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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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und dich ewig lieben und im Himmel, wo sie zu weilen hofft, wenn du dieses liest, für dich bitten wird."

Ludwig endete, Sophie hatte mit Verwunderung zugehört.

Und was würdest du nun thun, lieber Ludwig, fragte sie sonderbar bewegt, wenn du Leonardus wärst?

Was Leonardus ganz sicher selbst gethan haben würde, entgegnete der Graf feierlich. Tief in Grabesschweigen würde ich ruhen lassen alles Vergangene, was längst dahin ist und vergessen. Von mir soll Niemand diese Aufschlüsse erhalten, ich werde sie vernichten. Zugleich freue ich mich, daß Leonardus diese Zeilen nicht vor sein Auge bekam; wozu frommen solche Aufschlüsse, solche Bekenntnisse? Nur beunruhigen können sie, oder verwirren. Was frommt alte Abkunft, was frommen Ahnenreihen, Wappenschilde, hohe Namen, wenn nicht das Glück eines ungetrübten innern Friedens im Herzen wohnt? Was gilt uns Bourbon? Was gilt uns Conde? Du hast das zart und sinnig empfunden, meine engelholde Sophie, indem du jene Sinnbilder auf dein Geschenk für mich sticktest. Was sollen uns die Lilien eines Stammwappens? Die Gartenlilien sind schöner. Was sollte uns ein heraldisches Ankerkreuz? Der Anker ist schöner als das Sinnbild der Hoffnung, der Festigkeit und der ausdauernden Treue.

Die du mir bewiesen hast, du lieber Mann, so treu wie Gold und treuer noch! rief Sophie mit Zärtlichkeit.

Und weißt du, meine Liebe, ob sich gegen diese Angaben der guten Frau Maria Johanna van der Valck, denen ohnehin auch nicht ein Schein von Rechtsgültigkeit innewohnt, nicht noch die stärksten Zweifel erheben lassen? fuhr der Graf nach einer Pause fort. Kann nicht die Dienerin von Leonardus Mutter sich vergriffen haben im Tumult, im Sturm, im Dunkel und ihrer Herrin Kind mit Stücken aus der Garderobe des reichsgräflichen bekleidet haben?

Aber die Aehnlichkeit? entgegnete Sophie; und was du vorhin sagtest, die Stimme der Natur?

Eins konnte Zufall und Täuschung sein wie das Andere. Mir bleibt freigestellt, für gewiß anzunehmen, daß unser verklärter Freund mein leiblicher Bruder war, und ich empfinde sogar eine hohe Freude in diesem Glauben; aber er ist uns entrissen, ist dahingegangen, von wo nimmer eine Wiederkehr, wo ihm Niemand seine

und dich ewig lieben und im Himmel, wo sie zu weilen hofft, wenn du dieses liest, für dich bitten wird.“

Ludwig endete, Sophie hatte mit Verwunderung zugehört.

Und was würdest du nun thun, lieber Ludwig, fragte sie sonderbar bewegt, wenn du Leonardus wärst?

Was Leonardus ganz sicher selbst gethan haben würde, entgegnete der Graf feierlich. Tief in Grabesschweigen würde ich ruhen lassen alles Vergangene, was längst dahin ist und vergessen. Von mir soll Niemand diese Aufschlüsse erhalten, ich werde sie vernichten. Zugleich freue ich mich, daß Leonardus diese Zeilen nicht vor sein Auge bekam; wozu frommen solche Aufschlüsse, solche Bekenntnisse? Nur beunruhigen können sie, oder verwirren. Was frommt alte Abkunft, was frommen Ahnenreihen, Wappenschilde, hohe Namen, wenn nicht das Glück eines ungetrübten innern Friedens im Herzen wohnt? Was gilt uns Bourbon? Was gilt uns Condé? Du hast das zart und sinnig empfunden, meine engelholde Sophie, indem du jene Sinnbilder auf dein Geschenk für mich sticktest. Was sollen uns die Lilien eines Stammwappens? Die Gartenlilien sind schöner. Was sollte uns ein heraldisches Ankerkreuz? Der Anker ist schöner als das Sinnbild der Hoffnung, der Festigkeit und der ausdauernden Treue.

Die du mir bewiesen hast, du lieber Mann, so treu wie Gold und treuer noch! rief Sophie mit Zärtlichkeit.

Und weißt du, meine Liebe, ob sich gegen diese Angaben der guten Frau Maria Johanna van der Valck, denen ohnehin auch nicht ein Schein von Rechtsgültigkeit innewohnt, nicht noch die stärksten Zweifel erheben lassen? fuhr der Graf nach einer Pause fort. Kann nicht die Dienerin von Leonardus Mutter sich vergriffen haben im Tumult, im Sturm, im Dunkel und ihrer Herrin Kind mit Stücken aus der Garderobe des reichsgräflichen bekleidet haben?

Aber die Aehnlichkeit? entgegnete Sophie; und was du vorhin sagtest, die Stimme der Natur?

Eins konnte Zufall und Täuschung sein wie das Andere. Mir bleibt freigestellt, für gewiß anzunehmen, daß unser verklärter Freund mein leiblicher Bruder war, und ich empfinde sogar eine hohe Freude in diesem Glauben; aber er ist uns entrissen, ist dahingegangen, von wo nimmer eine Wiederkehr, wo ihm Niemand seine

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[427/0431] und dich ewig lieben und im Himmel, wo sie zu weilen hofft, wenn du dieses liest, für dich bitten wird.“ Ludwig endete, Sophie hatte mit Verwunderung zugehört. Und was würdest du nun thun, lieber Ludwig, fragte sie sonderbar bewegt, wenn du Leonardus wärst? Was Leonardus ganz sicher selbst gethan haben würde, entgegnete der Graf feierlich. Tief in Grabesschweigen würde ich ruhen lassen alles Vergangene, was längst dahin ist und vergessen. Von mir soll Niemand diese Aufschlüsse erhalten, ich werde sie vernichten. Zugleich freue ich mich, daß Leonardus diese Zeilen nicht vor sein Auge bekam; wozu frommen solche Aufschlüsse, solche Bekenntnisse? Nur beunruhigen können sie, oder verwirren. Was frommt alte Abkunft, was frommen Ahnenreihen, Wappenschilde, hohe Namen, wenn nicht das Glück eines ungetrübten innern Friedens im Herzen wohnt? Was gilt uns Bourbon? Was gilt uns Condé? Du hast das zart und sinnig empfunden, meine engelholde Sophie, indem du jene Sinnbilder auf dein Geschenk für mich sticktest. Was sollen uns die Lilien eines Stammwappens? Die Gartenlilien sind schöner. Was sollte uns ein heraldisches Ankerkreuz? Der Anker ist schöner als das Sinnbild der Hoffnung, der Festigkeit und der ausdauernden Treue. Die du mir bewiesen hast, du lieber Mann, so treu wie Gold und treuer noch! rief Sophie mit Zärtlichkeit. Und weißt du, meine Liebe, ob sich gegen diese Angaben der guten Frau Maria Johanna van der Valck, denen ohnehin auch nicht ein Schein von Rechtsgültigkeit innewohnt, nicht noch die stärksten Zweifel erheben lassen? fuhr der Graf nach einer Pause fort. Kann nicht die Dienerin von Leonardus Mutter sich vergriffen haben im Tumult, im Sturm, im Dunkel und ihrer Herrin Kind mit Stücken aus der Garderobe des reichsgräflichen bekleidet haben? Aber die Aehnlichkeit? entgegnete Sophie; und was du vorhin sagtest, die Stimme der Natur? Eins konnte Zufall und Täuschung sein wie das Andere. Mir bleibt freigestellt, für gewiß anzunehmen, daß unser verklärter Freund mein leiblicher Bruder war, und ich empfinde sogar eine hohe Freude in diesem Glauben; aber er ist uns entrissen, ist dahingegangen, von wo nimmer eine Wiederkehr, wo ihm Niemand seine

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/431>, abgerufen am 22.11.2024.