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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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gab ein reiches Bild; die braunen Zigeuner, dies heimathlose Volk, die munteren Franzosen, die deutschen Bauern und deren blühende zahlreiche Sprößlinge, endlich, damit auch der höhere Stand nicht unvertreten sei, der vornehm gekleidete herzogliche Rath, der stattliche und gravitätische Grimm, der seinen Zopf ganz genau so trug, wie sein hochseliger Gebieter Prinz Joseph Hollandinus den seinen getragen hatte -- das Alles hätte einem Maler mannichfachen Stoff zu einem lebensvollen Bilde mit reicher Gruppirung geboten. Kammerdiener Grimm, der wohl schon häufiger mit Zigeunern verkehrt haben mochte, trat der Altmutter nahe und sagte: Nun, du schwarze Hexe! Willst du mir nicht prophezeien?

Gern, mein allerschönster Herr! entgegnete die Alte -- lasse mich nur in deine große und gewiß sehr freigebige Hand blicken. -- Alles drängte näher heran, und so konnten sich die Glieder der Bande unbeobachtet im Dorfe zerstreuen.

Ist das ein gewaltiger Mann! Ei! Stehst in hohen Gnaden, Herr! Bist auch im Felde gewesen, da steht's, bist an manchem Galgen vorbei geritten, hast viel geliebt, alter Junge -- bist dem Weibsvolke noch immer nicht gram! Ach, und diese Länge! Diese Länge! Mann, du hast eine Lebenslinie, die ja fast schnurgerade über die ganze Hand hinausläuft! Hab' Acht! Die Natur hat deinen Lebensfaden doppelt genommen, du wirst noch viel erleben! Die, denen du jetzt dienst, denen wirst du später nicht mehr dienen! Sie werden dich und du wirst sie verlassen -- wirst aber gute und geruhige Tage haben, wirst steinalt werden.

Dummheit! fuhr Grimm die Alte an. Wenn ich weiter nichts haben soll, dann würde ich am Ende auch so eine Schönheit wie du werden, so eine Vogelscheuche und Nachteule!

Ei, warum hast du dich denn nicht lieber jung henken lassen? fragte die Alte.

Komm her, prophezeie einmal einer Jungen, aber ich sage dir, Alte, was Gescheidtes! rief Grimm.

Mit raschem Griff erfaßte er eine frische junge Frau, die er zu kennen schien, und zog die Widerstrebende ohne Umstände in den Kreis der Zuschauer. Still gehalten, Frau Schmidtin! Nicht gemuckst, Hand auf! Wenn dein Mann da wäre, dein alter Böhmack, der würde sich freuen -- wer weiß, ob dieses alte Teufelsgehänge da

gab ein reiches Bild; die braunen Zigeuner, dies heimathlose Volk, die munteren Franzosen, die deutschen Bauern und deren blühende zahlreiche Sprößlinge, endlich, damit auch der höhere Stand nicht unvertreten sei, der vornehm gekleidete herzogliche Rath, der stattliche und gravitätische Grimm, der seinen Zopf ganz genau so trug, wie sein hochseliger Gebieter Prinz Joseph Hollandinus den seinen getragen hatte — das Alles hätte einem Maler mannichfachen Stoff zu einem lebensvollen Bilde mit reicher Gruppirung geboten. Kammerdiener Grimm, der wohl schon häufiger mit Zigeunern verkehrt haben mochte, trat der Altmutter nahe und sagte: Nun, du schwarze Hexe! Willst du mir nicht prophezeien?

Gern, mein allerschönster Herr! entgegnete die Alte — lasse mich nur in deine große und gewiß sehr freigebige Hand blicken. — Alles drängte näher heran, und so konnten sich die Glieder der Bande unbeobachtet im Dorfe zerstreuen.

Ist das ein gewaltiger Mann! Ei! Stehst in hohen Gnaden, Herr! Bist auch im Felde gewesen, da steht’s, bist an manchem Galgen vorbei geritten, hast viel geliebt, alter Junge — bist dem Weibsvolke noch immer nicht gram! Ach, und diese Länge! Diese Länge! Mann, du hast eine Lebenslinie, die ja fast schnurgerade über die ganze Hand hinausläuft! Hab’ Acht! Die Natur hat deinen Lebensfaden doppelt genommen, du wirst noch viel erleben! Die, denen du jetzt dienst, denen wirst du später nicht mehr dienen! Sie werden dich und du wirst sie verlassen — wirst aber gute und geruhige Tage haben, wirst steinalt werden.

Dummheit! fuhr Grimm die Alte an. Wenn ich weiter nichts haben soll, dann würde ich am Ende auch so eine Schönheit wie du werden, so eine Vogelscheuche und Nachteule!

Ei, warum hast du dich denn nicht lieber jung henken lassen? fragte die Alte.

Komm her, prophezeie einmal einer Jungen, aber ich sage dir, Alte, was Gescheidtes! rief Grimm.

Mit raschem Griff erfaßte er eine frische junge Frau, die er zu kennen schien, und zog die Widerstrebende ohne Umstände in den Kreis der Zuschauer. Still gehalten, Frau Schmidtin! Nicht gemuckst, Hand auf! Wenn dein Mann da wäre, dein alter Böhmack, der würde sich freuen — wer weiß, ob dieses alte Teufelsgehänge da

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[328/0332] gab ein reiches Bild; die braunen Zigeuner, dies heimathlose Volk, die munteren Franzosen, die deutschen Bauern und deren blühende zahlreiche Sprößlinge, endlich, damit auch der höhere Stand nicht unvertreten sei, der vornehm gekleidete herzogliche Rath, der stattliche und gravitätische Grimm, der seinen Zopf ganz genau so trug, wie sein hochseliger Gebieter Prinz Joseph Hollandinus den seinen getragen hatte — das Alles hätte einem Maler mannichfachen Stoff zu einem lebensvollen Bilde mit reicher Gruppirung geboten. Kammerdiener Grimm, der wohl schon häufiger mit Zigeunern verkehrt haben mochte, trat der Altmutter nahe und sagte: Nun, du schwarze Hexe! Willst du mir nicht prophezeien? Gern, mein allerschönster Herr! entgegnete die Alte — lasse mich nur in deine große und gewiß sehr freigebige Hand blicken. — Alles drängte näher heran, und so konnten sich die Glieder der Bande unbeobachtet im Dorfe zerstreuen. Ist das ein gewaltiger Mann! Ei! Stehst in hohen Gnaden, Herr! Bist auch im Felde gewesen, da steht’s, bist an manchem Galgen vorbei geritten, hast viel geliebt, alter Junge — bist dem Weibsvolke noch immer nicht gram! Ach, und diese Länge! Diese Länge! Mann, du hast eine Lebenslinie, die ja fast schnurgerade über die ganze Hand hinausläuft! Hab’ Acht! Die Natur hat deinen Lebensfaden doppelt genommen, du wirst noch viel erleben! Die, denen du jetzt dienst, denen wirst du später nicht mehr dienen! Sie werden dich und du wirst sie verlassen — wirst aber gute und geruhige Tage haben, wirst steinalt werden. Dummheit! fuhr Grimm die Alte an. Wenn ich weiter nichts haben soll, dann würde ich am Ende auch so eine Schönheit wie du werden, so eine Vogelscheuche und Nachteule! Ei, warum hast du dich denn nicht lieber jung henken lassen? fragte die Alte. Komm her, prophezeie einmal einer Jungen, aber ich sage dir, Alte, was Gescheidtes! rief Grimm. Mit raschem Griff erfaßte er eine frische junge Frau, die er zu kennen schien, und zog die Widerstrebende ohne Umstände in den Kreis der Zuschauer. Still gehalten, Frau Schmidtin! Nicht gemuckst, Hand auf! Wenn dein Mann da wäre, dein alter Böhmack, der würde sich freuen — wer weiß, ob dieses alte Teufelsgehänge da

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/332>, abgerufen am 24.11.2024.