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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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Die Meisten waren entweder geborene oder doch gelernte Kaufleute. Ist nun Doorwerth so entwerthet, das heißt, erscheint es so, dann wird der Erbherr in England geltend machen können, daß er sein Eigenthum für die gemeinsame Sache zum Opfer gebracht, daß er englische Truppen im Uebermaß verköstigt; er wird darthun, daß England die Herrlichkeit habe ruiniren helfen, und von dem Inselstaate eine Entschädigung fordern, und eine solche vielleicht wirklich erlangen, denn die englischen Prinzen selbst müssen bezeugen, daß sie beigetragen haben, Doorwerth mit zu verzehren; vielleicht aber erlangt er sie auch nicht.

Er verarmt also; das ist, was ich deiner ganzen Rede entnehme! O mein unseliger Fluch! rief Ludwig.

Nun, ich muß bekennen, du verstehst gut, dich selbst zu quälen, schloß Leonardus diese Unterredung. Es wurde bald nach derselben die Reise der beiderseitigen Freunde nach Amsterdam festgestellt.

Daselbst traf Leonardus seine Mutter in tiefer Trauer und weit untröstlicher über den Tod des Gatten, als über dessen starren Eigensinn, Leonardus zu enterben; aber des Sohnes verständiges Wesen benahm jenes Bangen der alten, stets das Schlimmste fürchtenden Kaufmannsfrau. Vor Allem war er bemüht, alles Nöthige zu ordnen, das Vermögen seiner Mutter gegen das seines Vaters festzustellen, und die Erben in diejenigen Rechte einzusetzen, die sie nach dem Gesetze beanspruchen konnten. Als er mit Ludwig und Vincentius Martinus, der auch einigermaßen bedacht worden war, sich gemeinschaftlich über seine Angelegenheiten unterhielt und der Letztere äußerte: Du wirst doch, lieber Leonardus, nun bei uns bleiben, wirst dein eigenes Geschäft beginnen und uns die Freude machen, dich in unserer Verwandtschaft zu behalten und deine alte Mutter pflegen? -- da antwortete Leonardus: Ich werde thun, was mir gut dünkt, Vetter! Erbt ihr Alle doch in Gottes Namen, was zu erben ist. Ich brauche euch nicht, ihr bedürft meiner nicht. Wenn ich dem heiligen Martinus gleichen sollte, der seinen Mantel theilte und die eine Hälfte einem Armen gab, so soll mindestens keiner von euch der Arme sein, der meine Mantelhälfte bekommt -- ich will es machen wie mein Vater, will die nächsten Verwandten hintansetzen und mir selbst einen Erben suchen, der mein Mantelkind sein soll. Hier steht er, es ist mein Freund, mein Bruder, mein Ludovicus.

Die Meisten waren entweder geborene oder doch gelernte Kaufleute. Ist nun Doorwerth so entwerthet, das heißt, erscheint es so, dann wird der Erbherr in England geltend machen können, daß er sein Eigenthum für die gemeinsame Sache zum Opfer gebracht, daß er englische Truppen im Uebermaß verköstigt; er wird darthun, daß England die Herrlichkeit habe ruiniren helfen, und von dem Inselstaate eine Entschädigung fordern, und eine solche vielleicht wirklich erlangen, denn die englischen Prinzen selbst müssen bezeugen, daß sie beigetragen haben, Doorwerth mit zu verzehren; vielleicht aber erlangt er sie auch nicht.

Er verarmt also; das ist, was ich deiner ganzen Rede entnehme! O mein unseliger Fluch! rief Ludwig.

Nun, ich muß bekennen, du verstehst gut, dich selbst zu quälen, schloß Leonardus diese Unterredung. Es wurde bald nach derselben die Reise der beiderseitigen Freunde nach Amsterdam festgestellt.

Daselbst traf Leonardus seine Mutter in tiefer Trauer und weit untröstlicher über den Tod des Gatten, als über dessen starren Eigensinn, Leonardus zu enterben; aber des Sohnes verständiges Wesen benahm jenes Bangen der alten, stets das Schlimmste fürchtenden Kaufmannsfrau. Vor Allem war er bemüht, alles Nöthige zu ordnen, das Vermögen seiner Mutter gegen das seines Vaters festzustellen, und die Erben in diejenigen Rechte einzusetzen, die sie nach dem Gesetze beanspruchen konnten. Als er mit Ludwig und Vincentius Martinus, der auch einigermaßen bedacht worden war, sich gemeinschaftlich über seine Angelegenheiten unterhielt und der Letztere äußerte: Du wirst doch, lieber Leonardus, nun bei uns bleiben, wirst dein eigenes Geschäft beginnen und uns die Freude machen, dich in unserer Verwandtschaft zu behalten und deine alte Mutter pflegen? — da antwortete Leonardus: Ich werde thun, was mir gut dünkt, Vetter! Erbt ihr Alle doch in Gottes Namen, was zu erben ist. Ich brauche euch nicht, ihr bedürft meiner nicht. Wenn ich dem heiligen Martinus gleichen sollte, der seinen Mantel theilte und die eine Hälfte einem Armen gab, so soll mindestens keiner von euch der Arme sein, der meine Mantelhälfte bekommt — ich will es machen wie mein Vater, will die nächsten Verwandten hintansetzen und mir selbst einen Erben suchen, der mein Mantelkind sein soll. Hier steht er, es ist mein Freund, mein Bruder, mein Ludovicus.

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Die Meisten waren entweder geborene oder doch gelernte Kaufleute. Ist nun Doorwerth so entwerthet, das heißt, erscheint es so, dann wird der Erbherr in England geltend machen können, daß er sein Eigenthum für die gemeinsame Sache zum Opfer gebracht, daß er englische Truppen im Uebermaß verköstigt; er wird darthun, daß England die Herrlichkeit habe ruiniren helfen, und von dem Inselstaate eine Entschädigung fordern, und eine solche vielleicht wirklich erlangen, denn die englischen Prinzen selbst müssen bezeugen, daß sie beigetragen haben, Doorwerth mit zu verzehren; vielleicht aber erlangt er sie auch nicht.</p>
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[244/0248] Die Meisten waren entweder geborene oder doch gelernte Kaufleute. Ist nun Doorwerth so entwerthet, das heißt, erscheint es so, dann wird der Erbherr in England geltend machen können, daß er sein Eigenthum für die gemeinsame Sache zum Opfer gebracht, daß er englische Truppen im Uebermaß verköstigt; er wird darthun, daß England die Herrlichkeit habe ruiniren helfen, und von dem Inselstaate eine Entschädigung fordern, und eine solche vielleicht wirklich erlangen, denn die englischen Prinzen selbst müssen bezeugen, daß sie beigetragen haben, Doorwerth mit zu verzehren; vielleicht aber erlangt er sie auch nicht. Er verarmt also; das ist, was ich deiner ganzen Rede entnehme! O mein unseliger Fluch! rief Ludwig. Nun, ich muß bekennen, du verstehst gut, dich selbst zu quälen, schloß Leonardus diese Unterredung. Es wurde bald nach derselben die Reise der beiderseitigen Freunde nach Amsterdam festgestellt. Daselbst traf Leonardus seine Mutter in tiefer Trauer und weit untröstlicher über den Tod des Gatten, als über dessen starren Eigensinn, Leonardus zu enterben; aber des Sohnes verständiges Wesen benahm jenes Bangen der alten, stets das Schlimmste fürchtenden Kaufmannsfrau. Vor Allem war er bemüht, alles Nöthige zu ordnen, das Vermögen seiner Mutter gegen das seines Vaters festzustellen, und die Erben in diejenigen Rechte einzusetzen, die sie nach dem Gesetze beanspruchen konnten. Als er mit Ludwig und Vincentius Martinus, der auch einigermaßen bedacht worden war, sich gemeinschaftlich über seine Angelegenheiten unterhielt und der Letztere äußerte: Du wirst doch, lieber Leonardus, nun bei uns bleiben, wirst dein eigenes Geschäft beginnen und uns die Freude machen, dich in unserer Verwandtschaft zu behalten und deine alte Mutter pflegen? — da antwortete Leonardus: Ich werde thun, was mir gut dünkt, Vetter! Erbt ihr Alle doch in Gottes Namen, was zu erben ist. Ich brauche euch nicht, ihr bedürft meiner nicht. Wenn ich dem heiligen Martinus gleichen sollte, der seinen Mantel theilte und die eine Hälfte einem Armen gab, so soll mindestens keiner von euch der Arme sein, der meine Mantelhälfte bekommt — ich will es machen wie mein Vater, will die nächsten Verwandten hintansetzen und mir selbst einen Erben suchen, der mein Mantelkind sein soll. Hier steht er, es ist mein Freund, mein Bruder, mein Ludovicus.

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/248>, abgerufen am 24.11.2024.