Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

Jugenderinnerungen im Gemüthe des Jünglings wach würden? Denn wie nahe liegt der Gedanke eines Verdachts? Hier ein einsames und stilles Schloß, bewohnt von einem gänzlich von der Gesellschaft getrennten Paare, über dessen Herkunft die dichtesten Schleier gebreitet sind. Könnte nicht hier jener unglückselige Knabe geboren worden, nicht hier sein Kerker gewesen sein? Wehe uns, wenn der junge Mensch vielleicht durch Aehnlichkeiten dieses Ortes mit seiner früheren Umgebung getäuscht, Vermuthungen ausgesprochen hätte, unsere Ruhe wäre dann auf das Aeußerste bedroht.

Der Himmel sei gepriesen, daß sie wieder fort sind! sprach Sophie und suchte des Freundes Besorgnisse zu zerstreuen. --

In das Publikum kamen immer neue Märchen über den geheimnißvollen Grafen. Was längst gesichert erschien, Ludwigs völlig ungestörter Aufenthalt in Eishausen, das wurde jetzt erst als bedroht angesehen und erregte Besorgniß. Die Stadt und die dortige obere Behörde hätte nur ungern den Mann aus dem Lande scheiden sehen, der fort und fort durch großmüthige Unterstützung der Armen und Nothleidenden sich nützlich und wohlwollend erwies, und beschloß deßhalb, dem Grafen ein sichtbares Zeichen dankbarer Anerkennung zu geben. Sie verlieh ihm das Ehrenbürgerrecht der vormaligen Residenzstadt Hildburghausen. Es konnte nicht fehlen, daß dieses Zeichen dankbarer Würdigung und Hochachtung seines Charakters Ludwig tief rührte und innig erfreute, und um so lieber blieb er nun in der stillen Häuslichkeit und in dem engen Kreise, den nun schon so lange und bis in das nahende Alter hinein um ihn und Sophie die traute Gewohnheit gezogen hatte. Um aber nicht blos Bürger der Stadt Hildburghausen zu heißen, sondern auch der That nach es zu sein, erwarb er käuflich ein Wohnhaus in der Stadtnähe, mit einem an dasselbe stoßenden Garten und ließ auch noch einen an diesen angrenzenden Wiesengarten von einem dritten Besitzer erkaufen. Bald umgab auch dieses Haus der Zauber des Geheimnißvollen; hohe dichte Bretterumzäunungen friedigten das neue Besitzthum, Hof und Gärten ein; Läden, welche stets verschlossen blieben, verwehrten das Erdgeschoß gegen jeden zudringlichen Blick.

Das Haus wurde völlig zur Wohnung eingerichtet und angemessen möblirt, auch ein neuer, höchst eleganter Wagen wurde eigens von

Jugenderinnerungen im Gemüthe des Jünglings wach würden? Denn wie nahe liegt der Gedanke eines Verdachts? Hier ein einsames und stilles Schloß, bewohnt von einem gänzlich von der Gesellschaft getrennten Paare, über dessen Herkunft die dichtesten Schleier gebreitet sind. Könnte nicht hier jener unglückselige Knabe geboren worden, nicht hier sein Kerker gewesen sein? Wehe uns, wenn der junge Mensch vielleicht durch Aehnlichkeiten dieses Ortes mit seiner früheren Umgebung getäuscht, Vermuthungen ausgesprochen hätte, unsere Ruhe wäre dann auf das Aeußerste bedroht.

Der Himmel sei gepriesen, daß sie wieder fort sind! sprach Sophie und suchte des Freundes Besorgnisse zu zerstreuen. —

In das Publikum kamen immer neue Märchen über den geheimnißvollen Grafen. Was längst gesichert erschien, Ludwigs völlig ungestörter Aufenthalt in Eishausen, das wurde jetzt erst als bedroht angesehen und erregte Besorgniß. Die Stadt und die dortige obere Behörde hätte nur ungern den Mann aus dem Lande scheiden sehen, der fort und fort durch großmüthige Unterstützung der Armen und Nothleidenden sich nützlich und wohlwollend erwies, und beschloß deßhalb, dem Grafen ein sichtbares Zeichen dankbarer Anerkennung zu geben. Sie verlieh ihm das Ehrenbürgerrecht der vormaligen Residenzstadt Hildburghausen. Es konnte nicht fehlen, daß dieses Zeichen dankbarer Würdigung und Hochachtung seines Charakters Ludwig tief rührte und innig erfreute, und um so lieber blieb er nun in der stillen Häuslichkeit und in dem engen Kreise, den nun schon so lange und bis in das nahende Alter hinein um ihn und Sophie die traute Gewohnheit gezogen hatte. Um aber nicht blos Bürger der Stadt Hildburghausen zu heißen, sondern auch der That nach es zu sein, erwarb er käuflich ein Wohnhaus in der Stadtnähe, mit einem an dasselbe stoßenden Garten und ließ auch noch einen an diesen angrenzenden Wiesengarten von einem dritten Besitzer erkaufen. Bald umgab auch dieses Haus der Zauber des Geheimnißvollen; hohe dichte Bretterumzäunungen friedigten das neue Besitzthum, Hof und Gärten ein; Läden, welche stets verschlossen blieben, verwehrten das Erdgeschoß gegen jeden zudringlichen Blick.

Das Haus wurde völlig zur Wohnung eingerichtet und angemessen möblirt, auch ein neuer, höchst eleganter Wagen wurde eigens von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0450" n="446"/>
Jugenderinnerungen im Gemüthe des Jünglings wach würden? Denn wie nahe liegt der Gedanke eines Verdachts? Hier ein einsames und stilles Schloß, bewohnt von einem gänzlich von der Gesellschaft getrennten Paare, über dessen Herkunft die dichtesten Schleier gebreitet sind. Könnte nicht hier jener unglückselige Knabe geboren worden, nicht hier sein Kerker gewesen sein? Wehe uns, wenn der junge Mensch vielleicht durch Aehnlichkeiten dieses Ortes mit seiner früheren Umgebung getäuscht, Vermuthungen ausgesprochen hätte, unsere Ruhe wäre dann auf das Aeußerste bedroht.</p>
          <p>Der Himmel sei gepriesen, daß sie wieder fort sind! sprach Sophie und suchte des Freundes Besorgnisse zu zerstreuen. &#x2014;</p>
          <p>In das Publikum kamen immer neue Märchen über den geheimnißvollen Grafen. Was längst gesichert erschien, Ludwigs völlig ungestörter Aufenthalt in Eishausen, das wurde jetzt erst als bedroht angesehen und erregte Besorgniß. Die Stadt und die dortige obere Behörde hätte nur ungern den Mann aus dem Lande scheiden sehen, der fort und fort durch großmüthige Unterstützung der Armen und Nothleidenden sich nützlich und wohlwollend erwies, und beschloß deßhalb, dem Grafen ein sichtbares Zeichen dankbarer Anerkennung zu geben. Sie verlieh ihm das Ehrenbürgerrecht der vormaligen Residenzstadt Hildburghausen. Es konnte nicht fehlen, daß dieses Zeichen dankbarer Würdigung und Hochachtung seines Charakters Ludwig tief rührte und innig erfreute, und um so lieber blieb er nun in der stillen Häuslichkeit und in dem engen Kreise, den nun schon so lange und bis in das nahende Alter hinein um ihn und Sophie die traute Gewohnheit gezogen hatte. Um aber nicht blos Bürger der Stadt Hildburghausen zu heißen, sondern auch der That nach es zu sein, erwarb er käuflich ein Wohnhaus in der Stadtnähe, mit einem an dasselbe stoßenden Garten und ließ auch noch einen an diesen angrenzenden Wiesengarten von einem dritten Besitzer erkaufen. Bald umgab auch dieses Haus der Zauber des Geheimnißvollen; hohe dichte Bretterumzäunungen friedigten das neue Besitzthum, Hof und Gärten ein; Läden, welche stets verschlossen blieben, verwehrten das Erdgeschoß gegen jeden zudringlichen Blick.</p>
          <p>Das Haus wurde völlig zur Wohnung eingerichtet und angemessen möblirt, auch ein neuer, höchst eleganter Wagen wurde eigens von
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[446/0450] Jugenderinnerungen im Gemüthe des Jünglings wach würden? Denn wie nahe liegt der Gedanke eines Verdachts? Hier ein einsames und stilles Schloß, bewohnt von einem gänzlich von der Gesellschaft getrennten Paare, über dessen Herkunft die dichtesten Schleier gebreitet sind. Könnte nicht hier jener unglückselige Knabe geboren worden, nicht hier sein Kerker gewesen sein? Wehe uns, wenn der junge Mensch vielleicht durch Aehnlichkeiten dieses Ortes mit seiner früheren Umgebung getäuscht, Vermuthungen ausgesprochen hätte, unsere Ruhe wäre dann auf das Aeußerste bedroht. Der Himmel sei gepriesen, daß sie wieder fort sind! sprach Sophie und suchte des Freundes Besorgnisse zu zerstreuen. — In das Publikum kamen immer neue Märchen über den geheimnißvollen Grafen. Was längst gesichert erschien, Ludwigs völlig ungestörter Aufenthalt in Eishausen, das wurde jetzt erst als bedroht angesehen und erregte Besorgniß. Die Stadt und die dortige obere Behörde hätte nur ungern den Mann aus dem Lande scheiden sehen, der fort und fort durch großmüthige Unterstützung der Armen und Nothleidenden sich nützlich und wohlwollend erwies, und beschloß deßhalb, dem Grafen ein sichtbares Zeichen dankbarer Anerkennung zu geben. Sie verlieh ihm das Ehrenbürgerrecht der vormaligen Residenzstadt Hildburghausen. Es konnte nicht fehlen, daß dieses Zeichen dankbarer Würdigung und Hochachtung seines Charakters Ludwig tief rührte und innig erfreute, und um so lieber blieb er nun in der stillen Häuslichkeit und in dem engen Kreise, den nun schon so lange und bis in das nahende Alter hinein um ihn und Sophie die traute Gewohnheit gezogen hatte. Um aber nicht blos Bürger der Stadt Hildburghausen zu heißen, sondern auch der That nach es zu sein, erwarb er käuflich ein Wohnhaus in der Stadtnähe, mit einem an dasselbe stoßenden Garten und ließ auch noch einen an diesen angrenzenden Wiesengarten von einem dritten Besitzer erkaufen. Bald umgab auch dieses Haus der Zauber des Geheimnißvollen; hohe dichte Bretterumzäunungen friedigten das neue Besitzthum, Hof und Gärten ein; Läden, welche stets verschlossen blieben, verwehrten das Erdgeschoß gegen jeden zudringlichen Blick. Das Haus wurde völlig zur Wohnung eingerichtet und angemessen möblirt, auch ein neuer, höchst eleganter Wagen wurde eigens von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML. (2013-01-22T14:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
austrian literature online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-22T14:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-22T14:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/450
Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/450>, abgerufen am 02.06.2024.