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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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durchsichtiger wurde ihre Haut, ihre Blicke aber leuchteten in einem noch höheren Glanze. Ein leises kurzes Hüsteln -- der Anflug einer hohen Röthe auf den Wangen -- das Alles sagte genug und ließ ahnen, was kommen mußte.

So viel wußte Ludwig aus Büchern, daß hier ärztliche Hülfe nichts mehr fromme, daß hier einzig Mittel der Linderung in Anwendung kommen könnten, die milden Kräfte der Pflanzenwelt, das isländische Moos, die süßen Wurzeln der Quecke und Althea.

So kam der November des Jahres 1837 herbei, dieser schaurige Monat, der das letzte Laub von den Bäumen weht, der der Mutter Erde das Leichentuch zu weben beginnt.

Ein unermeßlicher Schmerz zog durch des Grafen Seele. Das Leben mit all' seiner genossenen Süße lag hinter ihm und vor ihm lag der Tod in seiner holdesten Gestalt!

Es war ein bitteres, tiefempfundenes Scheiden, doch ohne Schmerz, ohne Qual. Menschen konnten das Weh dieser Trennung nicht ermessen, und Menschen waren auch keine Zeugen derselben. Da schluchzte keine weinende Dienerschaft auf den Knien, da sprach kein Priester Worte des Trostes, wie bei Ottolinens Sterbelager, da kniete nur ein einziger weinender, alternder Mann, und hatte keinen Trost, nicht für sie, nicht für sich.

Ich sterbe gern, flüsterte Sophie mit matter Stimme. Ich danke dir, mein Ludwig! Wie ich soviel, wie ich Alles dir danke -- so danke ich dir auch noch für deine Treue -- in dieser letzten Stunde! -- Vergiß deine arme Sophie nicht! -- Du bleibst nun allein -- o tritt wieder hinaus in die Welt -- begrabe dich nicht länger in der Abgeschiedenheit, denn nur um meinetwillen hast du dich in diese Einsamkeit zurückgezogen. -- Ich habe viel entbehrt, was das Leben andern glücklicheren Menschen bietet, aber ich habe dich gehabt, du hast mich reich entschädigt -- und wir waren glücklich. Alles, was ich habe, gabst du mir -- Alles was ich bedurfte, warst du mir -- noch einmal das altgewohnte Wort: mein Ludwig -- ich danke dir!

Bebend hielt der Graf die immer matter werdende zarte Gestalt, die auf ihr Ruhebette hingegossen lag, in seinen Armen, er küßte noch ihre letzten Thränen an den langen dunkeln Wimpern auf.

durchsichtiger wurde ihre Haut, ihre Blicke aber leuchteten in einem noch höheren Glanze. Ein leises kurzes Hüsteln — der Anflug einer hohen Röthe auf den Wangen — das Alles sagte genug und ließ ahnen, was kommen mußte.

So viel wußte Ludwig aus Büchern, daß hier ärztliche Hülfe nichts mehr fromme, daß hier einzig Mittel der Linderung in Anwendung kommen könnten, die milden Kräfte der Pflanzenwelt, das isländische Moos, die süßen Wurzeln der Quecke und Althea.

So kam der November des Jahres 1837 herbei, dieser schaurige Monat, der das letzte Laub von den Bäumen weht, der der Mutter Erde das Leichentuch zu weben beginnt.

Ein unermeßlicher Schmerz zog durch des Grafen Seele. Das Leben mit all’ seiner genossenen Süße lag hinter ihm und vor ihm lag der Tod in seiner holdesten Gestalt!

Es war ein bitteres, tiefempfundenes Scheiden, doch ohne Schmerz, ohne Qual. Menschen konnten das Weh dieser Trennung nicht ermessen, und Menschen waren auch keine Zeugen derselben. Da schluchzte keine weinende Dienerschaft auf den Knien, da sprach kein Priester Worte des Trostes, wie bei Ottolinens Sterbelager, da kniete nur ein einziger weinender, alternder Mann, und hatte keinen Trost, nicht für sie, nicht für sich.

Ich sterbe gern, flüsterte Sophie mit matter Stimme. Ich danke dir, mein Ludwig! Wie ich soviel, wie ich Alles dir danke — so danke ich dir auch noch für deine Treue — in dieser letzten Stunde! — Vergiß deine arme Sophie nicht! — Du bleibst nun allein — o tritt wieder hinaus in die Welt — begrabe dich nicht länger in der Abgeschiedenheit, denn nur um meinetwillen hast du dich in diese Einsamkeit zurückgezogen. — Ich habe viel entbehrt, was das Leben andern glücklicheren Menschen bietet, aber ich habe dich gehabt, du hast mich reich entschädigt — und wir waren glücklich. Alles, was ich habe, gabst du mir — Alles was ich bedurfte, warst du mir — noch einmal das altgewohnte Wort: mein Ludwig — ich danke dir!

Bebend hielt der Graf die immer matter werdende zarte Gestalt, die auf ihr Ruhebette hingegossen lag, in seinen Armen, er küßte noch ihre letzten Thränen an den langen dunkeln Wimpern auf.

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[454/0458] durchsichtiger wurde ihre Haut, ihre Blicke aber leuchteten in einem noch höheren Glanze. Ein leises kurzes Hüsteln — der Anflug einer hohen Röthe auf den Wangen — das Alles sagte genug und ließ ahnen, was kommen mußte. So viel wußte Ludwig aus Büchern, daß hier ärztliche Hülfe nichts mehr fromme, daß hier einzig Mittel der Linderung in Anwendung kommen könnten, die milden Kräfte der Pflanzenwelt, das isländische Moos, die süßen Wurzeln der Quecke und Althea. So kam der November des Jahres 1837 herbei, dieser schaurige Monat, der das letzte Laub von den Bäumen weht, der der Mutter Erde das Leichentuch zu weben beginnt. Ein unermeßlicher Schmerz zog durch des Grafen Seele. Das Leben mit all’ seiner genossenen Süße lag hinter ihm und vor ihm lag der Tod in seiner holdesten Gestalt! Es war ein bitteres, tiefempfundenes Scheiden, doch ohne Schmerz, ohne Qual. Menschen konnten das Weh dieser Trennung nicht ermessen, und Menschen waren auch keine Zeugen derselben. Da schluchzte keine weinende Dienerschaft auf den Knien, da sprach kein Priester Worte des Trostes, wie bei Ottolinens Sterbelager, da kniete nur ein einziger weinender, alternder Mann, und hatte keinen Trost, nicht für sie, nicht für sich. Ich sterbe gern, flüsterte Sophie mit matter Stimme. Ich danke dir, mein Ludwig! Wie ich soviel, wie ich Alles dir danke — so danke ich dir auch noch für deine Treue — in dieser letzten Stunde! — Vergiß deine arme Sophie nicht! — Du bleibst nun allein — o tritt wieder hinaus in die Welt — begrabe dich nicht länger in der Abgeschiedenheit, denn nur um meinetwillen hast du dich in diese Einsamkeit zurückgezogen. — Ich habe viel entbehrt, was das Leben andern glücklicheren Menschen bietet, aber ich habe dich gehabt, du hast mich reich entschädigt — und wir waren glücklich. Alles, was ich habe, gabst du mir — Alles was ich bedurfte, warst du mir — noch einmal das altgewohnte Wort: mein Ludwig — ich danke dir! Bebend hielt der Graf die immer matter werdende zarte Gestalt, die auf ihr Ruhebette hingegossen lag, in seinen Armen, er küßte noch ihre letzten Thränen an den langen dunkeln Wimpern auf.

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/458>, abgerufen am 23.11.2024.