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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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8. Die Gabe der Mutter


Der Eintritt Windt's unterbrach Leonardus im Weiterlesen, und dieser theilte nun dem redlichen Freund die Besorgnisse mit, welche Ludwig in Bezug auf seine Gesundheit aussprach, so wie die herzlichen Grüße, die der Brief an das Haus Doorwerth und dessen Bewohner enthielt. Der Graf schrieb weiter: "Wüßte ich dich, mein lieber Leonardus, in Amsterdam zu finden, oder in Doorwerth, so käme ich noch einmal dorthin, und würde mit Sehnsucht den Augenblick erwarten, der uns wieder vereinigte, um dir so recht herzlich für alle mir erzeigte brüderliche Freundschaft zu danken. Den geraden Weg von Kastle Chatsworth, einem Schloß des Herzogs von Devonshire, wo ich jetzt weile, über London nach Hamburg scheue ich; er ist mir zu lang; vielleicht ermittelst du mir einen Ruhepunkt aus, ich werde einen Brief von dir abwarten, auf den ich mich äußerst freue. Möchte ich doch von dir, von Windt und auch über das Geschick meines Vetters, des Erbherrn, gute Nachrichten erhalten. Die Aristokratie Alt-Englands schätzt meinen Vetter außerordentlich hoch wegen seiner treuen Anhänglichkeit an den Erbstatthalter und dessen Söhne, die beiden Prinzen, und ich freue mich, ihn so hoch geachtet zu sehen. Wüßte ich ihn nur frei und in besseren Verhältnissen; seine Lage macht mir schweren Kummer. Unser Windt wird wissen, wo des Erbherrn Gemahlin jetzt lebt, und wie sie sich befindet. Mein Gedanke sucht sie bei der Großmutter in Hamburg, doch vielleicht hat das Geschick ihres Gemahls für sie einen anderen Wohnort zur Folge gehabt. Noch werden die Schlösser Varel und Kniphausen öde stehen -- ich möchte wieder einmal dort sein, und zwar mit dir, mein Leonardus. Ach -- wo möchte ich nicht alle sein! Und doch habe ich keine Wünsche, die in das Schrankenlose hinausschweifen, ich glaube vielmehr, daß ein beschränktes Verweilen an einem bestimmten Ort meinem Geist besser zusagen wird, als das Umherschwärmen von Lande zu Lande. Meine

8. Die Gabe der Mutter


Der Eintritt Windt’s unterbrach Leonardus im Weiterlesen, und dieser theilte nun dem redlichen Freund die Besorgnisse mit, welche Ludwig in Bezug auf seine Gesundheit aussprach, so wie die herzlichen Grüße, die der Brief an das Haus Doorwerth und dessen Bewohner enthielt. Der Graf schrieb weiter: „Wüßte ich dich, mein lieber Leonardus, in Amsterdam zu finden, oder in Doorwerth, so käme ich noch einmal dorthin, und würde mit Sehnsucht den Augenblick erwarten, der uns wieder vereinigte, um dir so recht herzlich für alle mir erzeigte brüderliche Freundschaft zu danken. Den geraden Weg von Kastle Chatsworth, einem Schloß des Herzogs von Devonshire, wo ich jetzt weile, über London nach Hamburg scheue ich; er ist mir zu lang; vielleicht ermittelst du mir einen Ruhepunkt aus, ich werde einen Brief von dir abwarten, auf den ich mich äußerst freue. Möchte ich doch von dir, von Windt und auch über das Geschick meines Vetters, des Erbherrn, gute Nachrichten erhalten. Die Aristokratie Alt-Englands schätzt meinen Vetter außerordentlich hoch wegen seiner treuen Anhänglichkeit an den Erbstatthalter und dessen Söhne, die beiden Prinzen, und ich freue mich, ihn so hoch geachtet zu sehen. Wüßte ich ihn nur frei und in besseren Verhältnissen; seine Lage macht mir schweren Kummer. Unser Windt wird wissen, wo des Erbherrn Gemahlin jetzt lebt, und wie sie sich befindet. Mein Gedanke sucht sie bei der Großmutter in Hamburg, doch vielleicht hat das Geschick ihres Gemahls für sie einen anderen Wohnort zur Folge gehabt. Noch werden die Schlösser Varel und Kniphausen öde stehen — ich möchte wieder einmal dort sein, und zwar mit dir, mein Leonardus. Ach — wo möchte ich nicht alle sein! Und doch habe ich keine Wünsche, die in das Schrankenlose hinausschweifen, ich glaube vielmehr, daß ein beschränktes Verweilen an einem bestimmten Ort meinem Geist besser zusagen wird, als das Umherschwärmen von Lande zu Lande. Meine

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[268/0272] 8. Die Gabe der Mutter Der Eintritt Windt’s unterbrach Leonardus im Weiterlesen, und dieser theilte nun dem redlichen Freund die Besorgnisse mit, welche Ludwig in Bezug auf seine Gesundheit aussprach, so wie die herzlichen Grüße, die der Brief an das Haus Doorwerth und dessen Bewohner enthielt. Der Graf schrieb weiter: „Wüßte ich dich, mein lieber Leonardus, in Amsterdam zu finden, oder in Doorwerth, so käme ich noch einmal dorthin, und würde mit Sehnsucht den Augenblick erwarten, der uns wieder vereinigte, um dir so recht herzlich für alle mir erzeigte brüderliche Freundschaft zu danken. Den geraden Weg von Kastle Chatsworth, einem Schloß des Herzogs von Devonshire, wo ich jetzt weile, über London nach Hamburg scheue ich; er ist mir zu lang; vielleicht ermittelst du mir einen Ruhepunkt aus, ich werde einen Brief von dir abwarten, auf den ich mich äußerst freue. Möchte ich doch von dir, von Windt und auch über das Geschick meines Vetters, des Erbherrn, gute Nachrichten erhalten. Die Aristokratie Alt-Englands schätzt meinen Vetter außerordentlich hoch wegen seiner treuen Anhänglichkeit an den Erbstatthalter und dessen Söhne, die beiden Prinzen, und ich freue mich, ihn so hoch geachtet zu sehen. Wüßte ich ihn nur frei und in besseren Verhältnissen; seine Lage macht mir schweren Kummer. Unser Windt wird wissen, wo des Erbherrn Gemahlin jetzt lebt, und wie sie sich befindet. Mein Gedanke sucht sie bei der Großmutter in Hamburg, doch vielleicht hat das Geschick ihres Gemahls für sie einen anderen Wohnort zur Folge gehabt. Noch werden die Schlösser Varel und Kniphausen öde stehen — ich möchte wieder einmal dort sein, und zwar mit dir, mein Leonardus. Ach — wo möchte ich nicht alle sein! Und doch habe ich keine Wünsche, die in das Schrankenlose hinausschweifen, ich glaube vielmehr, daß ein beschränktes Verweilen an einem bestimmten Ort meinem Geist besser zusagen wird, als das Umherschwärmen von Lande zu Lande. Meine

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/272>, abgerufen am 24.11.2024.