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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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Wer hätte das gedacht, daß Alles so wunderlich gekartet würde, daß Graf William, und nicht Graf Wilhelm Gustav Friedrich die Herrlichkeit übernähme, der doch erst Alles daransetzte, sie zu erlangen. Es ist in den letzten Lebenstagen der hochseligen Frau Gräfin und bei der Anwesenheit dieses guten Grafen William vielfach a la Cagliostro zu Werke gegangen worden, doch was geht das mich an? Der Vice-Admiral ist nach London gereist. Von Berlin aus ist Anfrage ergangen, ob das Münzkabinet nicht verkauft würde; der Anfrager soll ein berühmter Antiquarius sein, der dasselbe jedenfalls zu schätzen weiß. Wenn der Erbe es ihm gibt, so wird sich eine Weissagung der Hochseligen erfüllen, welche dieselbe oft aussprach: Von diesen Münzen und Medaillons, die ich mit Mühe und großen Opfern zusammengebracht, wird es einst heißen: Gehet hin in alle Welt."

"Das Reich ist noch nicht ganz einig, erst im kommenden Herbst soll die Frucht der Harmonie reifen; wenn sie sich nur nicht spalten, wie ein Granatapfel, der unzeitig vom Stamme fällt."

"Vom Erbherrn ist Nichts zu hören, Nichts zu sehen, nur unverbürgt habe ich vernommen, daß er bei seinem letzten Aufenthalt in Varel den Prinzen von la Tremouille und Talmont zu sich dorthin habe kommen lassen."

"Nachträglich noch eine, mir erst kürzlich zugekommene neue Märe, die ich aber durchaus nicht gesagt haben will. Die Ihnen, Herr Graf, wie mir gewiß unvergeßliche verewigte Frau Erbherrin ist vergessen und alle Liebe der Demoiselle Sara Gerdes, vormals Kammerjungfer, dann Kammerfrau der hochseligen Erbherrin, dermalen zum Range einer Schloßverwalterin zu Varel erhoben, zugewendet worden, welche die Ehre genießen wird, die Stellvertreterin einer Ottoline zu werden. Dieses nicht mehr junge Mädchen stammt aus Bockhorn, das, wie Ihnen genugsam bekannt ist, zwischen Varel und Kniphausen liegt, und der Großvater derselben zählte zu den Hörigen der Herrschaft, der Vater aber ist jetzt ein freier Landbebauer. Was sagen Sie dazu?"

Diese Meldung erschütterte den Grafen Ludwig sehr; als er allein war, rief er fast in Verzweiflung aus: Mein Fluch, mein Fluch! Welche Dämonen habe ich heraufbeschworen über das Haus, dem ich entstamme! -- Nun sehe ich, wie sich Alles, Alles erfüllen wird, der

Wer hätte das gedacht, daß Alles so wunderlich gekartet würde, daß Graf William, und nicht Graf Wilhelm Gustav Friedrich die Herrlichkeit übernähme, der doch erst Alles daransetzte, sie zu erlangen. Es ist in den letzten Lebenstagen der hochseligen Frau Gräfin und bei der Anwesenheit dieses guten Grafen William vielfach à la Cagliostro zu Werke gegangen worden, doch was geht das mich an? Der Vice-Admiral ist nach London gereist. Von Berlin aus ist Anfrage ergangen, ob das Münzkabinet nicht verkauft würde; der Anfrager soll ein berühmter Antiquarius sein, der dasselbe jedenfalls zu schätzen weiß. Wenn der Erbe es ihm gibt, so wird sich eine Weissagung der Hochseligen erfüllen, welche dieselbe oft aussprach: Von diesen Münzen und Medaillons, die ich mit Mühe und großen Opfern zusammengebracht, wird es einst heißen: Gehet hin in alle Welt.“

„Das Reich ist noch nicht ganz einig, erst im kommenden Herbst soll die Frucht der Harmonie reifen; wenn sie sich nur nicht spalten, wie ein Granatapfel, der unzeitig vom Stamme fällt.“

„Vom Erbherrn ist Nichts zu hören, Nichts zu sehen, nur unverbürgt habe ich vernommen, daß er bei seinem letzten Aufenthalt in Varel den Prinzen von la Tremouille und Talmont zu sich dorthin habe kommen lassen.“

„Nachträglich noch eine, mir erst kürzlich zugekommene neue Märe, die ich aber durchaus nicht gesagt haben will. Die Ihnen, Herr Graf, wie mir gewiß unvergeßliche verewigte Frau Erbherrin ist vergessen und alle Liebe der Demoiselle Sara Gerdes, vormals Kammerjungfer, dann Kammerfrau der hochseligen Erbherrin, dermalen zum Range einer Schloßverwalterin zu Varel erhoben, zugewendet worden, welche die Ehre genießen wird, die Stellvertreterin einer Ottoline zu werden. Dieses nicht mehr junge Mädchen stammt aus Bockhorn, das, wie Ihnen genugsam bekannt ist, zwischen Varel und Kniphausen liegt, und der Großvater derselben zählte zu den Hörigen der Herrschaft, der Vater aber ist jetzt ein freier Landbebauer. Was sagen Sie dazu?“

Diese Meldung erschütterte den Grafen Ludwig sehr; als er allein war, rief er fast in Verzweiflung aus: Mein Fluch, mein Fluch! Welche Dämonen habe ich heraufbeschworen über das Haus, dem ich entstamme! — Nun sehe ich, wie sich Alles, Alles erfüllen wird, der

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[382/0386] Wer hätte das gedacht, daß Alles so wunderlich gekartet würde, daß Graf William, und nicht Graf Wilhelm Gustav Friedrich die Herrlichkeit übernähme, der doch erst Alles daransetzte, sie zu erlangen. Es ist in den letzten Lebenstagen der hochseligen Frau Gräfin und bei der Anwesenheit dieses guten Grafen William vielfach à la Cagliostro zu Werke gegangen worden, doch was geht das mich an? Der Vice-Admiral ist nach London gereist. Von Berlin aus ist Anfrage ergangen, ob das Münzkabinet nicht verkauft würde; der Anfrager soll ein berühmter Antiquarius sein, der dasselbe jedenfalls zu schätzen weiß. Wenn der Erbe es ihm gibt, so wird sich eine Weissagung der Hochseligen erfüllen, welche dieselbe oft aussprach: Von diesen Münzen und Medaillons, die ich mit Mühe und großen Opfern zusammengebracht, wird es einst heißen: Gehet hin in alle Welt.“ „Das Reich ist noch nicht ganz einig, erst im kommenden Herbst soll die Frucht der Harmonie reifen; wenn sie sich nur nicht spalten, wie ein Granatapfel, der unzeitig vom Stamme fällt.“ „Vom Erbherrn ist Nichts zu hören, Nichts zu sehen, nur unverbürgt habe ich vernommen, daß er bei seinem letzten Aufenthalt in Varel den Prinzen von la Tremouille und Talmont zu sich dorthin habe kommen lassen.“ „Nachträglich noch eine, mir erst kürzlich zugekommene neue Märe, die ich aber durchaus nicht gesagt haben will. Die Ihnen, Herr Graf, wie mir gewiß unvergeßliche verewigte Frau Erbherrin ist vergessen und alle Liebe der Demoiselle Sara Gerdes, vormals Kammerjungfer, dann Kammerfrau der hochseligen Erbherrin, dermalen zum Range einer Schloßverwalterin zu Varel erhoben, zugewendet worden, welche die Ehre genießen wird, die Stellvertreterin einer Ottoline zu werden. Dieses nicht mehr junge Mädchen stammt aus Bockhorn, das, wie Ihnen genugsam bekannt ist, zwischen Varel und Kniphausen liegt, und der Großvater derselben zählte zu den Hörigen der Herrschaft, der Vater aber ist jetzt ein freier Landbebauer. Was sagen Sie dazu?“ Diese Meldung erschütterte den Grafen Ludwig sehr; als er allein war, rief er fast in Verzweiflung aus: Mein Fluch, mein Fluch! Welche Dämonen habe ich heraufbeschworen über das Haus, dem ich entstamme! — Nun sehe ich, wie sich Alles, Alles erfüllen wird, der

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/386>, abgerufen am 25.11.2024.