Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.mein lieber Abbe Eckhel in Wien auch deren Freund ist, der mich in meiner Eitelkeit und Gelehrsamkeit auf den Tod verwundete, und dem ich, ich sage ich, die Hand noch küssen möchte, mit der er die Feder führte, die mir nicht dumme Schmeicheleien, sondern die reine, in seiner gründlich tiefen und gelehrten Ueberzeugung wurzelnde Wahrheit schrieb. Doch -- wie weit schweifen wir ab von unserm Ziele, mein lieber Windt -- fahren Sie fort, Sie schlimmer advocatus diaboli! Um Gott, Excellenz! Dies Wort ist nicht Ihrer Gnaden Ernst. Ich hätte noch viel zu sagen -- aber wenn Hochdieselbe mir zürnen -- Halten Sie mich für ein Kind, Windt? Fürwahr, dann wäre ich wohl ein recht altes. Noch denke ich nicht, obschon ich neunundsiebenzig Jahre zähle -- kindisch zu sein. 3. Der Abschied.
Die Reichsgräfin unterbrach dieses Gespräch, indem sie klingelte. Weisbrod trat ein und erhielt den Befehl, den jungen Herrn zu ihr zu bescheiden. Dann nahm sie den Faden der Rede wieder auf und sprach zu Windt: Die gestrige Scene verlockte uns in den Irrgarten der dramatischen Poesie mit seinen unbeschnittenen Laubgängen -- bleiben wir bei der Hauptsache: Warum hat sich Ihr Sinn gewendet? Sind Sie eine Windfahne? Nein, Excellenz! vertheidigte sich Windt: eine solche bin ich nicht, vielmehr hoffe ich bewiesen zu haben, und denke es ferner zu beweisen, daß mir die Wünsche und Vortheile Ihrer Excellenz über Alles gehen. Aber -- Excellenz lieben ja die Wahrheit, und Wahrheit muß Wahrheit bleiben. Was auch gestern Störendes, Widriges und aufs neue Hemmendes vorgefallen sein möge, das darf ich doch kühn behaupten, daß das Gemüth des gnädigen Erbherrn durch mich und meine Briefe zu wahrer Liebe und Ehrfurcht gegen Ihre Excellenz gestimmt war; mein lieber Abbe Eckhel in Wien auch deren Freund ist, der mich in meiner Eitelkeit und Gelehrsamkeit auf den Tod verwundete, und dem ich, ich sage ich, die Hand noch küssen möchte, mit der er die Feder führte, die mir nicht dumme Schmeicheleien, sondern die reine, in seiner gründlich tiefen und gelehrten Ueberzeugung wurzelnde Wahrheit schrieb. Doch — wie weit schweifen wir ab von unserm Ziele, mein lieber Windt — fahren Sie fort, Sie schlimmer advocatus diaboli! Um Gott, Excellenz! Dies Wort ist nicht Ihrer Gnaden Ernst. Ich hätte noch viel zu sagen — aber wenn Hochdieselbe mir zürnen — Halten Sie mich für ein Kind, Windt? Fürwahr, dann wäre ich wohl ein recht altes. Noch denke ich nicht, obschon ich neunundsiebenzig Jahre zähle — kindisch zu sein. 3. Der Abschied.
Die Reichsgräfin unterbrach dieses Gespräch, indem sie klingelte. Weisbrod trat ein und erhielt den Befehl, den jungen Herrn zu ihr zu bescheiden. Dann nahm sie den Faden der Rede wieder auf und sprach zu Windt: Die gestrige Scene verlockte uns in den Irrgarten der dramatischen Poesie mit seinen unbeschnittenen Laubgängen — bleiben wir bei der Hauptsache: Warum hat sich Ihr Sinn gewendet? Sind Sie eine Windfahne? Nein, Excellenz! vertheidigte sich Windt: eine solche bin ich nicht, vielmehr hoffe ich bewiesen zu haben, und denke es ferner zu beweisen, daß mir die Wünsche und Vortheile Ihrer Excellenz über Alles gehen. Aber — Excellenz lieben ja die Wahrheit, und Wahrheit muß Wahrheit bleiben. Was auch gestern Störendes, Widriges und aufs neue Hemmendes vorgefallen sein möge, das darf ich doch kühn behaupten, daß das Gemüth des gnädigen Erbherrn durch mich und meine Briefe zu wahrer Liebe und Ehrfurcht gegen Ihre Excellenz gestimmt war; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0034" n="30"/> mein lieber Abbe Eckhel in Wien auch deren Freund ist, der mich in meiner Eitelkeit und Gelehrsamkeit auf den Tod verwundete, und dem ich, ich sage ich, die Hand noch küssen möchte, mit der er die Feder führte, die mir nicht dumme Schmeicheleien, sondern die reine, in seiner gründlich tiefen und gelehrten Ueberzeugung wurzelnde Wahrheit schrieb. Doch — wie weit schweifen wir ab von unserm Ziele, mein lieber Windt — fahren Sie fort, Sie schlimmer <hi rendition="#aq">advocatus diaboli!</hi></p> <p>Um Gott, Excellenz! Dies Wort ist nicht Ihrer Gnaden Ernst. Ich hätte noch viel zu sagen — aber wenn Hochdieselbe mir zürnen —</p> <p>Halten Sie mich für ein Kind, Windt? Fürwahr, dann wäre ich wohl ein recht altes. Noch denke ich nicht, obschon ich neunundsiebenzig Jahre zähle — kindisch zu sein.</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="2"> <head>3. Der Abschied.<lb/></head> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Die Reichsgräfin unterbrach dieses Gespräch, indem sie klingelte. Weisbrod trat ein und erhielt den Befehl, den jungen Herrn zu ihr zu bescheiden. Dann nahm sie den Faden der Rede wieder auf und sprach zu Windt: Die gestrige Scene verlockte uns in den Irrgarten der dramatischen Poesie mit seinen unbeschnittenen Laubgängen — bleiben wir bei der Hauptsache: Warum hat sich Ihr Sinn gewendet? Sind Sie eine Windfahne?</p> <p>Nein, Excellenz! vertheidigte sich Windt: eine solche bin ich nicht, vielmehr hoffe ich bewiesen zu haben, und denke es ferner zu beweisen, daß mir die Wünsche und Vortheile Ihrer Excellenz über Alles gehen. Aber — Excellenz lieben ja die Wahrheit, und Wahrheit muß Wahrheit bleiben. Was auch gestern Störendes, Widriges und aufs neue Hemmendes vorgefallen sein möge, <hi rendition="#g">das</hi> darf ich doch kühn behaupten, daß das Gemüth des gnädigen Erbherrn durch mich und meine Briefe zu wahrer Liebe und Ehrfurcht gegen Ihre Excellenz gestimmt war; </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [30/0034]
mein lieber Abbe Eckhel in Wien auch deren Freund ist, der mich in meiner Eitelkeit und Gelehrsamkeit auf den Tod verwundete, und dem ich, ich sage ich, die Hand noch küssen möchte, mit der er die Feder führte, die mir nicht dumme Schmeicheleien, sondern die reine, in seiner gründlich tiefen und gelehrten Ueberzeugung wurzelnde Wahrheit schrieb. Doch — wie weit schweifen wir ab von unserm Ziele, mein lieber Windt — fahren Sie fort, Sie schlimmer advocatus diaboli!
Um Gott, Excellenz! Dies Wort ist nicht Ihrer Gnaden Ernst. Ich hätte noch viel zu sagen — aber wenn Hochdieselbe mir zürnen —
Halten Sie mich für ein Kind, Windt? Fürwahr, dann wäre ich wohl ein recht altes. Noch denke ich nicht, obschon ich neunundsiebenzig Jahre zähle — kindisch zu sein.
3. Der Abschied.
Die Reichsgräfin unterbrach dieses Gespräch, indem sie klingelte. Weisbrod trat ein und erhielt den Befehl, den jungen Herrn zu ihr zu bescheiden. Dann nahm sie den Faden der Rede wieder auf und sprach zu Windt: Die gestrige Scene verlockte uns in den Irrgarten der dramatischen Poesie mit seinen unbeschnittenen Laubgängen — bleiben wir bei der Hauptsache: Warum hat sich Ihr Sinn gewendet? Sind Sie eine Windfahne?
Nein, Excellenz! vertheidigte sich Windt: eine solche bin ich nicht, vielmehr hoffe ich bewiesen zu haben, und denke es ferner zu beweisen, daß mir die Wünsche und Vortheile Ihrer Excellenz über Alles gehen. Aber — Excellenz lieben ja die Wahrheit, und Wahrheit muß Wahrheit bleiben. Was auch gestern Störendes, Widriges und aufs neue Hemmendes vorgefallen sein möge, das darf ich doch kühn behaupten, daß das Gemüth des gnädigen Erbherrn durch mich und meine Briefe zu wahrer Liebe und Ehrfurcht gegen Ihre Excellenz gestimmt war;
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Zitationshilfe: | Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/34>, abgerufen am 16.02.2025. |