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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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sich dagegen sträuben. Auch du wirst durch die schmerzlichen Flammen der Läuterung gehen -- o gehe rein aus ihnen hervor!" -- Diese Traumbilder schwanden schnell hinweg, andere traten an deren Stelle; lebensvolles Gewühl der Straßen und Märkte großer Städte, Waffenlärm der Heerlager, berghohe Meereswogen -- Stürme und ruhige See -- hohe Burgen und Schlösser -- stille Thäler -- eine Siedlerklause -- eine dunkelschattende Kastanienallee -- ein einsames Grab, und in dieses Grab hinabgesenkt alles Ringen und Streben, alles Jubeln und Bangen, alles Hoffen und Fürchten eines langen Erdendaseins -- all' sein Glück.

Als der Erbherr mit seiner Gemahlin allein war, und das Kind zur Ruhe gebracht, blickte er Ottoline eigenthümlich forschend an, ob sie den Blick vor ihm nicht senke, ihr Auge nicht in Verwirrung niederschlage; aber sie sah ihn völlig unbefangen an, und fragte nur, da sein finsterer Blick sie erschreckte: Bist du unzufrieden, lieber Wilhelm? Bist du nicht froh?

Ottoline, sprach er dumpf: es wendet mir das Herz im Busen um, zu erleben, was ich heute und gestern erlebt, daß ich kommen muß und sehen, wie meine Gemahlin den geheiligten Pokal mit ihren Lippen einem Menschen kredenzt, der in toller knabenhafter Hitze meine Mannesehre auf das Ehrloseste beleidigt und dessen Hand und Mund jenes Geräth für immer entweiht haben. Ich will den Falk von Kniphausen niemals wiedersehen, ich trank, von dir gezwungen gleichsam, zum letztenmal daraus. Dein überspanntes Gefühl der Dankbarkeit riß dich hin; daß er die scheugewordenen Pferde aufhielt, war seine Schuldigkeit -- die Dienerschaft erzählte mir bei meinem Eintritt ins Schloß schon Alles -- die Pferde wären auch wohl von selbst vor der Made stehen geblieben. Ein Mann von Ehrgefühl wäre nicht mit in mein Schloß gegangen.

O Gott! so hätte ich gefehlt, daß ich wiederholt in ihn drang, da er sich doch entschieden weigerte! rief Ottoline.

So? er weigerte sich also entschieden -- und doch nicht entschieden genug -- sein weiches Knaben-Herz vermochte nicht, der süßen Bitte des holden Mundes meiner Gemahlin zu widerstehen?

Der Ton, mit welchem der Erbherr dies sprach, füllte Ottolinens Herz mit Weh, ihre Augen mit Thränen; sie begann leise zu zittern.

sich dagegen sträuben. Auch du wirst durch die schmerzlichen Flammen der Läuterung gehen — o gehe rein aus ihnen hervor!“ — Diese Traumbilder schwanden schnell hinweg, andere traten an deren Stelle; lebensvolles Gewühl der Straßen und Märkte großer Städte, Waffenlärm der Heerlager, berghohe Meereswogen — Stürme und ruhige See — hohe Burgen und Schlösser — stille Thäler — eine Siedlerklause — eine dunkelschattende Kastanienallee — ein einsames Grab, und in dieses Grab hinabgesenkt alles Ringen und Streben, alles Jubeln und Bangen, alles Hoffen und Fürchten eines langen Erdendaseins — all’ sein Glück.

Als der Erbherr mit seiner Gemahlin allein war, und das Kind zur Ruhe gebracht, blickte er Ottoline eigenthümlich forschend an, ob sie den Blick vor ihm nicht senke, ihr Auge nicht in Verwirrung niederschlage; aber sie sah ihn völlig unbefangen an, und fragte nur, da sein finsterer Blick sie erschreckte: Bist du unzufrieden, lieber Wilhelm? Bist du nicht froh?

Ottoline, sprach er dumpf: es wendet mir das Herz im Busen um, zu erleben, was ich heute und gestern erlebt, daß ich kommen muß und sehen, wie meine Gemahlin den geheiligten Pokal mit ihren Lippen einem Menschen kredenzt, der in toller knabenhafter Hitze meine Mannesehre auf das Ehrloseste beleidigt und dessen Hand und Mund jenes Geräth für immer entweiht haben. Ich will den Falk von Kniphausen niemals wiedersehen, ich trank, von dir gezwungen gleichsam, zum letztenmal daraus. Dein überspanntes Gefühl der Dankbarkeit riß dich hin; daß er die scheugewordenen Pferde aufhielt, war seine Schuldigkeit — die Dienerschaft erzählte mir bei meinem Eintritt ins Schloß schon Alles — die Pferde wären auch wohl von selbst vor der Made stehen geblieben. Ein Mann von Ehrgefühl wäre nicht mit in mein Schloß gegangen.

O Gott! so hätte ich gefehlt, daß ich wiederholt in ihn drang, da er sich doch entschieden weigerte! rief Ottoline.

So? er weigerte sich also entschieden — und doch nicht entschieden genug — sein weiches Knaben-Herz vermochte nicht, der süßen Bitte des holden Mundes meiner Gemahlin zu widerstehen?

Der Ton, mit welchem der Erbherr dies sprach, füllte Ottolinens Herz mit Weh, ihre Augen mit Thränen; sie begann leise zu zittern.

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          <p>Ottoline, sprach er dumpf: es wendet mir das Herz im Busen um, zu erleben, was ich heute und gestern erlebt, daß ich kommen muß und sehen, wie meine Gemahlin den geheiligten Pokal mit ihren Lippen einem Menschen kredenzt, der in toller knabenhafter Hitze meine Mannesehre auf das Ehrloseste beleidigt und dessen Hand und Mund jenes Geräth für immer entweiht haben. Ich will den Falk von Kniphausen niemals wiedersehen, ich trank, von dir gezwungen gleichsam, zum letztenmal daraus. Dein überspanntes Gefühl der Dankbarkeit riß dich hin; daß er die scheugewordenen Pferde aufhielt, war seine Schuldigkeit &#x2014; die Dienerschaft erzählte mir bei meinem Eintritt ins Schloß schon Alles &#x2014; die Pferde wären auch wohl von selbst vor der Made stehen geblieben. Ein Mann von Ehrgefühl wäre nicht mit in mein Schloß gegangen.</p>
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[65/0069] sich dagegen sträuben. Auch du wirst durch die schmerzlichen Flammen der Läuterung gehen — o gehe rein aus ihnen hervor!“ — Diese Traumbilder schwanden schnell hinweg, andere traten an deren Stelle; lebensvolles Gewühl der Straßen und Märkte großer Städte, Waffenlärm der Heerlager, berghohe Meereswogen — Stürme und ruhige See — hohe Burgen und Schlösser — stille Thäler — eine Siedlerklause — eine dunkelschattende Kastanienallee — ein einsames Grab, und in dieses Grab hinabgesenkt alles Ringen und Streben, alles Jubeln und Bangen, alles Hoffen und Fürchten eines langen Erdendaseins — all’ sein Glück. Als der Erbherr mit seiner Gemahlin allein war, und das Kind zur Ruhe gebracht, blickte er Ottoline eigenthümlich forschend an, ob sie den Blick vor ihm nicht senke, ihr Auge nicht in Verwirrung niederschlage; aber sie sah ihn völlig unbefangen an, und fragte nur, da sein finsterer Blick sie erschreckte: Bist du unzufrieden, lieber Wilhelm? Bist du nicht froh? Ottoline, sprach er dumpf: es wendet mir das Herz im Busen um, zu erleben, was ich heute und gestern erlebt, daß ich kommen muß und sehen, wie meine Gemahlin den geheiligten Pokal mit ihren Lippen einem Menschen kredenzt, der in toller knabenhafter Hitze meine Mannesehre auf das Ehrloseste beleidigt und dessen Hand und Mund jenes Geräth für immer entweiht haben. Ich will den Falk von Kniphausen niemals wiedersehen, ich trank, von dir gezwungen gleichsam, zum letztenmal daraus. Dein überspanntes Gefühl der Dankbarkeit riß dich hin; daß er die scheugewordenen Pferde aufhielt, war seine Schuldigkeit — die Dienerschaft erzählte mir bei meinem Eintritt ins Schloß schon Alles — die Pferde wären auch wohl von selbst vor der Made stehen geblieben. Ein Mann von Ehrgefühl wäre nicht mit in mein Schloß gegangen. O Gott! so hätte ich gefehlt, daß ich wiederholt in ihn drang, da er sich doch entschieden weigerte! rief Ottoline. So? er weigerte sich also entschieden — und doch nicht entschieden genug — sein weiches Knaben-Herz vermochte nicht, der süßen Bitte des holden Mundes meiner Gemahlin zu widerstehen? Der Ton, mit welchem der Erbherr dies sprach, füllte Ottolinens Herz mit Weh, ihre Augen mit Thränen; sie begann leise zu zittern.

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/69>, abgerufen am 22.11.2024.