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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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die mit der Schule von Salerno begann und mit der berühmten und allverbreiteten würtembergischen Pharmacopöe abschloß, ließ Einblicke thun in den Geist und in die Fortschritte der pharmaceutischen Wissenschaft und Chemie. Praktische Arbeiten, die nur im Winter vorgenommen werden können, wie die Bereitung und Destillation der Naphten, ja selbst das Pulvern zäher Harze, die nur Winterkälte so hart macht, daß sie zu Staub zermalt werden können von der schweren Wucht der Mörserkeulen, des Gelbanum, die Asa u. a., boten dem Beschauer manches Anziehende dar, nicht minder chemische Experimente, die mannichfach erfreuten.

Der Graf gewann die Achtung Aller, denen Gelegenheit wurde, ihn persönlich kennen zu lernen. Ueber politische Verhältnisse äußerte er sich nur mit großer, fast diplomatischer Vorsicht und vermied absichtlich, als Parteimann zu erscheinen; doch verhehlte er nicht, daß ihm die alte Dynastie Frankreichs lieber war, als die gegenwärtige Regierung, daß er aber noch zur Zeit ungleich mehr die Revolution selbst verabscheue, als ihren muth- und kraftvollen Bezwinger.

Während nun fort und fort die Wißbegierde in Ingelfingen wach blieb, zu wissen, wer der fremde Herr eigentlich sei, ob er nicht, wie Einige muthmaßten, ein französischer Prinz, ja ob er nicht gar Monsieur selbst sei, weshalb ihn auch einige Male der Postmeister Monseigneur anredete, was aber mit guter Absicht von Ludwig ganz überhört wurde, machte ein unseliges Ereigniß dem Aufenthalte des Gegenstandes so vieler heimlichen Fragen und so vielen Kopfzerbrechens zu Ingelfingen ein urplötzliches Ende.

Philipp kam von Ettenheim zurück, mit demselben bestürzten und verstörten Aussehen, wie damals, als er die Botschaft von Anges' Ermordung überbrachte, und erstattete seinem Herrn einen Bericht, der diesem das Haar emporsträuben machte.

Gnädiger Herr! begann er athemlos: Sie müssen mir sogleich einen sichern Paß verschaffen, daß ich weiter kann! Ich darf keine Stunde hier weilen, ich muß weiter!

Was ist geschehen? fragte Ludwig betroffen.

Was geschehen ist? Herr Gott im Himmel! Unerhörtes und Entsetzliches ist geschehen! Lesen Sie, gnädiger Herr! Damit übergab er seinem Gebieter einen Brief, der in Eile zusammengefaltet und

die mit der Schule von Salerno begann und mit der berühmten und allverbreiteten würtembergischen Pharmacopöe abschloß, ließ Einblicke thun in den Geist und in die Fortschritte der pharmaceutischen Wissenschaft und Chemie. Praktische Arbeiten, die nur im Winter vorgenommen werden können, wie die Bereitung und Destillation der Naphten, ja selbst das Pulvern zäher Harze, die nur Winterkälte so hart macht, daß sie zu Staub zermalt werden können von der schweren Wucht der Mörserkeulen, des Gelbanum, die Asa u. a., boten dem Beschauer manches Anziehende dar, nicht minder chemische Experimente, die mannichfach erfreuten.

Der Graf gewann die Achtung Aller, denen Gelegenheit wurde, ihn persönlich kennen zu lernen. Ueber politische Verhältnisse äußerte er sich nur mit großer, fast diplomatischer Vorsicht und vermied absichtlich, als Parteimann zu erscheinen; doch verhehlte er nicht, daß ihm die alte Dynastie Frankreichs lieber war, als die gegenwärtige Regierung, daß er aber noch zur Zeit ungleich mehr die Revolution selbst verabscheue, als ihren muth- und kraftvollen Bezwinger.

Während nun fort und fort die Wißbegierde in Ingelfingen wach blieb, zu wissen, wer der fremde Herr eigentlich sei, ob er nicht, wie Einige muthmaßten, ein französischer Prinz, ja ob er nicht gar Monsieur selbst sei, weshalb ihn auch einige Male der Postmeister Monseigneur anredete, was aber mit guter Absicht von Ludwig ganz überhört wurde, machte ein unseliges Ereigniß dem Aufenthalte des Gegenstandes so vieler heimlichen Fragen und so vielen Kopfzerbrechens zu Ingelfingen ein urplötzliches Ende.

Philipp kam von Ettenheim zurück, mit demselben bestürzten und verstörten Aussehen, wie damals, als er die Botschaft von Angés’ Ermordung überbrachte, und erstattete seinem Herrn einen Bericht, der diesem das Haar emporsträuben machte.

Gnädiger Herr! begann er athemlos: Sie müssen mir sogleich einen sichern Paß verschaffen, daß ich weiter kann! Ich darf keine Stunde hier weilen, ich muß weiter!

Was ist geschehen? fragte Ludwig betroffen.

Was geschehen ist? Herr Gott im Himmel! Unerhörtes und Entsetzliches ist geschehen! Lesen Sie, gnädiger Herr! Damit übergab er seinem Gebieter einen Brief, der in Eile zusammengefaltet und

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die mit der Schule von Salerno begann und mit der berühmten und allverbreiteten würtembergischen Pharmacopöe abschloß, ließ Einblicke thun in den Geist und in die Fortschritte der pharmaceutischen Wissenschaft und Chemie. Praktische Arbeiten, die nur im Winter vorgenommen werden können, wie die Bereitung und Destillation der Naphten, ja selbst das Pulvern zäher Harze, die nur Winterkälte so hart macht, daß sie zu Staub zermalt werden können von der schweren Wucht der Mörserkeulen, des Gelbanum, die Asa u. a., boten dem Beschauer manches Anziehende dar, nicht minder chemische Experimente, die mannichfach erfreuten.</p>
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[384/0388] die mit der Schule von Salerno begann und mit der berühmten und allverbreiteten würtembergischen Pharmacopöe abschloß, ließ Einblicke thun in den Geist und in die Fortschritte der pharmaceutischen Wissenschaft und Chemie. Praktische Arbeiten, die nur im Winter vorgenommen werden können, wie die Bereitung und Destillation der Naphten, ja selbst das Pulvern zäher Harze, die nur Winterkälte so hart macht, daß sie zu Staub zermalt werden können von der schweren Wucht der Mörserkeulen, des Gelbanum, die Asa u. a., boten dem Beschauer manches Anziehende dar, nicht minder chemische Experimente, die mannichfach erfreuten. Der Graf gewann die Achtung Aller, denen Gelegenheit wurde, ihn persönlich kennen zu lernen. Ueber politische Verhältnisse äußerte er sich nur mit großer, fast diplomatischer Vorsicht und vermied absichtlich, als Parteimann zu erscheinen; doch verhehlte er nicht, daß ihm die alte Dynastie Frankreichs lieber war, als die gegenwärtige Regierung, daß er aber noch zur Zeit ungleich mehr die Revolution selbst verabscheue, als ihren muth- und kraftvollen Bezwinger. Während nun fort und fort die Wißbegierde in Ingelfingen wach blieb, zu wissen, wer der fremde Herr eigentlich sei, ob er nicht, wie Einige muthmaßten, ein französischer Prinz, ja ob er nicht gar Monsieur selbst sei, weshalb ihn auch einige Male der Postmeister Monseigneur anredete, was aber mit guter Absicht von Ludwig ganz überhört wurde, machte ein unseliges Ereigniß dem Aufenthalte des Gegenstandes so vieler heimlichen Fragen und so vielen Kopfzerbrechens zu Ingelfingen ein urplötzliches Ende. Philipp kam von Ettenheim zurück, mit demselben bestürzten und verstörten Aussehen, wie damals, als er die Botschaft von Angés’ Ermordung überbrachte, und erstattete seinem Herrn einen Bericht, der diesem das Haar emporsträuben machte. Gnädiger Herr! begann er athemlos: Sie müssen mir sogleich einen sichern Paß verschaffen, daß ich weiter kann! Ich darf keine Stunde hier weilen, ich muß weiter! Was ist geschehen? fragte Ludwig betroffen. Was geschehen ist? Herr Gott im Himmel! Unerhörtes und Entsetzliches ist geschehen! Lesen Sie, gnädiger Herr! Damit übergab er seinem Gebieter einen Brief, der in Eile zusammengefaltet und

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/388>, abgerufen am 25.11.2024.