Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.neugierig die fremden Soldaten zu sehen, die zum Theil vor dem Hause gruppirt, Bier oder auch Branntwein tranken. Ludwig ging in stillen Gedanken auf und ab, und diese Gedanken schweiften weit in die Ferne, nach einem theueren Grabe, nach Ottolinen, nach der Großmutter, nach Doorwerth, in sein Jugendheimathland, nach Paris, Amsterdam, dem Haag, nach London, nach Castle Chatsworth. Wenn sie Zauberspiegel hätten, meine Lieben in der Ferne, sprach er zu sich selbst: und sähen mich hier umhergehen, in dieser Thalstille, in dieser eigenthümlichen Umgebung, an der Landstraße, dort drüben das große, schöne, aber öde Schloß, und von Soldaten der französischen Republik umgeben, sie würden sich wundern, würden fragen: Was soll das bedeuten? Wo ist er, und wie kommt er dorthin? Und doch, wie ist es hier so still und friedlich! Mild weht die Luft, das Obst an den Bäumen reift schon dem Herbste entgegen, mit einem traulichen Gemurmel wälzt sich der rasche Bach durch die Wiesenflur. Welche Gegensätze, hier diese schöne ländliche Stille, und nur wenige Stunden jenseits der südlichen Hügelkette alle Greuel blutigen Krieges, Armeen, heute schon vielleicht die eine siegreich, die andere geschlagen, zersprengt, flüchtig und von der Hand der Vergeltung alle strenge Züchtigung empfangend für das Unglück, womit sie die Länder heimgesucht, die unter ihren ehernen Tritten bluteten und noch bluten! Von der Ferne, aus der schönen Allee, die von Eishausen nach dem nahen Dorfe Adelhausen führt, schallten Posthornklänge, es schien eine Extrapost zu nahen, Ludwig war eben wieder vor dem Gasthof angelangt. Die Soldaten zechten lustig und wohlgemuth auf seine Rechnung und sangen im Chor ein französisches Liedchen: Zon, ma Lisette,
Zon, ma Lison! Zon, ma Lisette, ma Lison, zon, zon. Pour combler mon amour Faisons sur ma couchette Ce que la nuit le jour Chacun fait en cachette. Zon, ma Lisette, Zon, ma Lison, Zon, ma Lisette, ma Lison, zon, zon! neugierig die fremden Soldaten zu sehen, die zum Theil vor dem Hause gruppirt, Bier oder auch Branntwein tranken. Ludwig ging in stillen Gedanken auf und ab, und diese Gedanken schweiften weit in die Ferne, nach einem theueren Grabe, nach Ottolinen, nach der Großmutter, nach Doorwerth, in sein Jugendheimathland, nach Paris, Amsterdam, dem Haag, nach London, nach Castle Chatsworth. Wenn sie Zauberspiegel hätten, meine Lieben in der Ferne, sprach er zu sich selbst: und sähen mich hier umhergehen, in dieser Thalstille, in dieser eigenthümlichen Umgebung, an der Landstraße, dort drüben das große, schöne, aber öde Schloß, und von Soldaten der französischen Republik umgeben, sie würden sich wundern, würden fragen: Was soll das bedeuten? Wo ist er, und wie kommt er dorthin? Und doch, wie ist es hier so still und friedlich! Mild weht die Luft, das Obst an den Bäumen reift schon dem Herbste entgegen, mit einem traulichen Gemurmel wälzt sich der rasche Bach durch die Wiesenflur. Welche Gegensätze, hier diese schöne ländliche Stille, und nur wenige Stunden jenseits der südlichen Hügelkette alle Greuel blutigen Krieges, Armeen, heute schon vielleicht die eine siegreich, die andere geschlagen, zersprengt, flüchtig und von der Hand der Vergeltung alle strenge Züchtigung empfangend für das Unglück, womit sie die Länder heimgesucht, die unter ihren ehernen Tritten bluteten und noch bluten! Von der Ferne, aus der schönen Allee, die von Eishausen nach dem nahen Dorfe Adelhausen führt, schallten Posthornklänge, es schien eine Extrapost zu nahen, Ludwig war eben wieder vor dem Gasthof angelangt. Die Soldaten zechten lustig und wohlgemuth auf seine Rechnung und sangen im Chor ein französisches Liedchen: Zon, ma Lisette,
Zon, ma Lison! Zon, ma Lisette, ma Lison, zon, zon. Pour combler mon amour Faisons sur ma couchette Ce que la nuit le jour Chacun fait en cachette. Zon, ma Lisette, Zon, ma Lison, Zon, ma Lisette, ma Lison, zon, zon! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0328" n="324"/> neugierig die fremden Soldaten zu sehen, die zum Theil vor dem Hause gruppirt, Bier oder auch Branntwein tranken. Ludwig ging in stillen Gedanken auf und ab, und diese Gedanken schweiften weit in die Ferne, nach einem theueren Grabe, nach Ottolinen, nach der Großmutter, nach Doorwerth, in sein Jugendheimathland, nach Paris, Amsterdam, dem Haag, nach London, nach Castle Chatsworth.</p> <p>Wenn sie Zauberspiegel hätten, meine Lieben in der Ferne, sprach er zu sich selbst: und sähen mich hier umhergehen, in dieser Thalstille, in dieser eigenthümlichen Umgebung, an der Landstraße, dort drüben das große, schöne, aber öde Schloß, und von Soldaten der französischen Republik umgeben, sie würden sich wundern, würden fragen: Was soll das bedeuten? Wo ist er, und wie kommt er dorthin?</p> <p>Und doch, wie ist es hier so still und friedlich! Mild weht die Luft, das Obst an den Bäumen reift schon dem Herbste entgegen, mit einem traulichen Gemurmel wälzt sich der rasche Bach durch die Wiesenflur. Welche Gegensätze, hier diese schöne ländliche Stille, und nur wenige Stunden jenseits der südlichen Hügelkette alle Greuel blutigen Krieges, Armeen, heute schon vielleicht die eine siegreich, die andere geschlagen, zersprengt, flüchtig und von der Hand der Vergeltung alle strenge Züchtigung empfangend für das Unglück, womit sie die Länder heimgesucht, die unter ihren ehernen Tritten bluteten und noch bluten!</p> <p>Von der Ferne, aus der schönen Allee, die von Eishausen nach dem nahen Dorfe Adelhausen führt, schallten Posthornklänge, es schien eine Extrapost zu nahen, Ludwig war eben wieder vor dem Gasthof angelangt. Die Soldaten zechten lustig und wohlgemuth auf seine Rechnung und sangen im Chor ein französisches Liedchen:</p> <lg type="poem"> <l> <hi rendition="#aq">Zon, ma Lisette,</hi><lb/> </l> <l> <hi rendition="#aq">Zon, ma Lison!</hi><lb/> </l> <l> <hi rendition="#aq">Zon, ma Lisette, ma Lison, zon, zon. </hi><lb/> </l> <l> <hi rendition="#aq">Pour combler mon amour</hi><lb/> </l> <l> <hi rendition="#aq">Faisons sur ma couchette</hi><lb/> </l> <l> <hi rendition="#aq">Ce que la nuit le jour</hi><lb/> </l> <l> <hi rendition="#aq">Chacun fait en cachette.</hi><lb/> </l> <l> <hi rendition="#aq">Zon, ma Lisette,</hi><lb/> </l> <l> <hi rendition="#aq">Zon, ma Lison,</hi><lb/> </l> <l> <hi rendition="#aq">Zon, ma Lisette, ma Lison, zon, zon!</hi><lb/> </l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [324/0328]
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Wenn sie Zauberspiegel hätten, meine Lieben in der Ferne, sprach er zu sich selbst: und sähen mich hier umhergehen, in dieser Thalstille, in dieser eigenthümlichen Umgebung, an der Landstraße, dort drüben das große, schöne, aber öde Schloß, und von Soldaten der französischen Republik umgeben, sie würden sich wundern, würden fragen: Was soll das bedeuten? Wo ist er, und wie kommt er dorthin?
Und doch, wie ist es hier so still und friedlich! Mild weht die Luft, das Obst an den Bäumen reift schon dem Herbste entgegen, mit einem traulichen Gemurmel wälzt sich der rasche Bach durch die Wiesenflur. Welche Gegensätze, hier diese schöne ländliche Stille, und nur wenige Stunden jenseits der südlichen Hügelkette alle Greuel blutigen Krieges, Armeen, heute schon vielleicht die eine siegreich, die andere geschlagen, zersprengt, flüchtig und von der Hand der Vergeltung alle strenge Züchtigung empfangend für das Unglück, womit sie die Länder heimgesucht, die unter ihren ehernen Tritten bluteten und noch bluten!
Von der Ferne, aus der schönen Allee, die von Eishausen nach dem nahen Dorfe Adelhausen führt, schallten Posthornklänge, es schien eine Extrapost zu nahen, Ludwig war eben wieder vor dem Gasthof angelangt. Die Soldaten zechten lustig und wohlgemuth auf seine Rechnung und sangen im Chor ein französisches Liedchen:
Zon, ma Lisette,
Zon, ma Lison!
Zon, ma Lisette, ma Lison, zon, zon.
Pour combler mon amour
Faisons sur ma couchette
Ce que la nuit le jour
Chacun fait en cachette.
Zon, ma Lisette,
Zon, ma Lison,
Zon, ma Lisette, ma Lison, zon, zon!
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