Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

Genommene gleich wieder in guter Ordnung zur Seite legte, um alsbald nach einem andern zu greifen.

Fiscalische Sache zu Oldenburg -- Akta wegen des jetzigen Processes -- ditto -- ditto -- ditto -- und noch fünfmal ditto -- Briefe vom Prinzen von Talmont -- dergleichen vom Marquis de Launoy -- armer Bernard-Rene-Jourdan, armer Marquis! Freundlicher, milder Schatten, den die rebellischen Teufel ermordeten, weil sie dir als Gouverneur der Bastille nicht die Bedingungen halten wollten, unter denen du das feste Haus übergeben -- Entwurf meines Testamentes -- Wienerische Appellations-Sache -- Güldenlöwesche Briefe -- Briefe von König Friedrich dem Großen -- von meinem Voltaire -- von Georgine Cavendish, Herzogin von Devonshire -- von meinem Heyne und von meinem Georg Friedrich Benecke zu Göttingen -- vom Herzog von Holstein-Plön -- das Tagebuch der Großmutter.

Dieses Buch betrachtete die Gräfin mit einer gewissen stillen Wehmuth, die sich aber in keiner Weise äußerlich kund gab. Sie Großmutter einst -- sprach sie -- ich Großmutter jetzt, und beide fast in gleichen Schuhen.

Das Buch war ein in braunes Leder mit einfachen Goldstreifen gebundener und mit abgegriffenem Goldschnitt verzierter Quartband. -- Als die Reichsgräfin flüchtig hineingeblickt, legte sie es zur Seite, und griff nach einem in Umschlag mit Bindfaden umschlungenen Papierheft. Mein Tagebuch -- sprach sie -- so viel mir davon erhalten blieb -- nur achtzehn Monate aus meinem langen -- vielbewegten Leben -- mögen auch diese Blätter hinschwinden -- das Buch meiner Tage ist ja doch nun wohl geschlossen.

Auch diese Bogen legte die Reichsgräfin zu dem alten Band, und fuhr fort mit der Musterung ihrer Papiere: -- Ehescheidungsproceß -- oh hinweg! -- Briefe von der Gräfin von Jaxthausen -- von der Prinzessin von Waldeck -- von der Fürstin Juliane zu Schaumburg-Lippe -- von königlichen Häuptern -- von meinem lieben Abbe Eckhel zu Wien. Oh Eckhel! Eckhel!

Das Gefühl, welches die alte Reichsgräfin zu diesem Ausruf bewog, entsprang einem unüberwindlichen Schmerz, und dennoch konnte sie diese Blätter nicht so schnell, wie die andern, flüchtig zur Seite

Genommene gleich wieder in guter Ordnung zur Seite legte, um alsbald nach einem andern zu greifen.

Fiscalische Sache zu Oldenburg — Akta wegen des jetzigen Processes — ditto — ditto — ditto — und noch fünfmal ditto — Briefe vom Prinzen von Talmont — dergleichen vom Marquis de Launoy — armer Bernard-René-Jourdan, armer Marquis! Freundlicher, milder Schatten, den die rebellischen Teufel ermordeten, weil sie dir als Gouverneur der Bastille nicht die Bedingungen halten wollten, unter denen du das feste Haus übergeben — Entwurf meines Testamentes — Wienerische Appellations-Sache — Güldenlöwesche Briefe — Briefe von König Friedrich dem Großen — von meinem Voltaire — von Georgine Cavendish, Herzogin von Devonshire — von meinem Heyne und von meinem Georg Friedrich Benecke zu Göttingen — vom Herzog von Holstein-Plön — das Tagebuch der Großmutter.

Dieses Buch betrachtete die Gräfin mit einer gewissen stillen Wehmuth, die sich aber in keiner Weise äußerlich kund gab. Sie Großmutter einst — sprach sie — ich Großmutter jetzt, und beide fast in gleichen Schuhen.

Das Buch war ein in braunes Leder mit einfachen Goldstreifen gebundener und mit abgegriffenem Goldschnitt verzierter Quartband. — Als die Reichsgräfin flüchtig hineingeblickt, legte sie es zur Seite, und griff nach einem in Umschlag mit Bindfaden umschlungenen Papierheft. Mein Tagebuch — sprach sie — so viel mir davon erhalten blieb — nur achtzehn Monate aus meinem langen — vielbewegten Leben — mögen auch diese Blätter hinschwinden — das Buch meiner Tage ist ja doch nun wohl geschlossen.

Auch diese Bogen legte die Reichsgräfin zu dem alten Band, und fuhr fort mit der Musterung ihrer Papiere: — Ehescheidungsproceß — oh hinweg! — Briefe von der Gräfin von Jaxthausen — von der Prinzessin von Waldeck — von der Fürstin Juliane zu Schaumburg-Lippe — von königlichen Häuptern — von meinem lieben Abbe Eckhel zu Wien. Oh Eckhel! Eckhel!

Das Gefühl, welches die alte Reichsgräfin zu diesem Ausruf bewog, entsprang einem unüberwindlichen Schmerz, und dennoch konnte sie diese Blätter nicht so schnell, wie die andern, flüchtig zur Seite

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0027" n="23"/>
Genommene gleich wieder in guter Ordnung zur Seite legte, um alsbald nach einem andern zu greifen.</p>
          <p>Fiscalische Sache zu Oldenburg &#x2014; Akta wegen des jetzigen Processes &#x2014; ditto &#x2014; ditto &#x2014; ditto &#x2014; und noch fünfmal ditto &#x2014; Briefe vom Prinzen von Talmont &#x2014; dergleichen vom Marquis de Launoy &#x2014; armer Bernard-René-Jourdan, armer Marquis! Freundlicher, milder Schatten, den die rebellischen Teufel ermordeten, weil sie dir als Gouverneur der Bastille nicht die Bedingungen halten wollten, unter denen du das feste Haus übergeben &#x2014; Entwurf meines Testamentes &#x2014; Wienerische Appellations-Sache &#x2014; Güldenlöwesche Briefe &#x2014; Briefe von König Friedrich dem Großen &#x2014; von meinem Voltaire &#x2014; von Georgine Cavendish, Herzogin von Devonshire &#x2014; von meinem Heyne und von meinem Georg Friedrich Benecke zu Göttingen &#x2014; vom Herzog von Holstein-Plön &#x2014; das Tagebuch der Großmutter.</p>
          <p>Dieses Buch betrachtete die Gräfin mit einer gewissen stillen Wehmuth, die sich aber in keiner Weise äußerlich kund gab. <hi rendition="#g">Sie</hi> Großmutter einst &#x2014; sprach sie &#x2014; <hi rendition="#g">ich</hi> Großmutter jetzt, und beide fast in gleichen Schuhen.</p>
          <p>Das Buch war ein in braunes Leder mit einfachen Goldstreifen gebundener und mit abgegriffenem Goldschnitt verzierter Quartband. &#x2014; Als die Reichsgräfin flüchtig hineingeblickt, legte sie es zur Seite, und griff nach einem in Umschlag mit Bindfaden umschlungenen Papierheft. Mein Tagebuch &#x2014; sprach sie &#x2014; so viel mir davon erhalten blieb &#x2014; nur achtzehn Monate aus meinem langen &#x2014; vielbewegten Leben &#x2014; mögen auch diese Blätter hinschwinden &#x2014; das Buch meiner Tage ist ja doch nun wohl geschlossen.</p>
          <p>Auch diese Bogen legte die Reichsgräfin zu dem alten Band, und fuhr fort mit der Musterung ihrer Papiere: &#x2014; Ehescheidungsproceß &#x2014; oh hinweg! &#x2014; Briefe von der Gräfin von Jaxthausen &#x2014; von der Prinzessin von Waldeck &#x2014; von der Fürstin Juliane zu Schaumburg-Lippe &#x2014; von königlichen Häuptern &#x2014; von meinem lieben Abbe Eckhel zu Wien. Oh Eckhel! Eckhel!</p>
          <p>Das Gefühl, welches die alte Reichsgräfin zu diesem Ausruf bewog, entsprang einem unüberwindlichen Schmerz, und dennoch konnte sie diese Blätter nicht so schnell, wie die andern, flüchtig zur Seite
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0027] Genommene gleich wieder in guter Ordnung zur Seite legte, um alsbald nach einem andern zu greifen. Fiscalische Sache zu Oldenburg — Akta wegen des jetzigen Processes — ditto — ditto — ditto — und noch fünfmal ditto — Briefe vom Prinzen von Talmont — dergleichen vom Marquis de Launoy — armer Bernard-René-Jourdan, armer Marquis! Freundlicher, milder Schatten, den die rebellischen Teufel ermordeten, weil sie dir als Gouverneur der Bastille nicht die Bedingungen halten wollten, unter denen du das feste Haus übergeben — Entwurf meines Testamentes — Wienerische Appellations-Sache — Güldenlöwesche Briefe — Briefe von König Friedrich dem Großen — von meinem Voltaire — von Georgine Cavendish, Herzogin von Devonshire — von meinem Heyne und von meinem Georg Friedrich Benecke zu Göttingen — vom Herzog von Holstein-Plön — das Tagebuch der Großmutter. Dieses Buch betrachtete die Gräfin mit einer gewissen stillen Wehmuth, die sich aber in keiner Weise äußerlich kund gab. Sie Großmutter einst — sprach sie — ich Großmutter jetzt, und beide fast in gleichen Schuhen. Das Buch war ein in braunes Leder mit einfachen Goldstreifen gebundener und mit abgegriffenem Goldschnitt verzierter Quartband. — Als die Reichsgräfin flüchtig hineingeblickt, legte sie es zur Seite, und griff nach einem in Umschlag mit Bindfaden umschlungenen Papierheft. Mein Tagebuch — sprach sie — so viel mir davon erhalten blieb — nur achtzehn Monate aus meinem langen — vielbewegten Leben — mögen auch diese Blätter hinschwinden — das Buch meiner Tage ist ja doch nun wohl geschlossen. Auch diese Bogen legte die Reichsgräfin zu dem alten Band, und fuhr fort mit der Musterung ihrer Papiere: — Ehescheidungsproceß — oh hinweg! — Briefe von der Gräfin von Jaxthausen — von der Prinzessin von Waldeck — von der Fürstin Juliane zu Schaumburg-Lippe — von königlichen Häuptern — von meinem lieben Abbe Eckhel zu Wien. Oh Eckhel! Eckhel! Das Gefühl, welches die alte Reichsgräfin zu diesem Ausruf bewog, entsprang einem unüberwindlichen Schmerz, und dennoch konnte sie diese Blätter nicht so schnell, wie die andern, flüchtig zur Seite

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML. (2013-01-22T14:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
austrian literature online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-22T14:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-22T14:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/27
Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/27>, abgerufen am 28.11.2024.