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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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Sieh, sieh, Leonardus! Wiederum unser Pariser! rief Ludwig, und Leonardus erwiederte: Wahrhaftig, der Citoyen von der Seineterrasse, der Ca ira-Mann von der Balustrade!

Das Großmaul von neulich! Was zum Kukuk hat der Bursche hier zu thun?

Der Wasserspringer! gab Philipp dazu. Ich kannt' ihn gleich von Weitem an seinen langen dünnen Schlenkerbeinen, gnädige Herren Hauptleute. Soll ich ihn in die Wahl schmeißen?

Da hätte er die Wahl zwischen Seine und Rhein! lachte wortspielend Ludwig. Nein, bindet den Kerl und laßt uns ihn mitnehmen. Täuscht mich nicht Alles, so erfahren wir von ihm mehr als von irgend Jemand.

Henkt ihn auf, dort an jene Weide! schrie Windt, den ein Gefühl wilder Rache gegen den Mann überkam, der ohnlängst als Führer einer Bande das Schloß mit großer Gefahr und ihm selbst das eigene Leben bedroht hatte. Mit angstvoll verzerrtem Gesicht sich am Boden windend und unter einer Ueberfülle flehender Worte bettelte der Franzose um sein armseliges Leben.

Uebt Gnade, übt Barmherzigkeit, meine gnädigen Herren! Ich bin ein armer von Gott und der Welt verlassener Mensch! Ich will Alles bekennen, was ich weiß! Ich will euch Alles berichten! Nur nicht henken, nur nicht henken! Sollte mein Hals doch daran? Ich bin aus Paris entflohen, meinen Hals zu retten; ich scheute die Berührung des Guillotinebeils mit meinem Halse! Ich bin von der Armee dessertirt, weil dort mein Hals in Gefahr war! Schont ihn, schont ihn, ich habe nur diesen einen!

Pardon für ihn, lieber Windt! Er ist ja unser Gefangener, riefen die Hauptleute.

Nun denn, wie Sie befehlen! erwiederte Windt; aber bindet ihn fest, Philipp, laßt ihn nicht einen Augenblick aus den Augen. Diese Art ist wie ein Aal! Gürtet ihn mit einer Halfter fest an den Schweif eines Pferdes. Reitet ihm zur Rechten und zur Linken, ihr Bursche, und einer dicht hinter ihm, die Klingen blank! Wenn er nur eine Miene macht zu entwischen, haut ihn auf der Stelle zusammen, den Coujon!

Sieh, sieh, Leonardus! Wiederum unser Pariser! rief Ludwig, und Leonardus erwiederte: Wahrhaftig, der Citoyen von der Seineterrasse, der Ça ira-Mann von der Balustrade!

Das Großmaul von neulich! Was zum Kukuk hat der Bursche hier zu thun?

Der Wasserspringer! gab Philipp dazu. Ich kannt’ ihn gleich von Weitem an seinen langen dünnen Schlenkerbeinen, gnädige Herren Hauptleute. Soll ich ihn in die Wahl schmeißen?

Da hätte er die Wahl zwischen Seine und Rhein! lachte wortspielend Ludwig. Nein, bindet den Kerl und laßt uns ihn mitnehmen. Täuscht mich nicht Alles, so erfahren wir von ihm mehr als von irgend Jemand.

Henkt ihn auf, dort an jene Weide! schrie Windt, den ein Gefühl wilder Rache gegen den Mann überkam, der ohnlängst als Führer einer Bande das Schloß mit großer Gefahr und ihm selbst das eigene Leben bedroht hatte. Mit angstvoll verzerrtem Gesicht sich am Boden windend und unter einer Ueberfülle flehender Worte bettelte der Franzose um sein armseliges Leben.

Uebt Gnade, übt Barmherzigkeit, meine gnädigen Herren! Ich bin ein armer von Gott und der Welt verlassener Mensch! Ich will Alles bekennen, was ich weiß! Ich will euch Alles berichten! Nur nicht henken, nur nicht henken! Sollte mein Hals doch daran? Ich bin aus Paris entflohen, meinen Hals zu retten; ich scheute die Berührung des Guillotinebeils mit meinem Halse! Ich bin von der Armee dessertirt, weil dort mein Hals in Gefahr war! Schont ihn, schont ihn, ich habe nur diesen einen!

Pardon für ihn, lieber Windt! Er ist ja unser Gefangener, riefen die Hauptleute.

Nun denn, wie Sie befehlen! erwiederte Windt; aber bindet ihn fest, Philipp, laßt ihn nicht einen Augenblick aus den Augen. Diese Art ist wie ein Aal! Gürtet ihn mit einer Halfter fest an den Schweif eines Pferdes. Reitet ihm zur Rechten und zur Linken, ihr Bursche, und einer dicht hinter ihm, die Klingen blank! Wenn er nur eine Miene macht zu entwischen, haut ihn auf der Stelle zusammen, den Coujon!

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          <p>Henkt ihn auf, dort an jene Weide! schrie Windt, den ein Gefühl wilder Rache gegen den Mann überkam, der ohnlängst als Führer einer Bande das Schloß mit großer Gefahr und ihm selbst das eigene Leben bedroht hatte. Mit angstvoll verzerrtem Gesicht sich am Boden windend und unter einer Ueberfülle flehender Worte bettelte der Franzose um sein armseliges Leben.</p>
          <p>Uebt Gnade, übt Barmherzigkeit, meine gnädigen Herren! Ich bin ein armer von Gott und der Welt verlassener Mensch! Ich will Alles bekennen, was ich weiß! Ich will euch Alles berichten! Nur nicht henken, nur nicht henken! Sollte mein Hals doch daran? Ich bin aus Paris entflohen, meinen Hals zu retten; ich scheute die Berührung des Guillotinebeils mit meinem Halse! Ich bin von der Armee dessertirt, weil dort mein Hals in Gefahr war! Schont ihn, schont ihn, ich habe nur diesen einen!</p>
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[202/0206] Sieh, sieh, Leonardus! Wiederum unser Pariser! rief Ludwig, und Leonardus erwiederte: Wahrhaftig, der Citoyen von der Seineterrasse, der Ça ira-Mann von der Balustrade! Das Großmaul von neulich! Was zum Kukuk hat der Bursche hier zu thun? Der Wasserspringer! gab Philipp dazu. Ich kannt’ ihn gleich von Weitem an seinen langen dünnen Schlenkerbeinen, gnädige Herren Hauptleute. Soll ich ihn in die Wahl schmeißen? Da hätte er die Wahl zwischen Seine und Rhein! lachte wortspielend Ludwig. Nein, bindet den Kerl und laßt uns ihn mitnehmen. Täuscht mich nicht Alles, so erfahren wir von ihm mehr als von irgend Jemand. Henkt ihn auf, dort an jene Weide! schrie Windt, den ein Gefühl wilder Rache gegen den Mann überkam, der ohnlängst als Führer einer Bande das Schloß mit großer Gefahr und ihm selbst das eigene Leben bedroht hatte. Mit angstvoll verzerrtem Gesicht sich am Boden windend und unter einer Ueberfülle flehender Worte bettelte der Franzose um sein armseliges Leben. Uebt Gnade, übt Barmherzigkeit, meine gnädigen Herren! Ich bin ein armer von Gott und der Welt verlassener Mensch! Ich will Alles bekennen, was ich weiß! Ich will euch Alles berichten! Nur nicht henken, nur nicht henken! Sollte mein Hals doch daran? Ich bin aus Paris entflohen, meinen Hals zu retten; ich scheute die Berührung des Guillotinebeils mit meinem Halse! Ich bin von der Armee dessertirt, weil dort mein Hals in Gefahr war! Schont ihn, schont ihn, ich habe nur diesen einen! Pardon für ihn, lieber Windt! Er ist ja unser Gefangener, riefen die Hauptleute. Nun denn, wie Sie befehlen! erwiederte Windt; aber bindet ihn fest, Philipp, laßt ihn nicht einen Augenblick aus den Augen. Diese Art ist wie ein Aal! Gürtet ihn mit einer Halfter fest an den Schweif eines Pferdes. Reitet ihm zur Rechten und zur Linken, ihr Bursche, und einer dicht hinter ihm, die Klingen blank! Wenn er nur eine Miene macht zu entwischen, haut ihn auf der Stelle zusammen, den Coujon!

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/206>, abgerufen am 23.11.2024.