der Kapitän — ein verteufeltes Wagestück — wollen sehen, wie es enden wird!
Es war gerade, als wir in Havre landeten, ein mir besonders lieber Tag, und ich begann ihn mit dem werthen Freund hier und der theueren Freundin am Bord, in überglücklicher Heiterkeit, sorglos und um die nächste Zukunft unbekümmert — wissen Sie noch, Kapitän? Wir vertilgten damals vielen Champagner und Dry Madeira — es war mein Geburtstag, der 22. September.
Wie, mein Herr? fuhr Ludwig mit rascher Frage auf. Auch ihr Geburtstag ist der 22. September? Ich habe die Ehre, Ihnen zu sagen, daß der meinige auf denselben Tag fällt.
Nun, das grenzt aber in der That an das Wunderbare, rief der Kapitän. Welche Aehnlichkeiten werden wir noch entdecken zwischen diesen beiden Herren! Nun will ich Ihnen auch etwas sagen, meine hochverehrten Passagiere, heute ist mein Geburtstag, den wollen wir feiern, und den Ihrigen noch einmal mit. Ich habe den Schiffskoch schon beauftragt, für ein Frühstück nach Seemannsbrauch zu sorgen. Madeira, der zweimal unter der Mittagslinie hindurchging, wird nicht nur zu Mittag, er wird auch zum Frühstück munden, und mit dem tollen Franzosen, Monsieur Kreideweiß, werden wir auch noch anbinden können, und ihn auf gut niederländisch tractiren.
Der Kapitän entfernte sich mit schallendem Gelächter, nachdem seine Reisenden ihm vereint Glück zum heutigen Tage gewünscht hatten, um alles Nöthige anzuordnen. Mittlerweile faßte Leonardus Ludwig’s Hand, drückte sie mit Wärme und sprach: Junger Herr! es ist in der That wunderbar, wie viel Aehnlichkeit das Geschick uns gegenseitig zu Theil werden läßt. Lasset uns Freunde sein, lasset uns einen Bund
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Zitationshilfe: | Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/93>, abgerufen am 23.07.2024. |