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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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O, ich weiß, welche Fülle von Liebe, Güte und Großmuth ich Ihnen danke, beste Mutter! erwiederte Georgine voll tiefer Rührung. Und Ludwig? fragte sie leise, von Neuem erglühend.

Ich habe einen Brief, antwortete die Gräfin, doch nicht du allein sollst ihn hören; es schlägt noch ein Herz unter diesem meinem Dache, das Theil an ihm nimmt, das ihn in Gedanken begleitet. Der Knabe würde von Glück sagen können, wenn junge Herzen so voll Liebe für ihn schlügen, wie hier zwei ältere und mein -- uraltes.

Das ewig frisch und jung bleibt!

Ist Schmeicheln geistreich, meine geistreiche Georgine? Sage, das ewig treu und wahr bleibt, so lange nämlich diese irdische Ewigkeit noch dauert.

Nicht auch drüben, meine Mutter?

Ich hoffe, daß es ein Drüben gibt, und wenn es ein Drüben gibt, so denke ich nicht, daß dort ein Herz sich selbst untreu werden könne, zumal wenn es hienieden sich und Andern treu war.

Dies Gespräch unterbrach der Eintritt einer dritten und zwar jüngeren, sehr zarten Frau, deren Aussehen matt und leidend war, und die sich von den beiden schon anwesenden Frauen liebevoll begrüßt sah.

Wie ist Ihnen, meine Beste? fragte die Herzogin.

Jene verneigte sich tief und antwortete mit einer matten Stimme: Nicht zum Besten, meine Hochgnädige! Mich drückt die Winterkälte, meine Brust kann diese Luft nicht ertragen, und meine Nerven sind stets in fieberhafter Erregung.

Meine arme Ottoline! sprach mit Theilnahme die Reichsgräfin. -- Bitte, meine Damen, lassen Sie sich nieder! Es ist betrübend, daß der Schöpfer es für uns arme Menschen so eingerichtet hat, daß die Freude nur einfach ist, nur geistig, aber der Schmerz doppelt, geistig und körperlich.

Oh, theure Großmutter! entgegnete mit einem Seufzer deren jugendschöne aber bleiche Enkelgemahlin: auch die körperliche Freude ist da, wer so glücklich ist, sie zu besitzen, wir haben nur ein anderes Wort dafür, es ist die Gesundheit. Wir sind uns ihrer nicht bewußt, so lange wir sie ungestört besitzen, wir denken kaum an sie, aber so

O, ich weiß, welche Fülle von Liebe, Güte und Großmuth ich Ihnen danke, beste Mutter! erwiederte Georgine voll tiefer Rührung. Und Ludwig? fragte sie leise, von Neuem erglühend.

Ich habe einen Brief, antwortete die Gräfin, doch nicht du allein sollst ihn hören; es schlägt noch ein Herz unter diesem meinem Dache, das Theil an ihm nimmt, das ihn in Gedanken begleitet. Der Knabe würde von Glück sagen können, wenn junge Herzen so voll Liebe für ihn schlügen, wie hier zwei ältere und mein — uraltes.

Das ewig frisch und jung bleibt!

Ist Schmeicheln geistreich, meine geistreiche Georgine? Sage, das ewig treu und wahr bleibt, so lange nämlich diese irdische Ewigkeit noch dauert.

Nicht auch drüben, meine Mutter?

Ich hoffe, daß es ein Drüben gibt, und wenn es ein Drüben gibt, so denke ich nicht, daß dort ein Herz sich selbst untreu werden könne, zumal wenn es hienieden sich und Andern treu war.

Dies Gespräch unterbrach der Eintritt einer dritten und zwar jüngeren, sehr zarten Frau, deren Aussehen matt und leidend war, und die sich von den beiden schon anwesenden Frauen liebevoll begrüßt sah.

Wie ist Ihnen, meine Beste? fragte die Herzogin.

Jene verneigte sich tief und antwortete mit einer matten Stimme: Nicht zum Besten, meine Hochgnädige! Mich drückt die Winterkälte, meine Brust kann diese Luft nicht ertragen, und meine Nerven sind stets in fieberhafter Erregung.

Meine arme Ottoline! sprach mit Theilnahme die Reichsgräfin. — Bitte, meine Damen, lassen Sie sich nieder! Es ist betrübend, daß der Schöpfer es für uns arme Menschen so eingerichtet hat, daß die Freude nur einfach ist, nur geistig, aber der Schmerz doppelt, geistig und körperlich.

Oh, theure Großmutter! entgegnete mit einem Seufzer deren jugendschöne aber bleiche Enkelgemahlin: auch die körperliche Freude ist da, wer so glücklich ist, sie zu besitzen, wir haben nur ein anderes Wort dafür, es ist die Gesundheit. Wir sind uns ihrer nicht bewußt, so lange wir sie ungestört besitzen, wir denken kaum an sie, aber so

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[219/0223] O, ich weiß, welche Fülle von Liebe, Güte und Großmuth ich Ihnen danke, beste Mutter! erwiederte Georgine voll tiefer Rührung. Und Ludwig? fragte sie leise, von Neuem erglühend. Ich habe einen Brief, antwortete die Gräfin, doch nicht du allein sollst ihn hören; es schlägt noch ein Herz unter diesem meinem Dache, das Theil an ihm nimmt, das ihn in Gedanken begleitet. Der Knabe würde von Glück sagen können, wenn junge Herzen so voll Liebe für ihn schlügen, wie hier zwei ältere und mein — uraltes. Das ewig frisch und jung bleibt! Ist Schmeicheln geistreich, meine geistreiche Georgine? Sage, das ewig treu und wahr bleibt, so lange nämlich diese irdische Ewigkeit noch dauert. Nicht auch drüben, meine Mutter? Ich hoffe, daß es ein Drüben gibt, und wenn es ein Drüben gibt, so denke ich nicht, daß dort ein Herz sich selbst untreu werden könne, zumal wenn es hienieden sich und Andern treu war. Dies Gespräch unterbrach der Eintritt einer dritten und zwar jüngeren, sehr zarten Frau, deren Aussehen matt und leidend war, und die sich von den beiden schon anwesenden Frauen liebevoll begrüßt sah. Wie ist Ihnen, meine Beste? fragte die Herzogin. Jene verneigte sich tief und antwortete mit einer matten Stimme: Nicht zum Besten, meine Hochgnädige! Mich drückt die Winterkälte, meine Brust kann diese Luft nicht ertragen, und meine Nerven sind stets in fieberhafter Erregung. Meine arme Ottoline! sprach mit Theilnahme die Reichsgräfin. — Bitte, meine Damen, lassen Sie sich nieder! Es ist betrübend, daß der Schöpfer es für uns arme Menschen so eingerichtet hat, daß die Freude nur einfach ist, nur geistig, aber der Schmerz doppelt, geistig und körperlich. Oh, theure Großmutter! entgegnete mit einem Seufzer deren jugendschöne aber bleiche Enkelgemahlin: auch die körperliche Freude ist da, wer so glücklich ist, sie zu besitzen, wir haben nur ein anderes Wort dafür, es ist die Gesundheit. Wir sind uns ihrer nicht bewußt, so lange wir sie ungestört besitzen, wir denken kaum an sie, aber so

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/223>, abgerufen am 24.11.2024.