Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.umspäht, wo ich Mutter sein darf ohne Hehl, wenn auch Niemand von deiner Umgebung ahnet, wer eigentlich die alte Frau ist, die dich besucht und eine Zeitlang bei dir weilt. Ludwig knieete zu den Füßen seiner schönen Mutter nieder; die herrliche Gestalt beugte sich über ihn, küßte und segnete ihn, und da er, von Schmerz fast gebrochen, vor ihr knieen blieb, erhob sie ihn mit kräftigen Armen und rief: Rise, Sir! Erhebe dich, Mann! umschlang ihn noch einmal mit aller Flammenglut ihres Herzens, küßte ihn noch einmal und noch einmal, dann enteilte sie und sah ihn nicht wieder. -- Leonardus hatte sich im Hause der Freunde erholt; es kamen schöne Tage, und es trat eine Ruhe ein nach den vielfachen Stürmen, die über Doorwerth dahin gebraust waren, obschon diese Ruhe freilich noch immer keine dauernde war. Windt und Leonardus nahmen für eine Zeitlang herzlichen Abschied von der braven Hausfrau und traten ihre Reise an. Das Land jubelte, aller Orten wurde der Friede ausgerufen, der goldene Friede. Lieber Gott! sprach Windt auf dem Wege von Wageningen nach Utrecht, als die Reiter, gefolgt von einem Diener, dem geschlängelten Laufe des schmalen "krummen Rheins" folgten, durch reizende Fluren, durch die der wahrhaft mäanderische Fluß sich schlängelnd wand, vorüber an den herrlichsten Lustschlössern, Gärten und Parken, in denen die niederländische Gartenkunst ihre höchsten Triumphe feierte und die des Krieges rauhe zerstörende Hand zum Glück unberührt gelassen hatte -- lieber Gott, wie die Leute über den Frieden jubeln! Wie lange wird er denn dauern? Ungleich vernünftiger wäre es, keinen Krieg zu beginnen und der Länder und der Völker Loose nicht auf ein maßlos ungerechtes Spiel zu setzen. Was hilft ein Friede, wenn unter den bittern Nachwehen des Krieges sich die Länder verbluten? Seuchen reißen ein, die Menschen sterben wie die Mücken; fünfundzwanzigtausend fremde Hungerleider müssen wir täglich sättigen; Doorwerth muß doppelte Schatzung zahlen, als wenn es nicht schon doppelt und dreifach und zehnfach geschätzt worden wäre! In Utrecht ließ es sich der wackere Mann gleich nach der Ankunft angelegen sein, Etwas von dem Grafen Johann Carl, dem Bruder des Erbherrn zu erfahren. Er begab sich, während Leonardus im umspäht, wo ich Mutter sein darf ohne Hehl, wenn auch Niemand von deiner Umgebung ahnet, wer eigentlich die alte Frau ist, die dich besucht und eine Zeitlang bei dir weilt. Ludwig knieete zu den Füßen seiner schönen Mutter nieder; die herrliche Gestalt beugte sich über ihn, küßte und segnete ihn, und da er, von Schmerz fast gebrochen, vor ihr knieen blieb, erhob sie ihn mit kräftigen Armen und rief: Rise, Sir! Erhebe dich, Mann! umschlang ihn noch einmal mit aller Flammenglut ihres Herzens, küßte ihn noch einmal und noch einmal, dann enteilte sie und sah ihn nicht wieder. — Leonardus hatte sich im Hause der Freunde erholt; es kamen schöne Tage, und es trat eine Ruhe ein nach den vielfachen Stürmen, die über Doorwerth dahin gebraust waren, obschon diese Ruhe freilich noch immer keine dauernde war. Windt und Leonardus nahmen für eine Zeitlang herzlichen Abschied von der braven Hausfrau und traten ihre Reise an. Das Land jubelte, aller Orten wurde der Friede ausgerufen, der goldene Friede. Lieber Gott! sprach Windt auf dem Wege von Wageningen nach Utrecht, als die Reiter, gefolgt von einem Diener, dem geschlängelten Laufe des schmalen „krummen Rheins“ folgten, durch reizende Fluren, durch die der wahrhaft mäanderische Fluß sich schlängelnd wand, vorüber an den herrlichsten Lustschlössern, Gärten und Parken, in denen die niederländische Gartenkunst ihre höchsten Triumphe feierte und die des Krieges rauhe zerstörende Hand zum Glück unberührt gelassen hatte — lieber Gott, wie die Leute über den Frieden jubeln! Wie lange wird er denn dauern? Ungleich vernünftiger wäre es, keinen Krieg zu beginnen und der Länder und der Völker Loose nicht auf ein maßlos ungerechtes Spiel zu setzen. Was hilft ein Friede, wenn unter den bittern Nachwehen des Krieges sich die Länder verbluten? Seuchen reißen ein, die Menschen sterben wie die Mücken; fünfundzwanzigtausend fremde Hungerleider müssen wir täglich sättigen; Doorwerth muß doppelte Schatzung zahlen, als wenn es nicht schon doppelt und dreifach und zehnfach geschätzt worden wäre! In Utrecht ließ es sich der wackere Mann gleich nach der Ankunft angelegen sein, Etwas von dem Grafen Johann Carl, dem Bruder des Erbherrn zu erfahren. 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Das Land jubelte, aller Orten wurde der Friede ausgerufen, der goldene Friede.</p> <p>Lieber Gott! sprach Windt auf dem Wege von Wageningen nach Utrecht, als die Reiter, gefolgt von einem Diener, dem geschlängelten Laufe des schmalen „krummen Rheins“ folgten, durch reizende Fluren, durch die der wahrhaft mäanderische Fluß sich schlängelnd wand, vorüber an den herrlichsten Lustschlössern, Gärten und Parken, in denen die niederländische Gartenkunst ihre höchsten Triumphe feierte und die des Krieges rauhe zerstörende Hand zum Glück unberührt gelassen hatte — lieber Gott, wie die Leute über den Frieden jubeln! Wie lange wird er denn dauern? Ungleich vernünftiger wäre es, keinen Krieg zu beginnen und der Länder und der Völker Loose nicht auf ein maßlos ungerechtes Spiel zu setzen. Was hilft ein Friede, wenn unter den bittern Nachwehen des Krieges sich die Länder verbluten? 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umspäht, wo ich Mutter sein darf ohne Hehl, wenn auch Niemand von deiner Umgebung ahnet, wer eigentlich die alte Frau ist, die dich besucht und eine Zeitlang bei dir weilt.
Ludwig knieete zu den Füßen seiner schönen Mutter nieder; die herrliche Gestalt beugte sich über ihn, küßte und segnete ihn, und da er, von Schmerz fast gebrochen, vor ihr knieen blieb, erhob sie ihn mit kräftigen Armen und rief: Rise, Sir! Erhebe dich, Mann! umschlang ihn noch einmal mit aller Flammenglut ihres Herzens, küßte ihn noch einmal und noch einmal, dann enteilte sie und sah ihn nicht wieder. —
Leonardus hatte sich im Hause der Freunde erholt; es kamen schöne Tage, und es trat eine Ruhe ein nach den vielfachen Stürmen, die über Doorwerth dahin gebraust waren, obschon diese Ruhe freilich noch immer keine dauernde war.
Windt und Leonardus nahmen für eine Zeitlang herzlichen Abschied von der braven Hausfrau und traten ihre Reise an. Das Land jubelte, aller Orten wurde der Friede ausgerufen, der goldene Friede.
Lieber Gott! sprach Windt auf dem Wege von Wageningen nach Utrecht, als die Reiter, gefolgt von einem Diener, dem geschlängelten Laufe des schmalen „krummen Rheins“ folgten, durch reizende Fluren, durch die der wahrhaft mäanderische Fluß sich schlängelnd wand, vorüber an den herrlichsten Lustschlössern, Gärten und Parken, in denen die niederländische Gartenkunst ihre höchsten Triumphe feierte und die des Krieges rauhe zerstörende Hand zum Glück unberührt gelassen hatte — lieber Gott, wie die Leute über den Frieden jubeln! Wie lange wird er denn dauern? Ungleich vernünftiger wäre es, keinen Krieg zu beginnen und der Länder und der Völker Loose nicht auf ein maßlos ungerechtes Spiel zu setzen. Was hilft ein Friede, wenn unter den bittern Nachwehen des Krieges sich die Länder verbluten? Seuchen reißen ein, die Menschen sterben wie die Mücken; fünfundzwanzigtausend fremde Hungerleider müssen wir täglich sättigen; Doorwerth muß doppelte Schatzung zahlen, als wenn es nicht schon doppelt und dreifach und zehnfach geschätzt worden wäre!
In Utrecht ließ es sich der wackere Mann gleich nach der Ankunft angelegen sein, Etwas von dem Grafen Johann Carl, dem Bruder des Erbherrn zu erfahren. Er begab sich, während Leonardus im
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