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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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Nun und was hast du denn geschrieben, und was hilft dich dein Schreiben, Windt? fragte die Hausfrau des vielgeplagten und vielgeprüften Mannes, dessen Redlichkeit und Diensttreue alle Feuerproben der drangvollsten Erlebnisse bestanden.

Was mein Schreiben helfen wird? fragte Windt: gar nichts wird es helfen und kann auch nichts helfen! Aber es ist meine Schuldigkeit. Noch ist die alte Excellenz Herrin dieser Herrlichkeit, sie muß unterrichtet werden, wie es um ihre Besitzungen steht. Es ist ein Unglück in dieser Zeit Schlösser am Rhein zu haben; ich habe Alles so vorauskommen sehen, wie es gekommen ist, habe gerathen, habe gewarnt, Alles vergebens, ich war ja kein Rath, bin nur der Haushofmeister, und der Mensch ist stets ein Narr, der einen Rath gibt, ehe ein solcher von ihm verlangt wird; ich bin eben immer der dumme gutmüthige Narr.

Gut bist du, Windt, das muß wahr sein, wenn du auch bisweilen unwirsch und kurz angebunden bist, schmeichelte seine Frau, öffnete ein geheimes Wandschränkchen in dem sichern Thurmgemach, das sie jetzt bewohnten, und brachte eine Flasche alten Port a Port daraus zum Vorschein.

Komm her, Alter, ich habe noch Etwas gerettet, du sollst das Doorwerther Wasser nicht trinken, es schmeckt abscheulich und ist trüb wie Lehmbrühe.

Ist das ein Wunder, jetzt, bei der furchtbaren Ueberschwemmung? Wein zu wenig und Wasser zu viel. Bist ein Goldkorn, Jule! Was wär' ich ohne deine treue Hülfe! rief Windt, ließ sich willig einschenken, trank und begann zu lesen:

"Auf gut Glück, da ich nicht weiß, ob die Post von Amsterdam nach Hamburg wieder geht, schreibe ich Ihrer Excellenz, daß ich noch lebe, und daß ich gegenwärtig eine französische Schutzwache im Kastell habe. Mir ist von den französischen Generalen und Commandanten mit einer Menschenfreundlichkeit, einer wahrhaft brüderlichen Güte und in allen meinen Gesuchen mit einer Willfährigkeit begegnet worden, die ich nie genug rühmen kann, so wenig als die gute Ordnung und Mannszucht, die von den Truppen beobachtet wird. Ich habe nach und nach bereits sieben französische Sauvegarden gehabt, Sergeanten, Husaren, Jäger, Dragoner, Cuirassiere, und kann mit Grund der Wahrheit sagen, daß ich allen bei ihrem Abgang das beste Zeugniß

Nun und was hast du denn geschrieben, und was hilft dich dein Schreiben, Windt? fragte die Hausfrau des vielgeplagten und vielgeprüften Mannes, dessen Redlichkeit und Diensttreue alle Feuerproben der drangvollsten Erlebnisse bestanden.

Was mein Schreiben helfen wird? fragte Windt: gar nichts wird es helfen und kann auch nichts helfen! Aber es ist meine Schuldigkeit. Noch ist die alte Excellenz Herrin dieser Herrlichkeit, sie muß unterrichtet werden, wie es um ihre Besitzungen steht. Es ist ein Unglück in dieser Zeit Schlösser am Rhein zu haben; ich habe Alles so vorauskommen sehen, wie es gekommen ist, habe gerathen, habe gewarnt, Alles vergebens, ich war ja kein Rath, bin nur der Haushofmeister, und der Mensch ist stets ein Narr, der einen Rath gibt, ehe ein solcher von ihm verlangt wird; ich bin eben immer der dumme gutmüthige Narr.

Gut bist du, Windt, das muß wahr sein, wenn du auch bisweilen unwirsch und kurz angebunden bist, schmeichelte seine Frau, öffnete ein geheimes Wandschränkchen in dem sichern Thurmgemach, das sie jetzt bewohnten, und brachte eine Flasche alten Port à Port daraus zum Vorschein.

Komm her, Alter, ich habe noch Etwas gerettet, du sollst das Doorwerther Wasser nicht trinken, es schmeckt abscheulich und ist trüb wie Lehmbrühe.

Ist das ein Wunder, jetzt, bei der furchtbaren Ueberschwemmung? Wein zu wenig und Wasser zu viel. Bist ein Goldkorn, Jule! Was wär’ ich ohne deine treue Hülfe! rief Windt, ließ sich willig einschenken, trank und begann zu lesen:

„Auf gut Glück, da ich nicht weiß, ob die Post von Amsterdam nach Hamburg wieder geht, schreibe ich Ihrer Excellenz, daß ich noch lebe, und daß ich gegenwärtig eine französische Schutzwache im Kastell habe. Mir ist von den französischen Generalen und Commandanten mit einer Menschenfreundlichkeit, einer wahrhaft brüderlichen Güte und in allen meinen Gesuchen mit einer Willfährigkeit begegnet worden, die ich nie genug rühmen kann, so wenig als die gute Ordnung und Mannszucht, die von den Truppen beobachtet wird. Ich habe nach und nach bereits sieben französische Sauvegarden gehabt, Sergeanten, Husaren, Jäger, Dragoner, Cuirassiere, und kann mit Grund der Wahrheit sagen, daß ich allen bei ihrem Abgang das beste Zeugniß

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[257/0261] Nun und was hast du denn geschrieben, und was hilft dich dein Schreiben, Windt? fragte die Hausfrau des vielgeplagten und vielgeprüften Mannes, dessen Redlichkeit und Diensttreue alle Feuerproben der drangvollsten Erlebnisse bestanden. Was mein Schreiben helfen wird? fragte Windt: gar nichts wird es helfen und kann auch nichts helfen! Aber es ist meine Schuldigkeit. Noch ist die alte Excellenz Herrin dieser Herrlichkeit, sie muß unterrichtet werden, wie es um ihre Besitzungen steht. Es ist ein Unglück in dieser Zeit Schlösser am Rhein zu haben; ich habe Alles so vorauskommen sehen, wie es gekommen ist, habe gerathen, habe gewarnt, Alles vergebens, ich war ja kein Rath, bin nur der Haushofmeister, und der Mensch ist stets ein Narr, der einen Rath gibt, ehe ein solcher von ihm verlangt wird; ich bin eben immer der dumme gutmüthige Narr. Gut bist du, Windt, das muß wahr sein, wenn du auch bisweilen unwirsch und kurz angebunden bist, schmeichelte seine Frau, öffnete ein geheimes Wandschränkchen in dem sichern Thurmgemach, das sie jetzt bewohnten, und brachte eine Flasche alten Port à Port daraus zum Vorschein. Komm her, Alter, ich habe noch Etwas gerettet, du sollst das Doorwerther Wasser nicht trinken, es schmeckt abscheulich und ist trüb wie Lehmbrühe. Ist das ein Wunder, jetzt, bei der furchtbaren Ueberschwemmung? Wein zu wenig und Wasser zu viel. Bist ein Goldkorn, Jule! Was wär’ ich ohne deine treue Hülfe! rief Windt, ließ sich willig einschenken, trank und begann zu lesen: „Auf gut Glück, da ich nicht weiß, ob die Post von Amsterdam nach Hamburg wieder geht, schreibe ich Ihrer Excellenz, daß ich noch lebe, und daß ich gegenwärtig eine französische Schutzwache im Kastell habe. Mir ist von den französischen Generalen und Commandanten mit einer Menschenfreundlichkeit, einer wahrhaft brüderlichen Güte und in allen meinen Gesuchen mit einer Willfährigkeit begegnet worden, die ich nie genug rühmen kann, so wenig als die gute Ordnung und Mannszucht, die von den Truppen beobachtet wird. Ich habe nach und nach bereits sieben französische Sauvegarden gehabt, Sergeanten, Husaren, Jäger, Dragoner, Cuirassiere, und kann mit Grund der Wahrheit sagen, daß ich allen bei ihrem Abgang das beste Zeugniß

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/261>, abgerufen am 28.11.2024.