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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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diesen Tagen zweitausend Kaiserliche nach Arnhem und Holland hat auf den Grund eines geheimen Tractates fünfundzwanzigtausend kaiserliche Soldaten in seinen Sold genommen, die nach und nach anrücken, um die Wahl zu decken; die englische und hannoversche Reiterei dagegen geht nach Westphalen.

Woher weiß so ein miserabler und lumpiger Kerl, wie du einer bist, das Alles? fragte Windt barsch.

Herr! entgegnete Clement Aboncourt: haben Sie die Gnade und henken Sie mich lieber, als daß Sie mich schimpfen! Da ich in Ihnen einen guten Legitimisten voraussetzen darf, so bedenken Sie, daß ich ein König war.

Auf deinen Schmierbühnen, du Meerschwein!

Ja leider -- nirgends als dort, sonst wäre ich nicht hier! fuhr jener unter komischen Seufzern fort: denn wenn ich ein König oder ein königlicher Prinz in der Wirklichkeit wäre -- ich wollte mich bei Gott anders und besser halten, wie zum Beispiel der Herr Graf von Artois.

Was ist's mit dem? fragte Ludwig aufmerksam.

Je nun -- antwortete wegwerfend der Spion: er liegt im Hauptquartiere der feindlichen Verbündeten, läßt sich als Gast von den deutschen und niederländischen Edelleuten bewirthen, schmarozt wie ein Abbe und führt ein müßiges Schlaraffenleben. Er stolzirt in einem rothen goldgestickten Rock einher und trägt am Hut eine weiße Cocarde, so groß wie ein Teller. Ludwig der Sechszehnte mochte sein wie er wollte, besser wie dieser war er auf alle Fälle und an dem verliert Frankreich wahrhaftig nichts. Wenn die Emigranten, die den kleinen Hof und Schweif dieses Grafen Artois bilden, ihn mit der weißen Cocarde sehen und er ein weissagendes Gesicht schneidet, denken sie Wunder, wie gut ihre Sache stehe und wie bald man sie zurückrufen werde, und rufen gläubig aus: Ah! Nos affaires sont bien, le Comte d'Artois a souri a la lecture de ses lettres.

Ja ja -- brummte Windt: sie haben einen starken Glauben und der Glaube kann Berge versetzen.

Aber nicht Armeen, fügte Leonardus hinzu und fragte den Spion: Weißt du nichts vom Frieden, nichts von wichtigen Veränderungen, spricht man im feindlichen Heere nicht von einem Waffenstillstand?

diesen Tagen zweitausend Kaiserliche nach Arnhem und Holland hat auf den Grund eines geheimen Tractates fünfundzwanzigtausend kaiserliche Soldaten in seinen Sold genommen, die nach und nach anrücken, um die Wahl zu decken; die englische und hannoversche Reiterei dagegen geht nach Westphalen.

Woher weiß so ein miserabler und lumpiger Kerl, wie du einer bist, das Alles? fragte Windt barsch.

Herr! entgegnete Clement Aboncourt: haben Sie die Gnade und henken Sie mich lieber, als daß Sie mich schimpfen! Da ich in Ihnen einen guten Legitimisten voraussetzen darf, so bedenken Sie, daß ich ein König war.

Auf deinen Schmierbühnen, du Meerschwein!

Ja leider — nirgends als dort, sonst wäre ich nicht hier! fuhr jener unter komischen Seufzern fort: denn wenn ich ein König oder ein königlicher Prinz in der Wirklichkeit wäre — ich wollte mich bei Gott anders und besser halten, wie zum Beispiel der Herr Graf von Artois.

Was ist’s mit dem? fragte Ludwig aufmerksam.

Je nun — antwortete wegwerfend der Spion: er liegt im Hauptquartiere der feindlichen Verbündeten, läßt sich als Gast von den deutschen und niederländischen Edelleuten bewirthen, schmarozt wie ein Abbé und führt ein müßiges Schlaraffenleben. Er stolzirt in einem rothen goldgestickten Rock einher und trägt am Hut eine weiße Cocarde, so groß wie ein Teller. Ludwig der Sechszehnte mochte sein wie er wollte, besser wie dieser war er auf alle Fälle und an dem verliert Frankreich wahrhaftig nichts. Wenn die Emigranten, die den kleinen Hof und Schweif dieses Grafen Artois bilden, ihn mit der weißen Cocarde sehen und er ein weissagendes Gesicht schneidet, denken sie Wunder, wie gut ihre Sache stehe und wie bald man sie zurückrufen werde, und rufen gläubig aus: Ah! Nos affaires sont bien, le Comte d’Artois a souri à la lecture de ses lettres.

Ja ja — brummte Windt: sie haben einen starken Glauben und der Glaube kann Berge versetzen.

Aber nicht Armeen, fügte Leonardus hinzu und fragte den Spion: Weißt du nichts vom Frieden, nichts von wichtigen Veränderungen, spricht man im feindlichen Heere nicht von einem Waffenstillstand?

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[207/0211] diesen Tagen zweitausend Kaiserliche nach Arnhem und Holland hat auf den Grund eines geheimen Tractates fünfundzwanzigtausend kaiserliche Soldaten in seinen Sold genommen, die nach und nach anrücken, um die Wahl zu decken; die englische und hannoversche Reiterei dagegen geht nach Westphalen. Woher weiß so ein miserabler und lumpiger Kerl, wie du einer bist, das Alles? fragte Windt barsch. Herr! entgegnete Clement Aboncourt: haben Sie die Gnade und henken Sie mich lieber, als daß Sie mich schimpfen! Da ich in Ihnen einen guten Legitimisten voraussetzen darf, so bedenken Sie, daß ich ein König war. Auf deinen Schmierbühnen, du Meerschwein! Ja leider — nirgends als dort, sonst wäre ich nicht hier! fuhr jener unter komischen Seufzern fort: denn wenn ich ein König oder ein königlicher Prinz in der Wirklichkeit wäre — ich wollte mich bei Gott anders und besser halten, wie zum Beispiel der Herr Graf von Artois. Was ist’s mit dem? fragte Ludwig aufmerksam. Je nun — antwortete wegwerfend der Spion: er liegt im Hauptquartiere der feindlichen Verbündeten, läßt sich als Gast von den deutschen und niederländischen Edelleuten bewirthen, schmarozt wie ein Abbé und führt ein müßiges Schlaraffenleben. Er stolzirt in einem rothen goldgestickten Rock einher und trägt am Hut eine weiße Cocarde, so groß wie ein Teller. Ludwig der Sechszehnte mochte sein wie er wollte, besser wie dieser war er auf alle Fälle und an dem verliert Frankreich wahrhaftig nichts. Wenn die Emigranten, die den kleinen Hof und Schweif dieses Grafen Artois bilden, ihn mit der weißen Cocarde sehen und er ein weissagendes Gesicht schneidet, denken sie Wunder, wie gut ihre Sache stehe und wie bald man sie zurückrufen werde, und rufen gläubig aus: Ah! Nos affaires sont bien, le Comte d’Artois a souri à la lecture de ses lettres. Ja ja — brummte Windt: sie haben einen starken Glauben und der Glaube kann Berge versetzen. Aber nicht Armeen, fügte Leonardus hinzu und fragte den Spion: Weißt du nichts vom Frieden, nichts von wichtigen Veränderungen, spricht man im feindlichen Heere nicht von einem Waffenstillstand?

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/211>, abgerufen am 18.05.2024.