Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.Petersburg den Großfürsten Alexander kurz vor seiner Thronbesteigung kennen gelernt. Die persönliche Liebenswürdigkeit dieses jugendlichen Monarchen, den selbst Napoleon einen Apoll nannte, hatte auch die Prinzessin für ihn eingenommen. Sie hatte ihn dann am Hofe zu Baden bei seiner Vermählung mit der schönen Tochter des fürstlichen Hauses, Prinzessin Elisabeth, wiedergesehen, rechnete auf des Kaisers Huld und Gunst und schrieb an ihn. Alexanders Antwort sandte die Prinzessin an Ludwig, sie lautete: "Stellen Sie, Prinzessin, mir diejenigen Personen vor, deren Schutz Sie von mir wünschen, ich werde Alles zu deren Zufriedenheit und zu Ihrer Beruhigung thun. Sie kennen meine Gesinnung und meine Theilnahme an dem Unglück, das Sie betroffen, ich habe bei dieser grausamen Verletzung des Völkerrechts und jenem Meuchelmord, vor dem ganz Europa noch immer schaudert, als deutscher Reichsfürst Schritte gethan, daß Genugthuung für die Gebietsverletzung des Kurfürstenthums gefordert werde, allein welche Genugthuung wäre hinreichend, Ihrem Herzen zu genügen. Kaum die, daß ich im Bunde mit Oesterreich Frankreich den Krieg erklärt habe." "Reisen Sie, bester Graf," schrieb die Prinzessin an Ludwig, "mit Sophie zum Kaiser, hören Sie dessen Befehle, ich überlasse alles Weitere Ihrer Einsicht, Ihrer Freundestreue, Ihrer Ehre und Ihrer Anhänglichkeit an mich und mein Kind. Der Himmel führe Sie Beide! Sie treffen, wenn Sie nicht säumen, den Kaiser noch in Wien. Eilen Sie dorthin und beruhigen Sie bald eine unglückliche Mutter, die für ihr Kind zittert, während sie bereits um ihren gemordeten Gatten der Verzweiflung anheimfiel!" -- Graf Ludwig billigte in seinem Innern diesen eigenthümlichen Vorschlag keineswegs. Es war eine Abneigung in ihm gegen alles Russische, wie sehr er auch den persönlichen Eigenschaften des jungen Kaisers Verehrung zollte. Diese Abneigung entsprang gleichsam einem ererbten Familiengroll, der im Blute lag; das Haus, dessen Sohn Ludwig war, konnte es nie verschmerzen, daß die russisch gewordene Herrschaft Jever -- in ihr bestand das deutsche Reichsfürstenthum Kaiser Alexanders I., an welches Ludwig durch des Kaisers Brief erinnert wurde -- die einst dem Hause gehört hatte, jetzt von diesem abgerissen Petersburg den Großfürsten Alexander kurz vor seiner Thronbesteigung kennen gelernt. Die persönliche Liebenswürdigkeit dieses jugendlichen Monarchen, den selbst Napoleon einen Apoll nannte, hatte auch die Prinzessin für ihn eingenommen. Sie hatte ihn dann am Hofe zu Baden bei seiner Vermählung mit der schönen Tochter des fürstlichen Hauses, Prinzessin Elisabeth, wiedergesehen, rechnete auf des Kaisers Huld und Gunst und schrieb an ihn. Alexanders Antwort sandte die Prinzessin an Ludwig, sie lautete: „Stellen Sie, Prinzessin, mir diejenigen Personen vor, deren Schutz Sie von mir wünschen, ich werde Alles zu deren Zufriedenheit und zu Ihrer Beruhigung thun. Sie kennen meine Gesinnung und meine Theilnahme an dem Unglück, das Sie betroffen, ich habe bei dieser grausamen Verletzung des Völkerrechts und jenem Meuchelmord, vor dem ganz Europa noch immer schaudert, als deutscher Reichsfürst Schritte gethan, daß Genugthuung für die Gebietsverletzung des Kurfürstenthums gefordert werde, allein welche Genugthuung wäre hinreichend, Ihrem Herzen zu genügen. Kaum die, daß ich im Bunde mit Oesterreich Frankreich den Krieg erklärt habe.“ „Reisen Sie, bester Graf,“ schrieb die Prinzessin an Ludwig, „mit Sophie zum Kaiser, hören Sie dessen Befehle, ich überlasse alles Weitere Ihrer Einsicht, Ihrer Freundestreue, Ihrer Ehre und Ihrer Anhänglichkeit an mich und mein Kind. Der Himmel führe Sie Beide! Sie treffen, wenn Sie nicht säumen, den Kaiser noch in Wien. Eilen Sie dorthin und beruhigen Sie bald eine unglückliche Mutter, die für ihr Kind zittert, während sie bereits um ihren gemordeten Gatten der Verzweiflung anheimfiel!“ — Graf Ludwig billigte in seinem Innern diesen eigenthümlichen Vorschlag keineswegs. Es war eine Abneigung in ihm gegen alles Russische, wie sehr er auch den persönlichen Eigenschaften des jungen Kaisers Verehrung zollte. Diese Abneigung entsprang gleichsam einem ererbten Familiengroll, der im Blute lag; das Haus, dessen Sohn Ludwig war, konnte es nie verschmerzen, daß die russisch gewordene Herrschaft Jever — in ihr bestand das deutsche Reichsfürstenthum Kaiser Alexanders I., an welches Ludwig durch des Kaisers Brief erinnert wurde — die einst dem Hause gehört hatte, jetzt von diesem abgerissen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0406" n="402"/> Petersburg den Großfürsten Alexander kurz vor seiner Thronbesteigung kennen gelernt. Die persönliche Liebenswürdigkeit dieses jugendlichen Monarchen, den selbst Napoleon einen Apoll nannte, hatte auch die Prinzessin für ihn eingenommen.</p> <p>Sie hatte ihn dann am Hofe zu Baden bei seiner Vermählung mit der schönen Tochter des fürstlichen Hauses, Prinzessin Elisabeth, wiedergesehen, rechnete auf des Kaisers Huld und Gunst und schrieb an ihn.</p> <p>Alexanders Antwort sandte die Prinzessin an Ludwig, sie lautete: „Stellen Sie, Prinzessin, mir diejenigen Personen vor, deren Schutz Sie von mir wünschen, ich werde Alles zu deren Zufriedenheit und zu Ihrer Beruhigung thun. Sie kennen meine Gesinnung und meine Theilnahme an dem Unglück, das Sie betroffen, ich habe bei dieser grausamen Verletzung des Völkerrechts und jenem Meuchelmord, vor dem ganz Europa noch immer schaudert, als deutscher Reichsfürst Schritte gethan, daß Genugthuung für die Gebietsverletzung des Kurfürstenthums gefordert werde, allein welche Genugthuung wäre hinreichend, Ihrem Herzen zu genügen. Kaum die, daß ich im Bunde mit Oesterreich Frankreich den Krieg erklärt habe.“ </p> <p>„Reisen Sie, bester Graf,“ schrieb die Prinzessin an Ludwig, „mit Sophie zum Kaiser, hören Sie dessen Befehle, ich überlasse alles Weitere Ihrer Einsicht, Ihrer Freundestreue, Ihrer Ehre und Ihrer Anhänglichkeit an mich und mein Kind. Der Himmel führe Sie Beide! Sie treffen, wenn Sie nicht säumen, den Kaiser noch in Wien. Eilen Sie dorthin und beruhigen Sie bald eine unglückliche Mutter, die für ihr Kind zittert, während sie bereits um ihren gemordeten Gatten der Verzweiflung anheimfiel!“ —</p> <p>Graf Ludwig billigte in seinem Innern diesen eigenthümlichen Vorschlag keineswegs. Es war eine Abneigung in ihm gegen alles Russische, wie sehr er auch den persönlichen Eigenschaften des jungen Kaisers Verehrung zollte. Diese Abneigung entsprang gleichsam einem ererbten Familiengroll, der im Blute lag; das Haus, dessen Sohn Ludwig war, konnte es nie verschmerzen, daß die russisch gewordene Herrschaft Jever — in ihr bestand das deutsche Reichsfürstenthum Kaiser Alexanders I., an welches Ludwig durch des Kaisers Brief erinnert wurde — die einst dem Hause gehört hatte, jetzt von diesem abgerissen </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [402/0406]
Petersburg den Großfürsten Alexander kurz vor seiner Thronbesteigung kennen gelernt. Die persönliche Liebenswürdigkeit dieses jugendlichen Monarchen, den selbst Napoleon einen Apoll nannte, hatte auch die Prinzessin für ihn eingenommen.
Sie hatte ihn dann am Hofe zu Baden bei seiner Vermählung mit der schönen Tochter des fürstlichen Hauses, Prinzessin Elisabeth, wiedergesehen, rechnete auf des Kaisers Huld und Gunst und schrieb an ihn.
Alexanders Antwort sandte die Prinzessin an Ludwig, sie lautete: „Stellen Sie, Prinzessin, mir diejenigen Personen vor, deren Schutz Sie von mir wünschen, ich werde Alles zu deren Zufriedenheit und zu Ihrer Beruhigung thun. Sie kennen meine Gesinnung und meine Theilnahme an dem Unglück, das Sie betroffen, ich habe bei dieser grausamen Verletzung des Völkerrechts und jenem Meuchelmord, vor dem ganz Europa noch immer schaudert, als deutscher Reichsfürst Schritte gethan, daß Genugthuung für die Gebietsverletzung des Kurfürstenthums gefordert werde, allein welche Genugthuung wäre hinreichend, Ihrem Herzen zu genügen. Kaum die, daß ich im Bunde mit Oesterreich Frankreich den Krieg erklärt habe.“
„Reisen Sie, bester Graf,“ schrieb die Prinzessin an Ludwig, „mit Sophie zum Kaiser, hören Sie dessen Befehle, ich überlasse alles Weitere Ihrer Einsicht, Ihrer Freundestreue, Ihrer Ehre und Ihrer Anhänglichkeit an mich und mein Kind. Der Himmel führe Sie Beide! Sie treffen, wenn Sie nicht säumen, den Kaiser noch in Wien. Eilen Sie dorthin und beruhigen Sie bald eine unglückliche Mutter, die für ihr Kind zittert, während sie bereits um ihren gemordeten Gatten der Verzweiflung anheimfiel!“ —
Graf Ludwig billigte in seinem Innern diesen eigenthümlichen Vorschlag keineswegs. Es war eine Abneigung in ihm gegen alles Russische, wie sehr er auch den persönlichen Eigenschaften des jungen Kaisers Verehrung zollte. Diese Abneigung entsprang gleichsam einem ererbten Familiengroll, der im Blute lag; das Haus, dessen Sohn Ludwig war, konnte es nie verschmerzen, daß die russisch gewordene Herrschaft Jever — in ihr bestand das deutsche Reichsfürstenthum Kaiser Alexanders I., an welches Ludwig durch des Kaisers Brief erinnert wurde — die einst dem Hause gehört hatte, jetzt von diesem abgerissen
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